"Der Tag der Wahrheit": Wie es in der Formel 1 weitergeht
* Unten finden Sie eine Langfassung des Interviews *
Im Sportfernsehen gibt es das beliebte „Phrasenschwein“, in das symbolische Euros wandern, wenn es allzu floskelhaft wird. Wenn Andi Gröbl im Interview sagt, „der große Sieger ist das Publikum“, dann mag das nach einer typischen Phrase klingen, sie wird aber mit Leben erfüllt.
Seit dem Vorjahr überträgt ServusTV die Formel-1-Rennen – alternierend mit dem ORF – live. Kommentieren muss Gröbl auch jene Rennen, die zeitversetzt gesendet werden. Für ihn „so gut wie kein Unterschied, weil ich habe ja auch nur einen Schuss. Du bist da so in diesem Tunnel drinnen und letztlich ist es egal, ob du das nur für deine Oma kommentierst oder für Millionen Leute, der Anspruch an einen selbst ist immer der gleiche.“
Auch das Re-Live bringe dem Privatsender ausgezeichnete Marktanteile, meint Gröbl, weil viele, die im Sommer aus den Bädern zurückkehren, dann noch das Rennen schauen wollen.
Formel 1
Servus TV teilt sich seine Hauptrechte an der Königsklasse bis 2023 mit dem ORF. Zwölf Rennen überträgt ServusTV live, beginnend ab 27. März mit dem GP in Saudi-Arabien. Dazu kommen u. a. der neue GP von Miami und das Finale in Abu Dhabi. Das Heimrennen in Spielberg übertragen beide Sender live
Neue Saison
Die Saison 2022 startet mit dem GP von Bahrain am 20. März (live auf ORF1 und Re-live auf ServusTV).
An der Rennstrecke
Auch Andrea Schlager bringt ihre Motorsport-Expertise ein, wenn sie in der Boxengasse mit Christian Klien die Rennen analysiert und die Stars der Königsklasse interviewt.
Die Knittelfelderin (Stmk) ist quasi an der Spielberger Rennstrecke aufgewachsen – und hat beim Österreich-Grand-Prix schon mit 16 Jahren bei der großen Formel-1-Welt schnuppern dürfen. Als Ticket-Abreißerin, wie sie erzählt. „So etwas prägt einen“, sagt Schlager über den Ferialjob. „Ich kann mich noch erinnern, wie ich da oben auf der Gösser-Tribüne gestanden bin. Und du siehst da runter aufs Fahrerlager. Auf einmal siehst du die große Welt, das war für mich unfassbar toll. Und dann fährst du fünf Minuten mit dem Radl nach Hause und sitzt mit den Eltern beim Abendessen.“
Das habe „definitiv was gemacht“ mit ihr, „ich hab’ immer sehr viel Positives mit der Formel 1 verbunden und alle möglichen Jobs rund um die Formel 1 gemacht.“
Als Schlager Tickets abriss, inhalierte Gröbl denselben Benzingeruch, allerdings bereits als ORF-Reporter. Als seine Kollegin ins Erzählen kommt, fragt der Gitarrist und Bandleader: „Warst du 2002 und 2003 auch dort, als ich mit dem Eddie Jordan im Zelt aufgetreten bin?“
Das klingt dann beinahe wie eine Anekdote von Heinz Prüller, bei dem Gröbl das Handwerk lernte. Von 1998 bis 2003 war er mit der ORF-Legende unterwegs. „Er war der Antrieb für mich, zum Fernsehen zu gehen, weil ich mir auch gedacht habe: Das gibt es ja nicht, was der alles nicht sieht. Dem Mann muss man helfen“, scherzt der Niederösterreicher über Prüllers legendäre Eigenheit, trotz turbulentesten Rennverlaufs Storys von früher zu erzählen.
Legenden
„Jeder, der in unserer Branche arbeitet, müsste ihm eigentlich ein Denkmal bauen“, sagt Gröbl. „Leider gibt es nur noch eine Handvoll echter Legenden. Mein guter Freund Peter Elstner ist letzten Sommer gestorben. Der große Sigi Bergmann ist ihm dieser Tage nachgefolgt. Mit ihm durfte ich auch eng zusammen arbeiten. Prüller, Elstner, Bergmann, das sind die Originale. Der Rest von uns, wir sind bestenfalls bemühte Imitate, das muss man klar anerkennen. Aber nicht, weil wir zu patschert sind, sondern weil die Zeit eine andere ist. Ich bin stolz, von diesen Größen als Partner akzeptiert worden zu sein.“
Mit seinen Ideen fürs TV überzeugte er damals auch Prüller. Gröbl: „Er hat mich und die Tanja Bauer zuerst argwöhnisch betrachtet, und uns ein bissl abgeklopft, wie es so seine Art war. Und irgendwann hat er uns dann ins Herz geschlossen.“
Viel aufgebaut
Heute ist Bauer Chefin des Servus-TV-Formel-1-Teams. „Es ist eine Mega-Truppe, die sie zusammengestellt hat, mit sehr viel Feingefühl und sehr viel Menschenkenntnis“, sagt Kollegin Schlager.
Sie selbst präsentiert seit sieben Jahren Motorradrennen auf ServusTV und begleitete die großen Erfolge von Dominic Thiem im Tennis.
„Wir haben mit der MotoGP und generell im Sport über die letzten sieben Jahre sehr viel aufgebaut. Da war es für mich sehr überraschend, dass wir nach einem Jahr Formel 1 sofort für die ROMY nominiert werden.“ Das zeige die Zugkraft der Formel 1, die immer ihr „ganz großer Traum“ gewesen sei.
Ob zum ORF ein Konkurrenzdenken bestehe?
„Überhaupt nicht“, sagt Schlager. „Den Ernst Hausleitner kenne ich seit Ewigkeiten. Wir essen zusammen, man tauscht sich aus, wie es dem anderen geht.“ Für den bisherigen Platzhirschen, den ORF, sei es natürlich „eine komplett neue Situation.“
Gröbl, der sich ebenfalls über seine ROMY-Nominierung freut („ein Adelsprädikat in unserer Branche“), sieht das „Quotenduell“ als nette mediale Zuspitzung, nicht mehr. Dennoch müssten sich beide Sender anstrengen, „so gesehen ist der große Sieger das Publikum“.
Da ist sie, die Phrase. Aber sie wird mit Leben erfüllt.
Denn Gröbl sieht einen entscheidenden Vorteil: "Ich habe schon vor einem Jahr gesagt: Vergesst's alle diese Duelle und wer es besser, schöner und sympathischer macht. Das andere Szenario wäre gewesen, dass das Produkt ins Pay-TV abwandert und es niemand mehr im Free-TV macht. Dann würde es in Österreich genauso finster ausschauen wie in anderen europäischen Ländern, von Deutschland angefangen."
Das gesamte Interview (bitte einzelne Themenbereiche anklicken)
In so einer Situation gibt es keine Gewinner. Insofern ist der Sport ein Spiegelbild des Weltgeschehens. Für russische Fahrer wie Daniil Kvyat ist es eine lose-lose-Situation. Entweder er unterschreibt ein politisches Statement, das ihm die FIA vorgibt. Dann hat er in dem Land, in dem er aufgewachsen ist ein paar sehr mächtige Feinde. Oder er tut es nicht und steht in seinem Sport als Verräter da. Trotzdem: diese Einzelschicksale sind die geringsten Sorgen, die wir im Moment beim Thema Russland haben. KURIER: Es gab früher schon einmal Formel 1-Fahrerinnen. Sehen Sie die Möglichkeit, dass irgendwann wieder eine Frau einsteigt? Andrea Schlager: Wir sind in in den letzten Jahren im Motorsportbereich auch in eine andere Ära gegangen, wo im Nachwuchsbereich schon sehr viel passiert und in den Kart-Klassen immer mehr Mädchen mit dabei sind. Wenn ich mir anschaue, dass eine Ana Carrasco Weltmeisterin wurde in einer Motorradklasse, dann zeigt das: Es ist verdammt hart, aber es ist machbar. So etwas geht mit Social Media um die Welt, das haben die Mädels am Handy. Das motiviert natürlich auch andere. Eltern sehen vielleicht diese Dinge dann auch anders. Das Mädel muss nicht zwingend Ballett gehen, vielleicht setzt man sie in ein Kart, oder auf ein Pocket Bike. Und ich glaub schon, dass wir da seit Jahren in einem Umbruch sind, und dass Frauen langfristig gesehen auch in diese Sportarten mehr und mehr einsteigen können. KURIER: In dieser Saison müssen 10 Prozent Biosprit beigemischt sein. Wie nimmt die Formel 1 ihre Verantwortung fürs Klima wahr? Andreas Gröbl: Die Formel 1 hat eine ganz klare Roadmap und das heißt: 2030 wollen sie CO2 neutral sein. Das heißt nicht, dass hinten nichts Stinkendes rauskommt aus dem Auspuff. Aber es gibt jetzt eine ganze strenge Zertifizierung, ob sie ecofriendly werden. Die Frage ist: Wie viel ist Marketing und wie viel ist ernsthaftes Bemühen? Für die Motorenhersteller ist es eine Riesenumstellung. Ich finde es gut, der Plan gehört auch wesentlich vorangetrieben. Und das Entscheidende ist jetzt nachhaltiger Biosprit, also Second Generation Eco Fuels, die wirklich aus Abfällen hergestellt werden. Es ist auch eine ethische Frage, weil man nicht Lebensmittel für Sprit anbauen sollte, wenn in Afrika Menschen verhungern. Das nimmt die Formel 1 schon sehr ernst und ich glaube, dass das auch dem Zeitgeist entspricht, weil das auch Sponsoren heute verlangen. Du willst nicht mehr einer schmierigen, undurchschaubaren Bande das Geld nachwerfen, damit die mein Logo auf ihr Auto kleben, sondern du musst heute deinem Vorstand gegenüber auch argumentieren: Warum haben wir dieses Team ausgewählt? Der öffentliche Druck, ethische, aber auch ökologische Mindeststandards zu erfüllen, der ist einfach da und es ist gut. Natürlich geht das auch alles zu langsam. Indy Car hat vor 20 Jahren schon gezeigt: Du kannst mit Bioethanol fahren, das war auch laut, ist auch schnell gewesen. Bei den großen Automobilwerken ist halt immer die Frage: Was bringt mir das für die Serie? Weil niemand kann heute an der Tankstelle Alkohol tanken, da geht es jetzt um Benzin, Diesel versus vielleicht Wasserstoff versus vielleicht synthetische Kraftstoffe, die irgendwann kommen werden. Und da ist ja die Formel 1 das Vehikel dazu.
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