Der Everest und andere Träume

Platz 45: Nepal 165 neue Gipfel werden für alpine Abenteuer im Kanchenjunga-Massiv geöffnet - 13 davon über 7000 Meter.
Vor 60 Jahren standen Hillary und Tenzing auf dem Gipfel – nicht das einzige Jubiläum

Wer war als Erster auf dem Mount Everest? Alpinhistoriker und 8000er-Kenner Jochen Hemmleb weiß es: Reinhold Messner und Peter Habeler.

Der Everest und andere Träume
APA8703294-3 - 21072012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT CI - Die Extrembergsteiger Peter Habeler (r.) und Reinhold Messner auf einem Archivbild aus 1975. Als erste Bergsteiger haben die beiden am 8. Mai 1978 ohne Sauerstoffgerät den Mount Everest bezwungen. Habeler feiert am Sonntag, 22. Juli 2012, seinen 70. Geburtstag. APA-FOTO: DPA/KLAUS HEIRLER
„Vom puristischen Standpunkt wiegt die Besteigung ohne Sauerstoff (am 8. Mai vor 35 Jahren, Anm.) schwer. Messner und Peter Habeler haben als Erste den Everest in seiner vollen Höhe gespürt.“ Und das von jenem Mann, der seit einem Jahrzehnt George Mallory auf der Spur ist. Der 1924 abgestürzte Pionier war lange ebenfalls ein Kandidat für die Erstbesteigung, er kam aber wohl bis zum Second Step (auf 8610 m). Mit Sauerstoff erreichten Sir Edmund Hillary und sein Sherpaführer Tenzing Norgay den Gipfel als Erste, ihr Triumph jährt sich am 29. Mai zum 60. Mal.

Vier Mal war Hemmleb bereits selbst am Everest, zur Recherche. 1999 fand er die Leiche Mallorys auf 8300 m. Sein Suchtrupp besteht aus erfahrenen Höhenbergsteigern, aus Männern, die bereits am Everest waren, „damit sie nicht das Gipfelfieber packt“.

Das G-Wort ist gefallen, es gibt einen Grund, warum erwachsene Menschen in die Todeszone der Achttausender vorstoßen, nur kann ihn keiner so genau benennen. Hermann Buhl notierte, nachdem er den Gipfel des Nanga Parbat erreicht hatte: „Ich fühle mich plötzlich viel frischer. Was ist wohl die Ursache? Vielleicht doch die Erreichung des Zieles? Wo ich im Ausstieg kroch, springe ich nun fast von Stein zu Stein.“

Antidepressivum

Keine Gruppe muss ihr halsbrecherisches Tun so häufig begründen wie Himalaja-Bergsteiger. Für Hemmleb besteht das Faszinosum Berg „in der Lebensintensität, die es bedeutet auf dem Everest unterwegs zu sein und die Natur auf sich wirken zu lassen, man ist mit allen Sinnen wach, das ist eine Sucht, ein Rausch. Und, ganz persönlich gesprochen, es ist mein natürliches Antidepressivum. Es wirkt.“ Andere Bergsteiger antworten auf die Frage nach dem Warum einfacher: „Wer es versteht, braucht keine Erklärung.“

Dabei gäbe es manches zu erklären, etwa den Einsatz von leistungssteigernden Mitteln. Hermann Buhl nahm das Aufputschmittel Pervitin – die Wunderdroge der Nazis, um die Soldaten wach zu halten – und ließ Ausrüstungsgegenstände zurück.

Am Mount Everest herrscht alljährlich Massenansturm. Hemmleb kommt trotzdem: „Das, was ich in den Bergen suche, Freiheit, Autonomie, Selbstbestimmung, das finde ich am Everest nicht mehr. So ehrlich muss man sein. Wenn einem das nicht passt, muss man sich einen anderen Berg suchen, den ich genauso unberührt erleben kann wie zu Zeiten der Pioniere.“

Der Everest und andere Träume

Österreichische Alpinisten waren von Anfang an führend an der Erstürmung der Himalaja- und Karakorum-Gipfel beteiligt. Unter den Expeditionen auf die höchsten Berge der Welt ragen der Alleingang von Hermann Buhl am Nanga Parbat vor 60 Jahren, der Erfolg von Fritz Moravec und seinem Team 1956 am Gasherbrum II, Herbert Tichys und Sepp Jöchlers Geniestreich am Cho Oyu, und Kurt Diemberger, dem mit Broad Peak und Dhaulagiri heraus. Diemberger gelang die erste Besteigung von gleich zwei Achttausendern. Der heute 80-Jährige bildete mit Julie Tullis das „höchste Filmteam der Welt“, sie drehten am K 2, den er mit einem „dunklen Kristall“ verglich. 1986 kam Tullis beim Abstieg vom K 2 im Höhensturm ums Leben, Diemberger überlebte mit Erfrierungen, ebenso wie ein zweiter Österreicher, Willi Bauer. Hemmleb packt diese Alpinlegenden in 416 Buchseiten. Spannend.

Lese-Tipp:Jochen Hemmleb: Austria 8000. Österreichische Alpinisten auf den höchsten Gipfeln der Welt. Tyrolia. Preis: 29,95€.

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