Dass es Spitz zur aktuell besten Golferin des Landes geschafft hat, scheint daher nur eine Frage der Zeit gewesen zu sein, selbstverständlich war es dennoch nicht. Ihr Vater hielt Golf zu Beginn „nicht für einen richtigen Sport“, weshalb sie Vieles ausprobieren durfte. Eishockey gefiel ihr. Den Puck für den Putter eingetauscht hat sie letztlich auch deshalb, weil alle in der Familie, auch der Vater, „irgendwann mit dem Golf-Virus infiziert gewesen sind“.
Nur die Allerbesten schaffen es
Es ist eine amüsante und gute Anekdote für die große Erzählung einer Profikarriere, aber bloß die Entscheidung für eine Sportart reicht natürlich noch nicht aus, um es an die Spitze zu schaffen. Erst recht nicht in einem Sport wie Golf, der im GC Schönborn ebenso praktiziert wird wie in San Francisco, Sydney oder Seoul.
Professionelles Golf ist ein harter Ausleseprozess, im Frauen-Bereich kann, anders als etwa im Tennis, wirklich nur die absolute Spitze gut von den ausgeschütteten Preisgeldern leben. Beim jüngsten Start in der Vorwoche in Südafrika kassierte Emma Spitz als 21. etwas mehr als 4.500 Euro.
Das Gesamtpreisgeld bei den meisten Turnieren auf der Ladies European Tour (LET) beträgt 300.000 Euro – so viel streift im Männer-Golf mitunter der Caddie ein nach einem Turniersieg seines Spielers, dem er assistiert. „Wenn du immer um Top 20 bist, ist es auf Dauer zu wenig. Da fehlen dir dann einfach die Big Points für die Rangliste“, weiß Spitz, die in der kommenden Woche in Südkorea abschlägt, wo immerhin eine Million Dollar ausgespielt werden.
22 Wochen war sie 2023, in ihrem ersten vollen Jahr als Profi, bei Turnieren unterwegs. Es sei ein hartes Lehrjahr gewesen, wie sie rückblickend zugibt: „Ich will jetzt nicht sagen, ich habe es mir leichter vorgestellt, aber ich habe im Jahr davor auf Einladung gespielt. Und da ist es relativ gut gegangen, daher habe ich halt gedacht, das geht jetzt gleich so weiter. So ist es nicht passiert.“
Spitz gilt noch immer als Zukunftshoffnung in Österreich, als Amateurin wurde sie nicht selten „Supertalent“ oder „Wunderkind“ genannt. Sie gewann mit der Girls Amateur Championship das wichtigste Nachwuchsturnier in Europa, studierte und trainierte mit Stipendium in Kalifornien, schlug im ehrwürdigen Augusta ab (Rang drei) und zweimal beim Junior-Ryder-Cup.
An Zielen und Sehnsuchtsorten mangelt es der Niederösterreicherin freilich dennoch nicht. In Paris findet sie heuer beides. Mit der Qualifikation für die Olympischen Spiele in diesem Sommer sieht es derzeit nicht schlecht aus. Vom Stellenwert des Megaspektakels kann ihr Partner, der Tennisprofi Gerald Melzer, ein Lied singen – jedoch ein leidvolles. „Gerald hatte einmal die Chance auf Olympia“, erzählt Emma Spitz, „aber er hat sie damals nicht wahrgenommen. Und jetzt bereut er es.“
Bereut hat sie bisher noch wenig. Weder den Gang auf das US-College („Es ist ganz gut, mal von zu Hause weg zu sein und sein eigenes Leben zu leben, um herauszufinden, was einem gefällt und was nicht“) noch den frühen Umstieg ins Profilager.
Dieser Mut zum kontrollierten Risiko soll künftig auch auf dem Golfplatz sichtbar werden. Spitz’ Stärke ist ihre Konstanz, Ausreißer sind selten, sowohl nach oben als auch nach unten. „Aber meine Bälle müssen näher zur Fahne“, sagt Spitz, die lange genug dabei ist, um jene Golf-Regel zu kennen, die einige wenige motiviert, aber viele deprimiert: „Den perfekten Golfschlag gibt es nicht, aber man kann ihn dafür immer wieder versuchen.“
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