Eine Frage der Philosophie: Der ÖFB muss endlich umdenken
Red-Bull-Fußball? Ballbesitz-Fußball? Oder doch lieber eine feine Melange aus beiden? Welchen Stil Österreichs Nationalteams in Zukunft auch pflegen, wichtig ist der Wiedererkennungswert. Die Fans wollen sich wieder vermehrt mit der Mannschaft identifizieren.
Nach der Ära von Franco Foda muss der ÖFB nicht nur einen neuen Teamchef finden, sondern davor eben auch eine Identität für die nächsten Jahre. Es braucht einen klaren Plan A, bestenfalls auch einen dazugehörigen Plan B, der nicht nur im A-Team, sondern auch in den wichtigsten Nachwuchs-Auswahlen verfolgt wird, ohne dabei die Flexibilität zu sehr einzuschränken. Eine Gratwanderung.
Der KURIER sprach mit den aktuellen Trainern Dominik Thalhammer und Lars Söndergaard sowie ehemaligen Teamspielern Martin Stranzl, Sebastian Prödl, Florian Klein und Marc Janko. Und wollte wissen, ob der moderne Red-Bull-Stil umsetzbar ist auf ein Nationalteam, und ob der Verband überhaupt eine durchgängige Philosophie braucht.
Martin Stranzl
Es ist schwierig das zu implementieren, weil du die Spieler nicht permanent zu Verfügung hast. Wenn du so etwas machen willst, musst du täglich damit arbeiten. Und du musst die Trainer dazu haben, die das spielen wollen. Hat man Ausfälle, kann man das System nicht auf Biegen und Brechen durchziehen. Deshalb sehe ich das schwierig.
Auf der anderen Seite würde ich kleine Richtlinien gut finden. Wofür steht der österreichische Weg, was sind die Grundpfeiler? Das wäre schon wichtig.
Für mich ist Österreich immer dafür gestanden: Wir habende Straßenfußballer aus den Großstädten, wir haben die knallharten Verteidiger. Wir haben auch eine Tradition mit guten Mittelstürmern. Die Identität unseres Fußballs haben wir da ein wenig verloren. Wir sind ein wenig aalglatt geworden. Gut, dass der ÖFB wieder in die andere Richtung gehen will mit den Projekten „Players first“ und „Human first“.
Lars Söndergaard
Wir haben beim dänischen Fußballverband bei den Frauen, Männern und auch in der Jugend die gleichen Prinzipien als Basis. Grundsätzlich wollen wir so hohes Pressing wie möglich praktizieren, wir wollen aber auch so viel Ballbesitz wie möglich haben und das Spiel bestimmen, andererseits aber auch Räume finden, um direkt zu spielen.
Diese Prinzipien sind durchgängig, dann kann es aber sein, dass ein Spielplan etwas Spezielles erfordert, dass hohes Pressing gegen einen bestimmten Gegner keinen Sinn macht.
Wenn man unsere Mannschaften sieht, wird man viele Gemeinsamkeiten finden. Dass eine Mannschaft plötzlich ganz anders spielt und zum Beispiel vermehrt mit hohen Bällen arbeitet, das wird es nicht geben.
Unsere Trainer haben sehr wohl Freiheiten, sie sind aber beim Verband angestellt, weil sie zu dem Weg passen, wie Dänemark spielen möchte.
Dominik Thalhammer
Ich sehe es differenzierter: Eine einheitliche Spielphilosophie? Nein! Aber es braucht einen klaren Wegweiser. Ein Verband sollte nicht vorgeben: „Du musst jetzt hohes Pressing spielen.“ Ein Trainer sollte die Möglichkeit haben, taktisch reagieren zu können.
Nicht gegen jeden Gegner ist es gut, hoch zu attackieren. Es muss bei mannschaftstaktischen Verhaltensweisen einen gewissen Spielraum geben, es muss aber auch einen Bereich geben, der ein klares No-Go ist. Zum Beispiel passives Verhalten oder nur defensives Denken und nur tiefes Verteidigen.
Es sollte Prinzipien geben, die immer erfüllt sein müssen, wenn ich eine Mannschaft des ÖFB spielen sehe. Als Beispiel: Ich komme mit meinem Team ins Angriffsdrittel. Die Spieler müssen sich jetzt dort an Prinzipien halten, bekommen aber vom Trainer verschiedene Optionen zur Lösung. Eine Best-Lösung, eine zweitbeste Option.
Sebastian Prödl
Alle Nationen, die in den vergangenen Jahren große Turniere gewonnen haben, sind dabei für einen klaren Plan gestanden. In Österreich ist immer der schnelle Erfolg gefragt. Unter Teamchef Marcel Koller haben wir versucht einen Stil herauszuarbeiten mit hohem Anlaufverhalten und aktivem Spiel. Wir haben in Folge weniger Gegentore erhalten und waren erfolgreich.
Aktuell haben wir viele Spieler, die im Red-Bull-Fußball ausgebildet wurden, aber auch andere, die den technischen Fußball praktizieren. Wenn ich mich nur für eine Richtung entscheide, dann habe ich da wie dort hochkarätige Opfer.
Ich bin begeistert vom RB-Fußball, es ist aber ein Stil, den Salzburg täglich und über Jahre trainiert und gepflegt hat. Das braucht Zeit.
Franco Fodas Stil ist auf das Ergebnis und den Gegner ausgerichtet, damit hat er im Verein und auch beim Nationalteam durchaus Erfolge gefeiert.
Florian Klein
In dieser Ausprägung ist der Salzburger Stil in einem Nationalteam nicht umzusetzen. Ich habe es selbst erlebt, als ich 2012 zu Salzburg gekommen bin und wir mit Ralf Rangnick und Roger Schmidt diese Richtung eingeschlagen haben. Wir haben ein Jahr dafür gebraucht, wurden nicht Meister und sind gegen Düdelingen im Europacup ausgeschieden.
Nach einem Jahr hat das dann immer besser gegriffen. Es bedarf daher einer unglaublich intensiven Arbeit, um so etwas in eine Mannschaft hinein zu bekommen. Das braucht Zeit, die man beim Nationalteam so nicht besitzt. Bei einem derartigen Pressingstil müssen alle Spieler mitmachen, da kann man niemanden mitschleppen.
Aber man kann die Philosophie definitiv in diese Richtung lenken. Während der EM-Quali für 2016 haben wir mit Marcel Koller damals eine sehr aktive Ausrichtung entwickelt.
Marc Janko
Ich halte es für zu kurz gegriffen, wenn nun behauptet wird, dass es im Team eine Red-Bull-Ecke gibt und Spieler, die auf vermehrt technischen Fußball setzen. Das eine schließt doch das andere nicht aus, denn Salzburg beispielsweise trifft häufig auf defensiv eingestellte Gegner, wo es technische Lösungen benötigt.
Bei einer Ausrichtung oder Philosophie geht es vor allem darum, dass alle an einem Strang ziehen. Von außen betrachtet, habe ich das Gefühl, dass der Wille vorhanden ist, dass alle wie wild im Boot rudern, aber nicht alle rudern wirklich in dieselbe Richtung. Ohne Automatismen sieht die beste Mannschaft schlecht aus.
Ich kann nicht beurteilen, ob das an fehlenden Vorgaben liegt, oder weil Spieler machen, was sie wollen.
Es müssen Regeln festgelegt werden, an die sich alle halten, mit denen sich alle identifizieren können. Wer das nicht kann, ist nicht mehr dabei.
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