Jürgen Werner kennt das Fußballgeschäft seit Jahrzehnten aus verschiedenen Blickwinkeln. Er war Spieler, Spielerberater, Manager, Vizepräsident, aktuell ist er bei der Austria (noch) Investor und Sportvorstand. Bei den Violetten geriet er im Lauf des vergangenen Jahres für manche zur Reizfigur. Nun kauft die Austria demnächst um rund acht Millionen Euro die Anteile der Investorengruppe „We think forward“ (WTF), der Werner angehört. Als Sportvorstand soll er den Weg der Veilchen weiterhin begleiten, sein Vertrag läuft bis Sommer 2026.
KURIER: Wie ist der Stand der Dinge beim Anteilsverkauf? Ist schon alles unterschrieben?
Jürgen Werner: Es gibt ein Angebot, noch ist nichts unterschrieben, aber wenn das Angebot so stimmt, wie verhandelt, dann rechne ich mit einem baldigen Verkauf.
Sie sind bei der Austria Investor und Sportvorstand. Schmerzt es Sie, wenn man Ihre Investorengruppe auskauft?
Es ist keine Kränkung, vielmehr freut es mich, dass es der Austria wieder so gut geht, dass das möglich ist. Und es freut mich für die Leute, die ich damals für das Investment gewinnen konnte. Eine Win-Win-Situation für alle. Natürlich schlagen bei mir zwei Herzen in einer Brust, was die Austria betrifft. Ich sehe sie schon irgendwo als mein Baby, das wir damals mit gerettet haben und hoffentlich jetzt in ruhigere Gewässer führen konnten. Darauf bin ich stolz. Ich habe mich damals für eine operative Tätigkeit entschieden, aus Liebe zum Spiel, aus Liebe zur Austria und weil mir viel an Professionalität im Fußball liegt.
Können Sie nachvollziehen, dass ein Teil der Austria Sie und Ihre Investoren nicht mehr dabei haben wollen?
Nein, ich denke mir eher: ja, warum denn eigentlich? Was wird mir konkret vorgeworfen? Tatsache ist, dass Austria Wien ohne unseren Einstieg insolvent gewesen wäre. Dass wir die Austria gerettet, professionell und erfolgreich gemacht haben? Ich habe damals explizit in den Vertrag reingeschrieben: Sollte sich die Wiener Austria wieder finanziell erholen, dann besteht die Möglichkeit für den Rückkauf. Eine Kann- und keine Muss-Option. Wie es über die Bühne geht, ist eine andere Sache. Das hätte man atmosphärisch sicher anders lösen können.
Gibt es bei der Austria zwei unterschiedliche Vorstellungen, in welche Richtung es gehen soll?
In der AG sicher nicht. Ich bin angetreten, das Unternehmen finanziell und sportlich erfolgreich zu machen. Das ist uns gelungen. Die Tabelle lügt nicht. Aber im Umfeld und in der zweiten Investorengruppe gibt es schon Leute mit anderen Ansichten, wo es vielleicht weniger um den Erfolg geht, sondern vielmehr darum, wie viele lokale und regionale „Taten“ wir setzen und welche Spieler wir einsetzen. Denen ist vielleicht sogar der Erfolg weniger wichtig als der Umstand, dass man „violettes Blut“ hat, in seinem Kosmos bleibt.
Braucht die Austria auf Sicht einen internationalen Partner mit einer großen finanziellen Hebelwirkung? Das hängt von den Zielen ab. Will man international eine Rolle spielen, wird man solch einen Partner brauchen. Es gilt, den Verein professionell zu führen. Ist diese Person noch dazu jemand mit violetter Vergangenheit, umso besser. Aber es darf nicht der Hauptgrund für diese Position sein. Denn „Austrianer“ kann man auch werden und hat mit der Liebe zum Verein zu tun.
Es gibt oft den Vorwurf, Sie hätten die Dollar-Zeichen in den Augen. Fühlen Sie sich missverstanden?
Das ist eine unfaire Betrachtungsweise. Man hat uns einst als letzten Rettungsanker in einer heiklen Situation geholt und uns ausgewählt, obwohl auch drei internationale Gruppen zur Verfügung standen. Man hat sich für uns entschieden, weil ich auch ein sportliches Know-how einbringen kann. Als Sportvorstand muss ich mich natürlich auch der Kritik stellen. Wenn sie aber unter die Gürtellinie geht, darf man sich schon wehren. Unfair empfinde ich, wenn Unwahrheiten verbreitet werden. Sportlich ist der Klub auf einem erfolgreichen Weg, wirtschaftlich versuchen wir, die Kurve zu bekommen. Da sollte man Schulter an Schulter stehen. Dazu war ich immer bereit und dafür stehe ich auch zur Verfügung. Ich bin kein Streithansl.
Rettet der Stadionverkauf die Austria?
Ich habe stets den Vergleich gezogen, dass wir zuerst auf der Intensivstation, dann auf der Bettenstation waren. Jetzt können wir aufrecht gehen, aber es fehlt schon noch einiges, um wieder sprinten zu können. Ich denke schon, dass die Austria von der Einnahmenseite gerettet werden soll, wobei Europacup-Einnahmen und Spielerverkäufe eine Schlüsselrolle spielen.
Hat die Austria Rohdiamanten, um Transfererlöse zu lukrieren?
Es ist ganz schwer, junge österreichische Talente hochzuziehen und dann gewinnbringend zu verkaufen.
Warum?
Weil einige Talente sehr jung ins Ausland wechseln, was ich nicht für richtig halte. Die teuersten Verkäufe jedes Vereins in den letzten zehn Jahren waren nie österreichische Spieler, sondern junge Legionäre. Uns sind beispielsweise viele junge Spieler durch Verletzungen weggefallen. Der Weg der Austria muss dual sein: Junge Austrianer heranführen und gute Talente aus dem Ausland holen.
"Völliger Blödsinn. Nur durch die Verpflichtung von Aleks Dragovic haben wir das Budget etwas überzogen."
von Jürgen Werner
Über den Vorwurf, er habe das Budget um drei Millionen Euro überzogen
Muss der Kader der Austria nicht reduziert werden?
Durch die Kooperation mit Stripfing sind mehr Spieler im Kader. Aber natürlich kann man in diesem Punkt optimieren. Mir wurde auch vorgehalten, dass ich das Spielerbudget überzogen hätte.
Von geplanten 5,1 Millionen auf acht.
Völliger Blödsinn. Wer nennt solche Zahlen? Wahr ist vielmehr: Wir haben nicht acht Millionen ausgegeben. Wir haben unser Budget eingehalten, nur durch die Verpflichtung von Aleksandar Dragovic haben wir es etwas überzogen, aber bei Weitem nicht mit den kolportierten Zahlen. Will man mit solchen Behauptungen zeigen, dass ich unfähig bin?
Nein. Aber vielleicht hat man Sorge, weil es der Austria wirtschaftlich nicht gut geht.
Vom Gesamtbudget geben wir 25 Prozent für die Mannschaft aus. Das ist im internationalen Vergleich sehr wenig. Die Top-Vereine in Europa geben 50 Prozent und mehr aus. Wer beurteilt, ob wir mit dem vorhandenen Geld gute oder schlechte Arbeit geleistet haben?
Ihre Kritiker.
Richtig. Normalerweise beurteilt dies die Tabelle. Bei anderen Klubs merke ich Wertschätzung, dort meint man, dass bei der Austria etwas weitergeht. Diese Wertschätzung fühle ich bei unseren Spielern, dem Trainerteam sowie bei meinen Besuchen bei den Bayern, beim FC Basel, bei Experten wie Peter Stöger, aber nicht im eigenen Lager. Das tut mir weh.
Wie viele Fehleinkäufe gestehen Sie als Sportvorstand ein?
Von den insgesamt 30 Spielern, die wir in Summe geholt haben, vielleicht vier oder fünf. Diese Transfers würde ich so nicht mehr machen. Aber wo gearbeitet wird, geschehen auch Fehler. Nur Untätige machen keine Fehler.
Privat Werner wurde am 3. Dezember 1961 in Wels geboren. Er hat eine Tochter.
Der Spieler 11 Länderspiele absolvierte er zwischen 1986 und ’88, er spielte beim 4:1-Sieg gegen Deutschland zur Wiedereröffnung des Praterstadions und bereitete den Treffer von Reinhard Kienast zum 3:1 vor. Er spielte fast ausschließlich für VOEST Linz, aber auch eine Saison für Sturm Graz.
Der Manager Werner studierte während der Karriere BWL, 1993 wurde er Manager des FC Linz. 2000 gründete er die Berater-Agentur „Starfactory“, die 2005 in „Stars and Friends“ umbenannt wurde. 2019 verkaufte er seine Anteile und wurde Vizepräsident des LASK, seit 2023 ist er Sportvorstand der Austria
Sind Sie ein ausgefuchstes Schlitzohr?
Ich habe nachgelesen, dass sie früher Menschen Ringe durch die Ohren gezogen haben – als Zeichen, dass diese Personen etwas verbrochen haben. Ich denke nicht, dass ich ein Schlitzohr bin, denn ich betrüge niemanden. Ich kenne das Fußballgeschäft in all seinen Facetten, habe das Handwerkzeug und setze es im Sinne der Austria ein.
Gar kein Eigennutzen?
Es ist ein Irrglaube, dass ich das alles mache, um dann die Austria irgendwelchen „Scheichs“ zu verkaufen. Mir geht es um die nachhaltige wirtschaftliche und sportliche Sanierung der Austria. Wenn uns die Anteile nun abgekauft werden, ist vielleicht dieser Vorwurf vom Tisch.
(kurier.at, AHei)
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Aktualisiert am 12.01.2025, 05:00
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