40 Jahre Schande: Als Österreich und Deutschland die Welt empörten
Beim Nostalgietreff anlässlich „40 Jahre nach Córdoba“ war Hans Krankl im Juni 2018 am Mikrofon seiner Band Monti Beton im Wiener Metropol in Gegenwart seiner einstigen Erfolgskameraden in Hochform. Wie seinerzeit beim 3:2 gegen Deutschland.
Am Samstag ist wieder so ein 40. Jahrestag mit fußballhistorischer Bedeutung. Doch niemand ist deshalb an einem Wiedersehensabend interessiert. Ging doch der 25. Juni 1982 als Schande von Gijón in die Sport-Annalen ein.
Der Nichtangriffspakt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich im letzten Spiel der Gruppe 2 der WM 1982 in Spanien löste weltweite Empörung aus, nachdem das „langsamste Spiel der WM-Geschichte“ (so spanische Medien) mit genau jenem Resultat geendet hatte, das beiden Teams zum Aufstieg reichte: 1:0 für Deutschland. Algerien schied trotz eines Sensationssieges gegen die BRD aus. In Nordafrika war die Hölle los.
BRD – Österreich 1:0 (1:0)
Tor: Hrubesch (10.)
BRD: Schumacher; Stielike; Kaltz, K. Förster, Briegel; Dremmler, Magath, Breitner; K. Rummenigge (66. Matthäus), Hrubesch (68. Fischer), Littbarski. Österreich: Koncilia; Obermayer; Krauss, Pezzey, Degeorgi; Hattenberger, Weber, Prohaska, Hintermaier; Schachner, Krankl.
Gijón, 25. Juni 1982. Die BRD und Österreich stiegen in die Zwischenrunde auf.
Und nicht nur dort. Während mein WM-Buch „Immer wieder Österreich“ auf dem Wiener Rathausplatz beim Public Viewing demonstrativ verbrannt wurde, gestand der damalige Teamchef Georg Schmidt im asturischen Teamquartier am Strand von Candás, dass er einen Kampf auf Biegen und Brechen erwartet hatte. Aber dann sei ihm zum Erbrechen gewesen.
Felix Latzke, der mit Schmidt auf Befehl vom ÖFB-Präsident und Minister Karl Sekanina das Führungsduo bildete, sah es emotionsloser. „Wir haben eben gezeigt, dass wir’s nicht nur in den Füßen, sondern auch im Kopf haben.“
Sollte heißen: Man habe eben klug auf das für beide günstige Resultat gespielt, wie das oft schon vorgekommen sei im Fußball. Nur war davor noch nie vor so vielen TV-Zeugen mit so vielen Rückpasses zum Tormann (der durfte damals den Ball danach noch in die Hand nehmen) so penetrant Zeit geschunden worden. „Ich schäme mich, dass ich dieses Spiel übertragen muss“, rief Fernsehkommentator Robert Seeger ins ORF-Mikrofon.
Dabei hatte anfänglich nichts auf einen Skandal hingedeutet. Horst Hrubesch brachte Deutschland schon nach zehn Minuten in Führung. Als aber Walter Schachner wiederholt seinem Bewacher Hans-Peter Briegel auf und davon lief, überkam die Deutschen so der sehr Respekt, dass man beschloss, einander nicht wehzutun.
Was Legionären zusätzlich leichter fiel, weil sie die Gegner von der deutschen Bundesliga her gut kannten. Einige Österreicher verstanden sich mit ihren deutschen Gegnern gar besser als mit Kollegen aus dem eigenen Nationalteam. Aber das wurde erst vor, während und nach den Zwischenrundenspielen gegen Frankreich (0:1 durch ein Freistoßtor bei 41 Grad in Madrid) und Nordirland (2:2) bekannt.
Dass Österreich trotz des unrühmlichen Auftretens auf einem (seither nie mehr erreichten) achten WM-Platz landete und die WM 1982 dem ÖFB zehn Millionen und jedem Spieler eine knapp sechsstellige Schilling-Summe bescherte, war kein Trost. Am wenigsten für Schachner.
Italien-Profi Schachner hatte allen Ernstes geglaubt, er könne die WM-Torjägerkrone erobern. „Ich bin in Gijón gerannt wie ein Trottel“, sagte er noch Jahre später. Zumindest er schien in den Nichtangriffspakt nicht eingeweiht gewesen zu sein.
Krankls WM-Ende kam einem erst recht spanisch vor. Lief doch just er, der 1979 für Barcelona noch spanischer Schützenkönig gewesen war, im letzten Match gegen Nordirland nicht mehr ins Atlético-Stadion ein. An Stelle des Goleadors stürmte der heutige Spielervermittler Max Hagmayr.
Die Folgen des Skandals
Herbert Prohaska sah die Hauptschuld für die Schande von Gijón bei der FIFA, weil deren Turniermodus ein Taktieren provoziert habe. Tatsächlich reagierte der Weltverband mit einer Regeländerung: Seit Gijón müssen die letzten Gruppenspiele stets zur gleichen Zeit stattfinden.
Mit einer anderen Einschätzung lag Mailand-Legionär Prohaska falsch: Nach Telefonaten mit seinem Inter-Freund Gabriele Oriali hatt er in seiner Kolumne im KURIER gemeint, dass es für die Italiener schlecht aussehe, weil in deren Camp nur gestritten werde. Drei Wochen später wurden die vermeintlichen Streithanseln Weltmeister. Dank eines völlig unumstrittenen 3:1 im Finale gegen ... Deutschland.
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