Das dilettantische Verhalten des größten Sportverbandes der Welt

World Cup - Germany Press Conference
Der DFB erntet für sein Krisenmanagement nach dem WM-Vorrunden-Aus viel Kritik.

In Ruhe aufarbeiten wollten sie das WM-Debakel. Völlig frei von Emotionen und Zeitdruck wollten sie dabei vorgehen und baten deshalb die Öffentlichkeit um ein wenig Nachsicht und Geduld. Aber dabei treten sie beim Deutschen Fußball-Bund ( DFB) ihre Grundsätze und Vorhaben selbst gerade mit Füßen. Und das beinahe täglich.

Mit dem Vorrunden-Aus hat sich Noch-Weltmeister Deutschland bis auf die Knochen blamiert, aber die peinlichen sportlichen Auftritte werden nun abseits des Spielfelds sogar noch getoppt. So dilettantisch und amateurhaft wie sich der größte Sportverband der Welt seit der Rückkehr aus Russland präsentiert.

Es vergeht praktisch kein Tag, an dem nicht irgendein hochrangiges DFB-Mitglied in ein Fettnäpfchen tritt und für Aufregungen und Irritationen sorgt. Dabei steht noch immer die leidige Erdoğan-Affäre im Mittelpunkt. Jene brisante Causa rund um die gemeinsamen Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan also, die Oliver Bierhoff schon vor der Weltmeisterschaft mit den Worten „Jetzt reicht’s dann auch!“ öffentlich für beendet erklärt hatte.

Sündenbock

Genau dieser Oliver Bierhoff, seines Zeichens Manager der deutschen Nationalmannschaft, hatte das Thema in einem Interview in der Welt nun nicht nur wieder aufgewärmt, nein: durch Oliver Bierhoffs seltsame Statements ist „Erdogate“ in Deutschland erst so richtig hochgekocht.

Man hätte ernsthaft überlegen müssen, ob man bei der WM auf Mesut Özil verzichtet, hatte der Nationalteam-Manager erklärt und seit diesen Aussagen geht’s drunter und drüber. Dass Oliver Bierhoff anschließend erklärte, beim Interview falsch verstanden worden zu sein, zugleich aber zugab, dass er selbst und drei Mitarbeiter der DFB-Presseabteilung das Statement abgesegnet hätten, macht die Angelegenheit für den 50-Jährigen nur noch peinlicher. Etliche Medien fordern bereits die Ablöse des Managers, weil er nun Özil in die Rolle des Sündenbocks drängt, anstatt auch sich und seine Arbeit zu hinterfragen. Sogar die Politik macht sich schon über das Vorgehen des DFB lustig. „Auf die Idee, dass ein Foto mit Erdogan an der Niederlage gegen den Fußball-Giganten Südkorea Schuld sein soll, können auch nur DFB-Funktionäre nach 3 Wochen Nachdenken kommen“, schrieb etwa Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen auf Twitter.

Machtwort

Aber es scheint im DFB die Meinung zu herrschen, dass Spielmacher Özil, der sich bislang geweigert hat, zu den Fotos mit Erdoğan öffentlich Stellung zu beziehen, der Schuldige an der sportlichen Misere ist. Verbandspräsident Reinhard Grindel sieht Özil in der Pflicht: „Für mich ist völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äußern sollte“, erklärte er im Interview mit dem Kicker.

Unabhängig von der Causa Özil erwartet sich Grindel nun rund um das Nationalteam „gravierende Veränderungen“ und schiebt den Ball damit an Joachim Löw weiter. Ob der Bundestrainer für radikale Reformen zu haben ist, bleibt freilich abzuwarten: Mit Frankreich und den Niederlanden warten im September in der UEFA-Nations-League zwei Konkurrenten, gegen die personelle Experimente böse ins Auge gehen könnten.

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