Ein Nationalteam aus aller Herren Länder

Unüberwindbarer katarischer Fels mit bosnischen Wurzeln: Tormann Danijel Saric (re.) brachte die brasilianischen Werfer zur Verzweiflung.
Katar darf dem Emir bei der Heim-WM auch sportlich keine Schande machen. Tut es nicht – dank Gastarbeitern.

Goran Stojanovic ist seit Sommer 2014 beim katarischen Handball-Klub El Jaish angestellt. Für die Erfüllung seines Vertrages bis 2017 wird der Tormann fürstlich entlohnt. Mit seinen Mannschaftskollegen hat er bisher noch keinen Tag verbracht, dabei befindet sich der 37-Jährige seit Monaten in bester körperlicher Verfassung.

Der gebürtige Montenegriner hat eine andere Mission: die Heim-WM für sein Land, für Katar. Zur Unterschrift unter den Vertrag bei El Jaish gab es noch den katarischen Reisepass, und alleine dafür noch fast 700.000 Euro obendrauf. Stojanovic ist Teil einer illustren Multikulti-Truppe, die sich katarische Nationalmannschaft nennt, und die bei der WM-Endrunde in der Heimat dem Emir keine Schande machen soll.

Ohne Tradition

Das schien zunächst eine unlösbare Aufgabe in einem 2,1-Millionen-Einwohner-Land, in dem nur jeder Siebente dort auch geboren wurde. Obendrein verbindet Katar mit Handball so viel wie Österreich mit Wellenreiten. "Wir sind eine kleine Nation mit limitierten menschlichen Ressourcen", sagt der Vizepräsident des katarischen Verbandes, Ahmed Mohammed Abdulrab Al-Shaabi. Da der internationale Verband Nationenwechsel nach dreijähriger Stehzeit bei Länderspielen gestattet, wurde eifrig umworben – mit Geld. Dem Lockruf erlegen sind Dutzende, im aktuellen 28-Mann-WM-Kader wurden nur vier Spieler tatsächlich in Katar geboren.

Von Schande war daher beim Eröffnungsspiel am Donnerstag nichts zu merken: Mit dem 28:23-Sieg gegen Brasilien nehmen die Gastgeber Kurs auf das Achtelfinale, das Minimalziel.

Der Held beim Auftakterfolg war dann auch mit zwanzig Paraden der Tormann Katars, allerdings nicht Stojanovic, sondern sein Kollege Danijel Saric. Und das in seinem ersten Pflichtspiel. Eine Sensation? Keineswegs. Saric ist alles andere als ein Neuling, er ist 37 Jahre alt und gilt als einer der Besten seines Fachs. Seit 2009 spielt er beim FC Barcelona, die Staatsbürgerschaft Katars erhielt der Bosnier erst vor wenigen Wochen. "Das Geld ist nicht der Grund, warum ich hier bin. Ich bin 37, wollte eine WM spielen und die Chance auf Olympia haben."

Mit Ironie

Die Ironie an Sarics Karriereplan: Für die WM 2015 konnte sich auch sein Heimatland Bosnien-Herzegowina qualifizieren, zum ersten Mal überhaupt in der Verbandsgeschichte. Am Samstag treffen Sarics Landsmänner auf Österreich (19 Uhr MEZ/live ORF Sport +, Sky Sport).

Mastermind hinter dem umstrittenen Projekt ist ebenfalls ein Gastarbeiter: Valero Rivera. Der Spanier trainierte 21 Jahre lang den FC Barcelona und gewann in dieser Zeit 70 Trophäen, darunter sechs Mal die Champions League. Nachdem er 2013 Spanien bei der Heim-WM zu Gold geführt hatte, unterschrieb er in Katar.

Am Donnerstag wurde Rivera von 60 Mitgliedern des bekannt lautstarken spanischen Fanklubs Ciudad Encantada umjubelt. Nicht ganz freiwillig: Ihre zweiwöchige Reise nach Doha wurde bezahlt – von Katar. Am Mittwoch müssen sie beim Spiel KatarSpanien schreien: für Katar, gegen die Heimat.

Kommentare