Portugal ist Fußball-Europameister 2016

Nur eines von sieben Spielen dieser EM gewannen die Portugiesen nach 90 Minuten. Nun sind sie erstmals Europameister. In der 109. Minute riss Eder Gastgeber Frankreich aus allen EM-Träumen. Mit einem wuchtigen Weitschuss entschied der eingewechselte Stürmer das Finale für Portugal – und ließ trauernde Franzosen zurück.

Dabei hatten die Portugiesen früh einen herben Rückschlag zu verkraften: Acht Minuten waren in Saint-Denis erst gespielt, da traf es die größte Attraktion dieses Turniers hart am Knie: Cristiano Ronaldo hatte die Gastfreundschaft der Franzosen in Person von Dimitri Payet zu spüren bekommen.

Für den Mittelfeldmann Frankreichs blieb die harte Attacke gänzlich ohne Folgen, ganz im Gegensatz zum Superstar der Portugiesen. Ronaldo schleppte sich noch ein paar quälende Minuten über das Spielfeld, ließ sich das Knie bandagieren, um dann in der 23. Minute doch auf der Tragbahre und unter Tränen das Endspiel zu verlassen. So wurde der portugiesische Hoffnungsträger schnell zum Leidtragenden einer intensiven Anfangsphase, in der die favorisierten Franzosen von Beginn an Präsenz zeigten.

Portugals Triumph in Bildern:

Ansonsten hatten die ersten 45 Minuten wenig Überraschendes zu bieten. Weder die Startaufstellungen der Finalisten noch die Spielweisen sorgten für große Aha-Erlebnisse. Portugal vertraute auf seine kompakte und kompromisslose Defensive – die Viererabwehr erfuhr durch den defensiven Mittelfeldmann William Carvalho zusätzliche Absicherung.

Der Kick fehlte

Frankreich wiederum setzte auf kontrollierte Offensive, die sich in soliden Ballbesitz-Werten widerspiegelte (55 Prozent in der ersten Hälfte), allerdings fehlte ein Schuss Wagemut für den ganz großen Kick.

Die beste Torchance hatte Toptorjäger Antoine Griezmann nach einem gefühlvollen, hohen Ball von Payet in die Spitze. Bei dem guten Kopfball des Atlético-Stürmers war allerdings Portugals Tormann Rui Patrício zur Stelle. Ebenso wie bei einem Schuss des auffälligen Mittelfeldspielers Sissoko (33.).

Ronaldos Ausfall schmerzte Portugal doppelt. Teamchef Fernando Santos war dadurch zu einer taktischen Umstellung gezwungen: Anstatt mit zwei Stürmern rannte fortan Solospitze Nani gegen die französische Innenverteidigung an.

An der Rollenverteilung in diesem Finale änderte sich dadurch nichts. Zu viel stand auf dem Spiel für bedingungslose Offensive. Damit reihte sich auch diese Partie ein in die lange Liste der jüngsten Endspiele auf Klub- und Nationalteam-Ebene, denen es da und dort vielleicht an Klasse und Finesse mangelte, nicht aber an Intensität und Spannung.

Das EM-Finale 2012 bildete diesbezüglich die Ausnahme, als die goldene Generation der Spanier auf der Höhe ihrer Schaffenskraft Italien vorgeführt hatte (4:0).

Dem Finale in Saint-Denis fehlte die Dynamik, und die wollte Frankreichs Teamchef Didier Deschamps mit Kingsley Coman (für den eher statischen, dafür aber ballsicheren Payet) auch eintauschen.
Der Wechsel wirkte

Und der Wechsel zeigte Wirkung: Eine Hereingabe des Bayern-Profis köpfelte der 1,76 Meter kleine Griezmann knapp über das Tor (66.).

Die Portugiesen setzten einmal mehr auf Mehrarbeit, damit sind sie ja bei diesem Turnier ganz gut über die Runde gekommen. Kein Spiel hatten sie in der regulären Spielzeit verloren, gewinnen konnten sie allerdings auch nur eines (Halbfinale gegen Wales). Einmal mussten sie im Finish noch bangen, doch Gignacs Schuss prallte von der Stange zurück ins Feld (90.+ 2). Eine Verlängerung musste her. Und in der schlug Eder zu.

Didier Deschamps (Frankreich-Teamchef): "Wir haben die große Chance vergeben, den Titel zu holen. Es gibt keine Worte, um dieses Gefühl zu beschreiben. Die Enttäuschung ist da, und sie ist immens. Es wird Zeit brauchen, um das zu verarbeiten. Wir haben gemeinsam gelitten, wir haben gemeinsam gewonnen und wir haben am Ende gemeinsam verloren. Es ist schwierig, aber so ist es. Es wäre großartig gewesen, diese Trophäe hier bei uns zu Hause dem Publikum zu präsentieren. Aber am Ende ist es nicht der Fall."

Eder (Siegestorschütze): "Es ist einfach unfassbar. Wir haben so hart gearbeitet. Alle Menschen in Portugal haben uns unterstützt. Wir haben uns stark gefühlt. Ich denke, wir haben es uns verdient. Wir wollten das unglaublich und wir haben so lange darauf gewartet. Vom ersten Tag an habe ich gewusst, dass meine Chance kommen wird. Dass es heute so klappt, ist natürlich Wahnsinn. Cristiano (Ronaldo) hat mir gesagt, dass ich treffen werde. Aber ob ich das Tor schieße oder jemand anderer, ist egal. Es ist einfach nur schön, dass es geklappt hat."

Raphael Guerreiro (Portugal-Verteidiger): "Ich bin immer noch am Träumen. Ich kann es immer noch nicht realisieren. Das ist fantastisch. Besonders in Frankreich die EM zu gewinnen, ist fantastisch. Wir haben den Kritikern nicht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Es war immer unser Ziel zu gewinnen. Das ist der beste Moment meiner Karriere."

Adrien Silva (Portugal-Mittelfeldspieler): "Dieses Team hat es geschafft, alle Kritiker zu überzeugen. Wir haben uns mit harter Arbeit durchgesetzt. Große Gratulation an alle Fans, die uns unterstützt haben. Unsere Fans waren heute lauter als die Franzosen. Wir wussten, dass wir dieses Spiel gewinnen können. Frankreich hatte einige Chancen, aber wir haben uns durchgesetzt."

Renato Sanches (Portugal-Mittelfeldspieler): "Das war die bestmögliche Antwort an alle, die nicht an uns geglaubt haben. Eder hat es verdient. Er hat sich diesen Moment verdient, weil viele Leute ihn kritisiert haben. Darum geht es im Fußball, um diese großen Momente. Ronaldo ist sehr wichtig, aber wir haben andere wichtige Spieler. Wir haben die Sache erledigt."