Austria, Rapid und Sturm: Die Krise als Dauerzustand

Quartett: Ex-Sturm-Coach Vogel, Salzburgs Sieggarant Rose, Rapid-Sportdirektor Bickel, Austria-Trainer Letsch
Die sogenannten Großklubs scheitern nicht nur an der Salzburger Übermacht, sondern auch an sich selbst.

Salzburgs Fußballer liegen im Vierkampf mit Rapid, Austria und Sturm Graz uneinholbar zurück. Seit gestern steht es 1:11 aus der Sicht des österreichischen Meisters – jedenfalls bei der Anzahl der beurlaubten Trainer seit Juli 2012.

Die bereits erwartete Freistellung von Sturm-Cheftrainer Heiko Vogel ist der nächste prominente Abgang in der laufenden Bundesliga-Saison, fünf Wochen zuvor hatte bereits Rapid auf die sportliche Talfahrt mit einem Trainerwechsel (Kühbauer folgte auf Djuricin) reagiert. Und auch die Wiener Austria diskutiert aktuell intensiv über die Zukunft ihres Trainers Thomas .

Die Gründe für die sportlichen Miseren der drei Traditionsklubs, die zusammen 59 Meistertitel vereinen, sind vielschichtig und dennoch oft identisch. Warum läuft es bei Austria, Rapid und Sturm nicht?

Salzburgs Konzept: Natürlich hat Österreichs Serienmeister mehr Geld zu Verfügung als die Konkurrenz. Aber die  sportliche Übermacht von Red Bull alleine daran festzumachen, ist viel zu kurz gegriffen. Auch Salzburg musste trotz der Investitionen des Getränkekonzerns erst sieben Jahre Lehrgeld zahlen. Der Grundstein für die Überlegenheit wurde im Sommer 2012 gelegt. Damals trat Ralf Rangnick den Posten als Sportdirektor an, und der Deutsche brachte sowohl eine konzeptionelle Linie als auch personelle Kontinuität in das Fußballimperium. Die sportlichen Erfolge sprechen für das Projekt. Nach einer Saison der Konsolidierung (2012/’13) gewannen die Salzburger neun von zehn nationalen Titeln (Meisterschaft, Cup). Nur Sturm durchbrach im Cup-Finale der Vorsaison die Dominanz.

Fehlende Kontinuität: Bei den anderen Großklubs gibt es hingegen keine konzeptionelle Linie, die auch bei Rückschlägen durchgezogen wird wie es Salzburg seit Jahren vorlebt. Das lässt sich gut am Beispiel der Austria aufzeigen. Die Wiener  drehen sich seit dem Meistertitel 2013  im Kreis. Eine langfristige  Strategie wird zwar stets propagiert, jedoch kaum in der Realität nachhaltig verfolgt. Zu unterschiedlich waren dafür die Philosophien der vielen Trainer. Nach dem 2:3 gegen den WAC am Sonntag geschah, was immer wieder in regelmäßigen Abständen am Verteilerkreis passiert: Die Fans forderten den Rauswurf von Trainer Letsch. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Aktion zum aktuellen Zeitpunkt sei erlaubt, dennoch wird der Coach in den Gremien schon diskutiert, manche zweifeln daran, dass er das Team zu einer Einheit formen kann. Doch berechtigt erscheint  die Frage nach dem idealen Nachfolger, mit dem sich alles und sofort zum Besseren wenden  würde. Am Montag jedenfalls gab es eine Aussprache zwischen dem Trainer, der Mannschaft und Sportdirektor Ralf Muhr. Fazit: Der klarer Plan ist zwar vorhanden, doch die Umsetzung gelingt den Spielern momentan einfach überhaupt nicht.

Keine Geduld: Auch die Salzburger erreichen nicht alle Ziele – wie etwa die Gruppenphase der Champions League, die nun schon elf Mal verfehlt worden ist. Aber deshalb musste noch kein einziger Trainer Red Bull verlassen. Bei der Konkurrenz ist das anders – egal, ob die nun Austria, Rapid oder Sturm heißt.  Trainerwechsel während einer  Saison sind Normalität. Erst gestern endete in Graz die interne Problemanalyse beim Trainer. „Wir waren zerrissen. Es stand 50:50, jeder der Verantwortlichen hätte sich auch eine andere Entscheidung vorstellen können“, gestand Sportdirektor Günter Kreissl. „Aber am Ende ist nach nur einem Sieg in 14 Pflichtspielen eine Drucksituation entstanden, die auch am neuen Liga-Modus liegt.“

Neuer Zeitdruck: Die Reform der Bundesliga tut ihr Übriges. In dieser Saison wird erstmals nach bereits 22 Runden abgerechnet: Wer nicht unter den Top sechs der Tabelle liegt, verpasst die Meistergruppe. Sowohl in Wien als auch in Graz ist es der Anspruch, oben dabei zu sein. Zusätzlich zum üblichen Unmut der Fans bei ausbleibendem Erfolg kommt deshalb heuer die besonders frühe Nervosität der Verantwortlichen. Goran Djuricin musste trotz der Qualifikation für die Europa League gehen, als Rapid in die untere Tabellenhälfte rutschte. Sturm reagierte mit einer Trainerbeurlaubung als derzeit Achter. Und bei der Austria  (auf Rang sechs) wird am Sonntag auch darauf geachtet werden, ob Letsch auch nach dem Spiel gegen Salzburg noch ein Ticket für die Meistergruppe hätte.

Vakuum beim Nachwuchs:  Anders als die Salzburger schwächeln die Traditionsklubs auch bei der Heranführung der eigenen Talente: Vogel hat keinen einzigen neuen Nachwuchsspieler in die Nähe der Stammelf gebracht. Die Austria hat Rapid in Sachen Infrastruktur mit einem modernen Nachwuchszentrum zwar deutlich abgehängt, bis ganz nach oben schaffen es aber ähnlich wenige Hoffnungsträger wie beim Erzrivalen. Das macht die drei Vereine abhängiger vom Transfermarkt als die Salzburger. Auch den Serienmeister verlassen Stammkräfte,  die aber praktisch immer intern adäquat nachbesetzt werden können. Der Ausblick ist düster: Solange Salzburgs Maschinerie so weiterläuft, werden die vermeintlich Großen Enttäuschungen verkraften müssen. Oder die Ansprüche nach unten schrauben.

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