Bezirkowitsch: "Fatales Signal, wenn ich gewählt werde"

Und der Begriff "(du) Opfer" ist uralt. Bild: Wahlplakat eines Wiener Bezirkspolitikers im Jahr 2015
Maximilian Zirkowitsch im KURIER-Interview über Wahlkampf, "Opfer" und Politikverdrossenheit.

Fünfhaus, du Opfa, gib Stimme! Dieser Spruch auf einem Plakat sorgte in den letzten Wochen für großes Aufsehen. Der recht ungewöhnliche Wahlkampfslogan gehört zur Kampagne von Maximilian Zirkowitsch. Der hauptberufliche Sozialarbeiter und nebenberufliche Satiriker ist schon länger Mitglied der SPÖ – und hat sich für die Wien-Wahl aufstellen lassen. Auf dem recht aussichtslosen 50. Platz im 15. Bezirk, Rudolfsheim-Fünfhaus, kann man "Bezirkowitsch", wie er sich auf seinen Plakaten nennt, auf der Wahlliste finden. Er bräuchte etwa 1000 Stimmen, um in den Bezirksrat einzuziehen.

KURIER: Herr Zirkowitsch, in Österreich ist es eine eine berechtigte Frage: Sind Politik und Satire getrennt?

Bezirkowitsch: Das ist nicht getrennt. Da gibt’s eine ganze Menge historischer Beispiele. Meine Möglichkeiten als politischer Mensch, als satirischer Mensch, war es, Politik genauso zu betreiben, wie ich das kann, im Rahmen meiner Möglichkeiten.

Was heißt "Im Rahmen der Möglichkeiten"? Ein Facebook-Wahlkampf?

Das heißt, dass ich Wahlkampf betreibe, wie tausende oder zehntausend andere SPÖ-Mitglieder. Und nachdem ich bei Käfigkämpfen eine schlechte Figur machen würde hab ich beschlossen, das so zu machen, wie ich das tu. Ich habe nichts zu sagen – und es ist schön, dafür die geeignete Plattform gefunden zu haben.

Wer ist eigentlich die Zielgruppe Ihres Wahlkampfes? Sind diese schon wahlberechtigt? Also 16- bis 18-jährige?

Zum Beispiel. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass es 18- bis 22-jährige sind. Oder 22- bis 35-jährige. Oder 35- bis 55-jährige. Mir liegen noch keine validen Zahlen vor für den Anteil der Silver Surfer im 15. Bezirk auf Facebook – ich arbeite noch daran. Im Grunde ist das Plakat eins wie jedes andere auch – die Botschaft des Plakats ist klar. Wähl mich.

Vor allem Opfer in Fünfhaus.

Ja, genau. Das ist glaube ich dem Plakat eindeutig zu entnehmen.

Was ist eigentlich ein Opfer?

Ich glaube, dass man Opfer unabhängig von der eigenen geschlechtlichen Identität sein kann. Die Geschichte lehrt uns sogar, dass gerade die geschlechtliche Identität immer wieder ein guter Weg war, um ein Opfer zu werden. Wir erleben es zum Teil heute auch noch, dass sexuelle Orientierung oder Geschlecht einen zum Opfer machen. Und das finde ich natürlich nicht in Ordnung. Ich will, dass alle Menschen gleichermaßen Opfer werden. Und nicht nur aufgrund der ein oder anderen Orientierung.

Das klingt nach Kommunismus.

Wirklich? Ich habe den Eindruck, dass im Kommunismus, so wie er gelebt wurde, nicht alle Opfer waren. Das war ja die große Enttäuschung für so viele Opfer. Dass gar nicht alle Opfer waren! Das ist übrigens ein Zustand, den wir historisch auch überall finden. Dass nicht alle die gleichen Möglichkeiten haben, Opfer zu werden.

Das ergibt Sinn. Wenn Sie für eine andere Partei Wahlkampf machen würden, was würden Sie machen? Auch was mit Opfern?

Ich würde das einfach ähnlich machen, wie das BZÖ das gemacht hat. Ich würde eine Presseaussendung schreiben und mich danach in einer orangen Jacke auf einem Kreisverkehr fotografieren lassen. Das war ganz hohe Schule, was das BZÖ da geleistet hat.

Haben Sie vor, das Projekt #Bezirkowitsch weiterzuführen? bezirkowitsch2016.at schon gesichert?

Nein, ich hab mir noch nicht einmal den Twitter-Account gesichert. Ich hab Twitter noch nicht ganz durchschaut. Ich bin erst dabei, Facebook zu lernen. Und wie es ab dem 12. Oktober weitergeht, muss erst im Kampagnenteam und in den Parteigremien entschieden werden. Wir wollen das auch vom Wahlergebnis abhängig machen. Im Grunde ist es ja ein fatales Signal, wenn ich gewählt werde.

Inwiefern? Ein Zeichen für Politikverdrossenheit?

Nein, aber ein fatales Signal für alle anderen wahlwerbenden Listen. Weil jede Stimme, die Bezirkowitsch zufällt, eine Stimme ist, die sie nicht erringen konnten. Da sind Leute aufgestanden, haben sich vielleicht sogar schön angezogen, haben die Kirche - oder das Wirtshaus - ausgelassen, sind wählen gegangen, haben ihr Kreuz gemacht und sogar extra gelernt, wie man meinen Namen schreibt! Das ist doch verstörend.

Das hat ja was mit Politikverdrossenheit zu tun.

Nein, ich glaube nicht. Damit hat es zu tun, wenn jemand überhaupt nicht wählt. Die, die mich wählen, die sagen: "Ja, der Bezirkowitsch, der steht für was. Der steht für Entenansiedlungsprogramme. Dem geb ich meine Stimme." Die haben einen Entscheidungsprozess durchgemacht und reflektiert. Das ist einiges, was die geleistet haben.

Was wäre eigentlich Ihre erste Amtshandlung?

Das wäre dann wohl die Angelobung als Bezirksvertreter.

Und danach?

Ich glaube, danach gibt es einen Fototermin und es werden Hände geschüttelt.

Sie wissen, was ich meine. Am Tag danach.

Am Tag danach ... das dürfte dann die konstituierende Sitzung des Bezirksrates sein. Da werden wir uns konstituieren.

Ist Politik ein hartes Geschäft?

Es ist das Bohren dicker Bretter. Und manchmal sind das auch die Bretter vor den Köpfen der Menschen.

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