Rosberg rechnet in epischem WM-Duell weiter mit Hamilton

Nico Rosberg lässt sich nicht vom Champagner blenden und bleibt vorsichtig.
Teamchef Toto Wolff sprach von "bestem Nico Rosberg". Hamilton muss sich etwas einfallen lassen.

Nico Rosberg hat im Mercedes-internen Titelkampf mit Lewis Hamilton wieder die Nase vorne. Nach seinem dritten Formel-1-Sieg in Serie wollte der Deutsche aber nicht von einem entscheidenden Vorteil sprechen. "Nichts hat sich geändert. Mein Teamkollege ist immer noch Lewis, und er ist immer sehr schwer zu schlagen", sagte Rosberg nach dem Herzschlag-Finish im Duell mit Daniel Ricciardo in Singapur.

Aus der Sommerpause ist Rosberg enorm gestärkt hervorgegangen. Drei Rennen, drei Siege - und nun wieder die WM-Führung. Sein Triumph am Sonntag in seinem 200. Rennen - Rosberg ist der erste Nicht-Weltmeister, der in Singapur gewann - sei ein "mega Ding" gewesen, sagte der 31-Jährige. In der Gesamtwertung führt er jetzt mit acht Punkten Vorsprung vor Hamilton.

Auf dem Stadtkurs lag Rosberg vom Start weg in Führung und kam mit stark abgenützten Reifen wie auch überhitzten Bremsen zurecht. Am Ende rettete er 0,4 Sekunden vor Red-Bull-Rakete Ricciardo ins Ziel - etwas glücklich zwar, aber auch im Stile eines Champions. "Ich kenne Nico jetzt seit 2013, und das ist seitdem der beste Nico Rosberg, den ich über dieses Wochenende jemals gesehen habe", verneigte sich Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

"Ben Hur trifft auf Gladiator"

Die Straits Times in Singapur dichtete monumental: "Es handelt sich um ein modernes 'Ben Hur' trifft auf 'Gladiator'-Stück. Und Nico Rosberg landete wohl einen entscheidenden Schlag auf den Solar Plexus seines Erzfeindes und Teamkollegen Lewis Hamilton."

Von den bisher 15 Saisonrennen hat Rosberg acht gewonnen. Eine ähnliche Ausbeute gelang noch nicht vielen Fahrern. Seine Landsleute Michael Schumacher und Sebastian Vettel sind mit 13 Saisonsiegen spitze. In diesem Jahr sind noch sechs Rennen zu absolvieren, Rosberg könnte also theoretisch noch eine neue Bestmarke aufstellen.

Wenn ihm das gelingt, dürfte er spätestens am 27. November in Abu Dhabi seinen ersten Weltmeistertitel feiern. Die Marschroute des zweimaligen Vize-Weltmeisters bleibt aber die alte: Er wolle "von Rennen zu Rennen schauen". Das verführerische Wort WM-Titel geht ihm nicht über die Lippen. "Es funktioniert doch so, warum soll ich es anders machen?", fragte er. Rosberg stellt sich vielmehr schon auf die nächsten Attacken von Titelverteidiger Hamilton ein. "Er kommt selbst nach schwierigen Wochenenden immer stark zurück."

Mit Hamilton ist immer zu rechnen

Wolff rechnet ebenfalls mit einem Wiedererstarken Hamiltons. "Wir haben diese Situationen seit drei Jahren, seitdem sie um den Titel kämpfen. Wir haben diese Wellenbewegungen schon zuvor gesehen", erklärte der Wiener. "Erst vor ein paar Wochen haben wir über das Momentum für Lewis gesprochen, und plötzlich ist Nico wieder im Aufwind. In zwei Wochen sehen wir, ob sich das wieder ändert."

"Ich habe keine Ahnung", sagte Hamilton selbst auf die Frage, wann er gegen Rosberg mal wieder einen Punktsieg landen werde. Sein Bolide lief in Singapur nicht rund, mit Rang drei erzielte er aber immerhin sein Maximum. "Ich brauche einfach mal wieder ein paar gute Wochenenden", meinte der Brite. Auf den nächsten drei Kursen in Malaysia, Japan und den USA hat Hamilton mindestens einmal gewinnen können, die Strecken liegen ihm. Rosberg hat dort noch nicht gesiegt - doch das bedeutet in diesem Jahr nichts.

Red Bull hat Riesenpotenzial

Dritter im WM-Klassement ist Ricciardo. Der Australier kam dem strauchelnden Rosberg auf den letzten 16 Runden mit frischen Supersoft-Reifen noch bis auf wenige Meter nahe. Mercedes war in der Schlussphase dazu gezwungen, auf einen weiteren Boxenstopp zu verzichten, da Rosberg dann hinter Ricciardo zurückgekommen wäre. "Wir haben alles getan, was wir konnten. Ich denke, es war fast ein perfektes Rennen", bilanzierte der Red-Bull-Pilot zufrieden. "Wenn es etwas gegeben hat, das noch perfekter hätte laufen können, war es der Start, aber Nico ist gut weggekommen."

Ricciardo traut seiner Mannschaft heuer noch einen weiteren Sieg zu - nach dem Coup von Max Verstappen in Montmelo/Barcelona. "Nach dem Rennen habe ich zu dem Team gesagt, dass wir noch irgendwo gewinnen werden", meinte der 27-Jährige. Regen würde dabei freilich helfen. Fest steht jedenfalls, dass aus dem nach der Motorenreform 2014 strauchelnden Rennstall von Dietrich Mateschitz wieder ein Team mit Riesenpotenzial geworden ist. Motorsportberater Helmut Marko geht davon aus, Branchenprimus Mercedes 2017 ernsthaft fordern zu können.

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