Mit 16 Jahren wagte sie den Sprung, gemeinsam mit Viktoria Schnaderbeck. Die zwei Steirerinnen zogen aus, um in München bei den Bayern die große Fußballwelt kennenzulernen. Carina Wenninger spielt nun schon seit 15 Jahren für den Traditionsklub, nur Thomas Müller ist von den Aktiven länger beim Verein. Wenninger hat mit den Bayern alles gewonnen – nur nicht die Champions League. Im Viertelfinale empfangen die Münchnerinnen am Dienstag (18.45 Uhr/live auf DAZN) Paris St. Germain. Erstmals spielt die Frauenmannschaft dabei in der großen Allianz Arena auf.
Welche Titel sind in dieser Saison noch möglich?
In der Liga sieht es gut aus, wir müssen aber das direkte Duell mit Wolfsburg gewinnen, haben es somit schon in der eigenen Hand. Und in der Champions League treffen wir im Viertelfinale mit PSG auf eine tolle Mannschaft. Individuell haben sie großartige Spielerinnen, aber wir kennen auch ihre Schwächen.
Und die wären?
Sagen wir so, auf der mentalen Schiene kann man da vielleicht ansetzen, wenn man kampfkräftig dazwischen geht. Das mögen sie vielleicht nicht so. Das ist das Viertelfinale, wenn wir gewinnen wollen, müssen wir uns durchsetzen.
Seit wann merkt man, dass Bayern München nicht nur allein die Männermannschaft ist?
Der Boom im Frauenfußball hat in den vergangenen zehn Jahren richtig eingesetzt. Bei Bayern hat die Bedeutung des Frauenteams mit dem neuen Campus zugenommen. Man will im Verein mit dem Team Erfolg haben, das spürt man. Oft schwingt natürlich auch eine gesellschaftspolitische Thematik mit, inwieweit sich ein großer Verein es sich leisten kann, keine Frauenmannschaft zu unterhalten. Das wurde bei den Bayern im Vergleich zu anderen Vereinen gesund aufgebaut über die Jahre.
Sie sind in jungen Jahren nach München gezogen. Hatten Sie nie Heimweh?
So richtig Heimweh habe ich selten. Zudem war auch mein Vater zu Beginn dabei hier in München, danach ist auch meine Mutter gekommen. Somit hat sich das Familienleben schnell nach München verlagert. Außerdem habe ich nicht viel Zeit zum Nachdenken gehabt bei meinem Alltag im Sport. München ist eine Großstadt mit grünen Flecken wie dem Englischen Garten oder an der Isar. Berge und Seen sind in der Nähe, auch nach Österreich ist es nicht weit. Die Lage ist ideal, das Gesamtpaket hat gestimmt. Nur während Corona hat mir der direkte Kontakt zu meiner Familie schon gefehlt.
Die Erfolge haben Ihnen Recht gegeben.
Was ich erleben durfte, macht mich sehr zufrieden. Vom sportlichen Erfolg her, aber auch wie ich mich als Person entwickelt habe.
Inwiefern?
Durch den Sport und den Anspruch, den man bei den Bayern hat, bin ich schon sehr zielgerichtet geworden. Mittlerweile habe ich die Balance gefunden zwischen dem sportlichen Erfolgsstreben und dem Privatleben. Da hat früher sicher viel mehr der Fußball mein Leben dominiert.
Wer ist Ihr Korrektiv?
Meine Mutter. Ich engagiere mich neben dem Fußball im sozialen Bereich, treibe mein Studium im Sportbusiness-Management voran. Also ich würde schon sagen, dass ich ein aktiver Typ bin. Eine kleine Mahnung zum Abschalten ist dann nicht so schlecht.
Wie groß ist der Druck bei den Bayern?
Die Zielsetzungen sind immer groß. Umgekehrt spielt man genau deshalb in München, weil man gewinnen will.
Wie wichtig sind Spielerinnen wie die US-Amerikanerin Megan Rapinoe für den Frauenfußball?
Es ist sehr wichtig, dass solche Spielerinnen Meinung äußern, Stellung beziehen. In den USA war es möglich, die Gleichstellung in der Bezahlung, das Equal Pay zu fordern, weil der Frauenfußball in diesem Land einen hohen Stellenwert besitzt. Das ist in Europa sicher noch anders. Aber man muss sich zumindest in diese Richtung hinbewegen.
Werden die Frauen von Bayern irgendwann so viel verdienen wie die Männer?
Stand jetzt ist es deswegen eine Illusion, weil wir nicht diese Fernsehgelder lukrieren, die Allianz Arena bei uns nicht voll ist, das Merchandising ein anderes ist. Hätte man andere TV-Rechte, würden sich zig-tausend Wenninger-Trikots verkaufen, dann wäre es vielleicht etwas anderes. Man muss sich aber annähern. Spiele in der Allianz Arena wie jetzt gegen PSG sind ein guter Schritt.
Finden Sie das unfair?
So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Richtig unfair ist es nicht. Aber es wäre schon schön, wenn eine Spitzenspielerin vielleicht mit dem Fußball einmal ausgesorgt hat. Wenn es in diese Richtung geht, wäre es in Ordnung. Umgekehrt können wir gemütlich durch München spazieren und haben ein normales Leben.
Würde ich jetzt mit Lewandowski und nicht mit Wenninger hier sitzen, was wäre dann los?
Jede Sekunde ein Autogramm, ein Foto. Und er könnte dann nicht mit der U-Bahn hierherfahren in die Innenstadt. So wie ich.
Wäre das was für Sie?
Nein.
Sie würden dann aber 20 Millionen pro Jahr verdienen.
Mich macht Geld nicht glücklich. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für den Frauenfußball, vielleicht ein wenig mehr verdienen, ohne dass man zuviel im Privatleben einbüßt. Das würde mir reichen.
Im Sommer blickt Fußball-Österreich auf das Frauenteam bei der EM in England.
Ja, diesmal wird von uns bei der EURO mehr erwartet als noch 2017. Das ist ein schöner Druck, den wir uns erarbeitet haben. Wir sind nicht mehr der Underdog wie vor einigen Jahren. Ich finde es schön, wenn sich die Gegner mehr mit uns beschäftigen. Und es wäre für uns ein Traum, Mädels zu inspirieren und zum Fußball zu locken.
ÖFB-Torfrau Manuela Zinsberger hat zuletzt ihre Verlobung öffentlich gemacht auf Social Media. Was meinen Sie dazu?
Es passt gut, denn die Manu ist auf Social Media sehr aktiv. Jeder muss entscheiden, was man von seinem Privatleben hergibt.
Warum outen sich Spielerinnen viel häufiger als lesbisch als Spieler als homosexuell. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Ist es immer noch eine Form von Macho-Denken?
Wahrscheinlich. Ich finde den Schritt generell sehr mutig, weil es sehr privat ist. Ich denke schon, dass hier auch die Dimension Frauenfußball im Vergleich zum Männerfußball ins Gewicht fällt. Bei den Männern gab es die Outings meistens nach der Karriere. Es gibt leider immer wieder Beleidigungen rassistischer Art, also kann man sich vorstellen, was nach Outings passiert. Es spielt vielleicht auch die Angst mit, nicht mehr als Sportler gesehen zu werden. Schlimm eigentlich.
Ist das männliche Publikum beim Frauenfußball toleranter?
Das kann schon sein.
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