Claressa Shields ist eine der bemerkenswertesten Boxerinnen unserer Zeit. Die 27-Jährige wurde 1995 in Michigan in ein Leben hineingeboren, aus dem sie nur durchs Kämpfen einen Weg herausfand. Ihre Mutter war Alkoholikerin. Ihr Vater wanderte für sieben Jahre ins Gefängnis, als sie zwei Jahre alt war.
Armut, Waffengewalt und Drogen gehörten in ihrer Gegend zur Normalität. Mit fünf Jahren wurde sie vom Freund der Mutter sechs Monate lang fast täglich vergewaltigt. Die Mutter glaubte ihr nicht. Sie verschwand oft tagelang.
Mobbing in der Schule
„Wir waren immer hungrig. Ich suchte auf der Straße Essen für meine zwei kleinen Geschwister und mich.“
In der Schule wurde Shields gemobbt, weil ihre Haare so puffig und sie selbst so dünn und ruhig war. Als eine Mitschülerin wiederholt an ihren Haaren zog, wehrte sie sich erstmals mit den Fäusten. „Seitdem kämpfe ich gegen jeden, der sich mit mir anlegt. Ich wollte nicht kämpfen, aber ich wusste, dass ich für mich selbst einstehen muss. Sonst tut es keiner.“
„Ich weiß noch, wie es war. Ich weiß, wie wütend es mich gemacht hat. Ich will nicht, dass irgendein Kind jemals diese Wut fühlt. Wenn ich nicht boxen würde, wer weiß, wo ich jetzt wäre? Doch all das hat mich nicht davon abgehalten, großartig zu sein. Boxen war mein Ausweg.“
Mit neun Jahren kehrte ihr Vater zurück, versuchte ihr ein geregeltes Leben zu bieten und erzählte ihr auf dem Heimweg nach ihrem ersten Schulkampf die Geschichte von Muhammad Ali: „Keiner der Söhne ist in seine Fußstapfen getreten. Seine Tochter Laila schon. Sie wurde eine großartige Kämpferin, genau wie ihr alter Herr.“
Claressa wollte auch wie Laila boxen – gegen den Willen des Vaters: „Was? Boxen? Das ist ein Männersport. Du bist zu schön zum Boxen“, sagte Vater Clarence Shields. Doch nichts konnte seine Tochter mehr abhalten.
Ich war die weibliche Version von Rocky
„Ich hab’ mich mit elf Jahren ins Boxen verliebt, als ich zum ersten Mal ein Gym betrat, einen Jab lernte und zwei Jungs beim Sparring sah!“ In sechs Jahren schaffte sie es zu den Olympischen Spielen nach London, und sie gewann als 17-Jährige Gold gegen eine erfahrene Russin.
„Ich war die weibliche Version von Rocky. Ich hatte Angst, bevor ich zum Ring kam und musste mir selbst eine reinhauen, um da rauszugehen.“ Vier Jahre später wiederholte sie den Traum von Olympia-Gold in Rio de Janeiro. Sie wurde zur ersten amerikanischen Boxathletin, die zwei aufeinanderfolgende Titel gewinnen konnte – das gelang noch keinem Mann.
Einzige Niederlage
„Boxen ist das Einzige in meinem Leben, das mich jemals zurückgeliebt hat! Du trainierst hart und gewinnst.“
Im November 2016 wechselte Shields ins Profi-Business, gewann die ersten vier Kämpfe und wurde Weltmeisterin im Supermittelgewicht. Mit nur zehn Kämpfen wurde sie Boxweltmeisterin dreier Gewichtsklassen. Sie war die erste Athletin in der Geschichte des Boxsports, die im März 2021 alle vier wichtigen Weltmeistertitel (WBA, WBO, WBC, IBF) in zwei Gewichtsklassen vereinte – auch das gelang noch keinem Mann.
„Wenn du das beste Frauenboxen sehen willst, musst du mich sehen!“ In ihrem 13. Profikampf trifft sie am Samstag in London auf Savannah Marshall (ab 23.00 Uhr/Sky Sport). Marshall ist die Einzige, die Shields in ihrer Karriere jemals besiegen konnte – als Amateur wenige Monate vor den Olympischen Spielen vor zehn Jahren. Beide haben eine Profi-Bilanz von zwölf Siegen und keiner Niederlage. Das Boxevent ist auch insofern historisch, als erstmals in England nur Frauenkämpfe auf der Karte stehen werden.
Kommentare