Basketball-Talent Anja Knoflach: "Dann musst du weg aus Österreich"
Der Weg in die US-Liga ist weit und steinig. Inga Orekhova schaffte es als bisher einzige Österreicherin in die WNBA. Anja Knoflach könnte ihr bald folgen.
14. April 2014. In einer Studentenwohnung in Florida starrt Inga Orekhova auf den Fernseher, und liest die Worte: Als 18. in der zweiten Runde des WNBA-Drafts von Atlanta Dream ausgewählt wurde ... Inga Orekhova!
"Ich hab’ geweint, als ich das sah", erinnert sich Orekhova. An diesem Tag wurde sie die erste österreichische Basketballspielerin in der Women’s National Basketball Association (WNBA).
Orekhovas ganzes Leben war auf diesen Moment ausgerichtet, und "alles, worauf ich hintrainiert und was ich mir als Ziel gesetzt habe, hat sich endlich ausgezahlt". Mit dem Draft lebte sie auch den Traum ihrer Eltern. "Meine Mama war die erste, mit der ich telefoniert habe. Sie war so stolz und hat mitgeweint", sagt die heute 33-Jährige.
Kindheit unter dem Korb
1992 kamen ihre Eltern aus der ehemaligen UdSSR nach Österreich, um hier professionell Basketball zu spielen. "Durch sie wuchs ich in der Basketballhalle auf, war immer dabei und fand es dort total spannend", sagt Inga Orekhova und erzählt, dass sie als Kind von früh bis spät nur Basketball spielte und keine Zeit für etwas anderes hatte. "Wir haben den Sport wirklich ‚geatmet‘."
Laut Orekhova war Österreich im Basketball früher "top" und auf einem viel höheren Level als heute. "Ich weiß nicht, ob Basketball damals mehr gefördert wurde oder ob die Spieler einfach mehr Biss und Ehrgeiz hatten. Wenn ich mir jetzt Frauen-Basketball in Österreich anschaue, gewinnt immer dieselbe Mannschaft: Klosterneuburg."
Mit 16 Jahren wollte sie "mehr". Zu ihrem Glück reiste jedes Jahr ein College-Team nach Herzogenburg, um dort gegen verschiedene Mannschaften zu spielen. "Da bin ich ihnen schon aufgefallen."
Sprung über den Teich
Amerikanische Trainer machten ihr den Vorschlag, auf eine Highschool zu gehen, um danach zu ihnen aufs College zu kommen. Eine Idee, die die junge Österreicherin im selben Jahr noch in die Tat umsetzte.
"Am Anfang hab’ ich nicht realisiert, dass ich im Flugzeug war. Nach vier Tagen in Amerika bekam ich Panik. Ich wollte nach Hause und hab’ nur geweint. Mit der Zeit ging es – aber die Umstellung war wirklich groß." Nach ihrem Highschool-Abschluss erhielt Orekhova von jedem College eine Zusage. "Ich hab’ zu Hause rund sechs Kisten voll mit Briefen. Alle wollten, dass ich für sie spiele. Am Ende entschloss ich mich für eine Universität in Florida."
Ihrem Beispiel folgten weitere österreichische Spielerinnen wie Sarah Sagerer (26) und zuletzt Anja Knoflach (22). "Es in die WNBA zu schaffen, ist sehr hart. Natürlich ist es mein Traum, aber ich bin auch realistisch – und ich habe aufgehört zu planen", sagt Anja Knoflach. Es ist ihr viertes Jahr in den Staaten, aktuell wirft die Steirerin Körbe für die Southeastern University im Bundestaat Florida.
Wege auf das College
Für nicht-amerikanische Spielerinnen ist es schwierig, ans College zu kommen, "weil sie weniger Aufmerksamkeit bei den Trainern haben", erklärt Knoflach. Eine gute Möglichkeit, sich zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen, sind Europameisterschaften oder andere internationale Turniere. Eine weitere Möglichkeit ist es, Trainern und Colleges Highlight-Videos von sich zu schicken. "Mein Papa hat all meine Spiele aufgezeichnet und ich hab' sie dann zusammengeschnitten. Das war extrem viel Arbeit."
Es gibt auch Plattformen, auf denen Spieler sich anmelden und durch einen Agenten vermittelt werden. "Mein Glück war, dass ich einen amerikanischen Trainer kannte, der zu dieser Zeit in Österreich war. Er konnte mir Kontakte zu amerikanischen Unis herstellen." In Amerika zu studieren und zu spielen – das wurde bei der damals zwölfjährigen Anja Knoflach zum "fixen Plan, als Spielerinnen wie Sarah Sagerer zeigten, dass es möglich war".
Sagerer graduierte – wie Orekhova – ebenfalls in Florida und schwärmt über die tollen Trainingsbedingungen in den USA: "Wir hatten mehrere Hallen, einen Kraftraum, Trainer und Physios standen uns fast jederzeit zur Verfügung. Es gab sogar Wurfmaschinen, damit man alleine trainieren konnte. Uni und Sport wurden perfekt aufeinander abgestimmt, das gibt’s in Österreich nicht."
Fördern und fordern lautet das Konzept, das weiß auch Orekhova: "Die Trainings in Amerika sind viel härter, die Mentalität ist ganz anders. Du musst ständig darum kämpfen, spielen zu dürfen. Wir hatten zu meiner Zeit am College schon alles, was man braucht."
Kein Vergleich
"Sport hat in Amerika einen anderen Stellenwert. Selbst die unsportlichsten Menschen kennen sich aus, weil es überall promotet wird. In Österreich wissen viele nichts über Basketball, weil fast nur über Fußball, Skifahren und Tennis berichtet wird", sagt Knoflach und fügt hinzu: "Wenn du es mit dem Sport wirklich ernst meinst, musst du weg aus Österreich."
Den Weg in die USA würden alle drei wieder gehen. "Es ist einmalig und die beste Erfahrung überhaupt", sagt Orekhova, die in drei Wochen ihr zweites Kind erwartet. Im Herbst will sie wieder als Profi in Europa spielen sowie neben Sagerer und Knoflach das Nationalteam-Trikot überziehen.
Und vielleicht wirft sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine weitere österreichische Basketballerin in der WNBA ins Rampenlicht.
Das Fernziel von Basketball-Präsident Gerald Martens ist es, dass einmal 20 österreichische Basketballerinnen pro Jahr Stipendien auf Universitäten in den USA bekommen. Das Projekt wird im Sommer starten. Erst mit Camps in Österreich für Acht- bis Elf-Jährige, später sollen 14- und 15-Jährige in den USA schnuppern dürfen. Schließlich sollen die Mädchen so geschult werden, dass sie punkto Sport und Noten die Voraussetzungen für ein Stipendium an einer US-Uni erfüllen und bei Tryouts bestehen können.
Der Verband wird mit Frank König zusammenarbeiten. Der hat nicht nur seine Wurzeln in Österreich, sondern ist auch dem Basketballsport verfallen. Martens: "Er hat selber Collegeprogramme und hilft auch in manchen Bereichen dem kanadischen Team aus." Dort spielt auch die 24-jährige Tochter Aislinn. Ihre 19-jährige Schwester Mackendra spielte 2019 in der U-16-EM-Qualifikation für Österreich und jetzt im 3x3-Team.
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