Unter „Söhne und Töchter der Gemeinde“ führt Wikipedia bei der Gemeinde Thal im Bezirk Graz-Umgebung zwei Personen an – Arnold Schwarzenegger und Carina Wenninger. Der 73-jährige Schwarzenegger war einmal Bodybuilder, Schauspieler und Politiker, wanderte mit 21 Jahren in die USA aus. Die 29-jährige Wenninger ist Fußballerin und wanderte mit 16 Jahren nach Deutschland aus. Am Dienstag durchbrach sie eine Schallmauer, als vierte Person absolvierte sie ihr 100. Länderspiel. Nina Burger, die ihre Karriere beendet hat, trug 109 Mal den Teamdress, Wenningers Teamkollegin Sarah Puntigam 104 Mal und Andreas Herzog 103 Mal.
Wenninger ist in Thal in die Schule gegangen, war oft bei ihren Großeltern und hat beim SV Thal mit dem Fußballspielen angefangen. Schwarzenegger besuchte die gleiche Volksschule wie sie. „Meine Eltern, Oma, Opa, die kennen ihn alle noch von früher. Ich bin ihm aber nie begegnet.“
Der Riesentraum
In die 2.200-Einwohner-Gemeinde kommen sie immer noch, Schwarzengger und Wenninger. „Dann merke ich schon, dass alle sehr stolz sind, dass ich als kleines Mädel dort Fußball gespielt habe.“
Schwarzenegger erzählt gern von den großen Träumen, die er als Kind im kleinen Thal hatte und dann später in die Tat umgesetzt hat. Bei Wenninger war es genauso. „Ich habe schon relativ früh die deutsche Frauen-Bundesliga verfolgt. Damals haben zwei Österreicherinnen bei Bayern gespielt: Nina Aigner und Sonja Spieler. Das wollte ich auch schaffen. Das war immer mein Riesentraum.“ Der sollte sich schon mit 16 Jahren erfüllen. „Ich war mit dem U-19-Nationalteam unterwegs, da hat mich eine deutsche Trainerin angesprochen. Dann war ich zum Probetraining in München und bin so zu den Bayern gekommen.“
Im Sommer 2007 zog sie um, wohnte mit ihrer Freundin Viktoria Schnaderbeck, die ebenfalls vom LUV Graz nach München wechselte, in einer WG am Wettersteinplatz – und mit ihrem Vater, der die beiden 16-jährigen Mädchen zwei Jahre begleitete. „Mein Vater konnte beruflich nach München übersiedeln. Und so haben wir eine WG gegründet. Mein Vater, ich und die Viki. Wir wollten auch die Schule abschließen. Meine Eltern haben mir meine Karriere ermöglicht und mich anfangs auch finanziell unterstützen müssen. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.“
Ein Studium nebenbei
Ihre Mutter kam in den ersten Jahren spätestens jedes zweite Wochenende zu Besuch, das Familienleben verlagerte sich nach München. „Heute ist es so, dass sich München mehr als Heimat anfühlt als Graz.“ Kein Wunder. „Wir sind alle Vollprofis. Man kann gut davon leben, aber du hast nach der Karriere nicht ausgesorgt. Viele von uns machen nebenbei ein Studium. „Sie machte ein Fernstudium im Bereich Fitness- und Healthmanagement, lernt für den Master. „Ich möchte später etwas im Sport oder im Gesundheitswesen machen.“
Sie kam ein Jahr vor David Alaba in die bayrische Metropole. Nur Thomas Müller (der 31-Jährige kam 2000 in den Bayern-Nachwuchs) trägt länger das Bayern-Trikot als Carina Wenninger. 260 Mal (16 Tore) stand sie für den Rekordmeister auf dem Platz, häufiger als Jens Jeremies (248), diese Saison kann sie Klublegenden wie Giovane Elber (266) oder Bixente Lizarazu (273) überholen. Vor 13 Jahren begann sie in der Zweier-Mannschaft der Bayern. „Damals war nicht sicher, ob ich es schaffen werde. Ich war nie das Riesentalent.“
Keine Lust auf Stillstand
Inzwischen hat sie mit den Bayern einen langen Weg zurückgelegt: vom Mittelmaß der Frauen-Bundesliga über den Gewinn des DFB-Pokals und zweier Meisterschaften bis ins Champions League-Halbfinale. „Der FC Bayern ist ein Verein, der meiner Meinung nach auch im Frauenfußball den Anspruch haben muss, in der europäischen Spitze zu sein. Vor 13 Jahren war das nicht wirklich vorstellbar, aber heute sollte es normal sein. Wir müssen diesen Weg weitergehen.“
Stillstand, sagt Wenninger, sei ihr ein Graus. Warum ist sie dann so lange bei einem Klub geblieben? „Weil ich immer das Gefühl hatte, mich bei Bayern weiterentwickeln zu können – obwohl ich immer am gleichen Ort geblieben bin.“ Es hätte schon Gelegenheiten gegeben zu wechseln. „Aber ich bin niemand, der unüberlegt schnelle Entscheidungen trifft. Ich versuch„ immer abzuwägen, was ich habe – und da hat das Gesamtpaket immer für München gesprochen: der Verein, die Stadt, die Nähe zu Österreich, die tollen Leute hier.“
Ein Jahr läuft ihr Vertrag noch. Wie es dann weitergeht, das will sie sich genau überlegen. Fußballspielen mache ihr „nach wie vor sehr, sehr viel Spaß“. Gleichzeitig will sie aber auch Fühler ausstrecken, um die Karriere nach der Karriere vorzubereiten. Scouting, Spielanalyse, Marketing sind Bereiche, die sie interessieren.
„Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, in die eine oder andere Abteilung bei Bayern reinzuschnuppern.“ Auf der Innenseite ihres Bizeps ist ein Tattoo zu sehen. In geschwungenen Buchstaben steht da: „Live your Dreams“. Es wirkt so, als habe Carina Wenninger ihren Münchner Traum noch lange nicht ausgeträumt.
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