Ein Jahr Corona: Schwere Zeiten für die Passiv-Sportler
Normalerweise hätten Katharina Althaus, Anna Ruprecht, Markus Eisenbichler und Karl Geiger jetzt eine Ehrenrunde gedreht. Sie hätten sich hochleben lassen von den 25.000 tobenden Fans am Fuße der Schattenbergschanze und diesen einzigartigen emotionalen Moment voll ausgekostet. Gut vorstellbar, dass jeder der vier Adler dabei eine Gänsehaut bekommen hätte. Wie oft wird man schon vor eigenem Publikum Weltmeister?
Als die vier deutschen Skispringer am Sonntag bei der Heim-WM in Oberstdorf Gold im Mixed-Bewerb gewannen, lagen sich die vier Weltmeister zwar ausgelassen in den Armen und die Stadionsprecher gaben ihr Bestes, um den Triumph lautstark zu würdigen, doch rund um sie wollte keine rechte Feierstimmung aufkommen. Auf den Tribünen im Sprungstadion waren zwar viele lachende Gesichter zu sehen – allerdings nur auf riesigen Pappkartons, die zumindest für einen Hauch von WM-Atmosphäre sorgen sollten.
Keine Stimmung
Man hat sich schon fast damit abgefunden, dass die Sportstars bei ihren Wettkämpfen unter sich sind und sich das Publikum in der TV-Zuschauerrolle wiederfindet. Der Sport ist durch Corona zwar nicht zum Stillstand gekommen, die Epidemie hat ihn aber verändert. Es gibt jetzt Geisterrennen, Geisterspiele, Geisterturniere; der bekannte und beliebte Klangteppich ist eingerollt worden. Kein Olé-Olé im Fußballstadion, kein Ziiiiiiiiiieh beim Skispringen, kein Hopp-Hopp entlang der Skipisten.
Nicht alle Sportarten sind vom Ausschluss der Besucher gleich betroffen, höchst unterschiedlich wirken die Übertragungen im Fernsehen. Ein subjektives Ranking der KURIER-Sportredaktion nach einem Jahr Corona.
Motorsport
Am schnellsten fand die Formel 1 ein Konzept in der Krise. Das Rennen in Österreich im Juli war das erste Sportereignis von weltweiter Bedeutung während der Corona-Krise. Die Bildung einer "Bubble" und ständige Tests etablierten sich auch außerhalb des Sports als Rezept im Kampf gegen das Virus. Natürlich fehlte in Spielberg die orange Tribüne voller Verstappen-Fans. Selbstverständlich ist ein Rennen der MotoGP unterhaltsamer, wenn abertausende Tifosi in Mugello für ihren Valentino Rossi gelbe Rauchbomben abfackeln. Doch die Motorengeräusche und die spektakulären TV-Bilder lassen die Fans daheim schnell vergessen, dass vor leeren Rängen gefahren wird.
- Couch-Vergnügen: 4,5 von 5 Punkten
Skisport
Jeder kennt die elektrisierende Atmosphäre beim Night Race in Schladming oder die beeindruckende Kulisse bei den übrigen Rennen in Österreich und in der Schweiz. Doch an anderen Weltcup-Orten finden die Rennen auch in normalen Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In diesem Winter, in dem nur in Europa gefahren wurde, waren die Veranstalter kreativ: Für die Speedrennen in Gröden legten die berühmten Holzschnitzer aus dem Tal Nachtschichten ein und schufen Dutzende Holzfiguren. In St. Anton standen Hunderte Schneemänner auf der Tribüne. Am meisten gingen die Fans in Kitzbühel ab. Mehr gut gemeint als gut gemacht war die Idee, während der Rennen Applaus und Trötenlärm aus der Konserve einzuspielen.
- Couch-Vergnügen: 4 von 5 Punkten
Radsport
Die Teams wurden in "Blasen" separiert, außerhalb der Rennen galt strenge Maskenpflicht, dann konnte die Tour de France ab Ende August mit zwei Monaten Verspätung beginnen. Der Start- und Zielbereich war für Zuschauer stark limitiert, an der Strecke standen sie mit Mund-Nasen-Schutz. Dennoch lieferten die TV-Bilder des Radrennens auf der schönsten Bühne der Welt ein bisschen Normalität in die Wohnzimmer.
- Couch-Vergnügen: 4 von 5 Punkten
Hallensport
Basketball, Handball oder andere Hallensportarten haben es in der Corona-Zeit besonders schwer. Viel Körperkontakt und das im Innenraum macht es dem Virus leicht, sich zu verbreiten. Bemerkenswert bleibt dennoch, dass Großveranstaltungen wie die Handball-WM in Ägypten stattfinden konnten. Gefehlt haben dem TV-Konsumenten aber die Fans, die gerade in den Hallen normalerweise hautnah dran sind und für einen richtigen Hexenkessel sorgen können.
- Couch-Vergnügen 3 von 5 Punkten
Tennis
Im riesigen Arthur-Ashe-Stadion feierte Dominic Thiem seinen größten Sieg. Nach heroischem Kampf gewann er das Finale der US-Open und ließ sich ... nein, eben nicht feiern. Die packenden Ballwechsel fanden keinen Widerhall von den Rängen, für den Sieger gab es nur Applaus von den Ballkindern. Wie sollen bei den Spielern Emotionen aufkommen, wenn der Funke nicht vom Publikum überspringen kann? Zumindest konnte man jedes Wort verstehen, was die Spieler am Platz sagen. Etwa Thiem: "Was sind das für Schuhe!?"
- Couch-Vergnügen: 2,5 von 5 Punkten
Darts
Endlich ein Sport, der ohne Zuschauer perfekt funktioniert – Darts. Irrtum! Kurzfristig wurden bei der WM im Ally Pally die wohl verrücktesten aller Sportfans ausgeschlossen – und plötzlich war die Luft draußen. Keine Menschenmassen, keine vom Alkohol geschwängerte Luft in der Halle, keine verkleideten und stets positiv tobenden Menschen im Publikum, die dem Präzisionssport erst die Würze verleihen. Da half es auch nichts, dass "Caller" Russ Bray wie gewohnt "Onehundretandeighty" in die leere Halle brüllte.
- Couch-Vergnügen: 1,5 von 5 Punkten
Fußball
Der Ball kam auch in der Corona-Krise nicht zum Stillstand. Aber er muss auch weiter rollen, denn nur so rollt in diesem riesigen Business auch weiter der Rubel. Es sind gerade keine einfachen Zeiten für Fußball-Romantiker, denn ein Match ohne Fans auf den Tribünen ist wie ein Ball ohne Luft. Es mag ja interessant sein, einmal zu hören, was und wie viel sich die Spieler während so einer Partie alles zu sagen haben, aber jedes Geisterspiel lässt die Sehnsucht nach einem Stadionbesuch steigen. In den letzten zwölf Monaten dürfte vielen erst bewusst geworden sein, was den Fußball ausmacht. Es sind nicht vorrangig die Tricks von Ronaldo, Messi und Co., es sind die Emotionen, die diese Aktionen auf den Tribünen auslösen. Der schönste Fallrückzieher ist nur halb so spektakulär, wenn es keinen im Stadion von den Sitzen reißt.
- Couch-Vergnügen: 1 von 5 Punkten
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