Der Everest und andere Träume
Wer war als Erster auf dem Mount Everest? Alpinhistoriker und 8000er-Kenner Jochen Hemmleb weiß es: Reinhold Messner und Peter Habeler.
Vier Mal war Hemmleb bereits selbst am Everest, zur Recherche. 1999 fand er die Leiche Mallorys auf 8300 m. Sein Suchtrupp besteht aus erfahrenen Höhenbergsteigern, aus Männern, die bereits am Everest waren, „damit sie nicht das Gipfelfieber packt“.
Antidepressivum
Keine Gruppe muss ihr halsbrecherisches Tun so häufig begründen wie Himalaja-Bergsteiger. Für Hemmleb besteht das Faszinosum Berg „in der Lebensintensität, die es bedeutet auf dem Everest unterwegs zu sein und die Natur auf sich wirken zu lassen, man ist mit allen Sinnen wach, das ist eine Sucht, ein Rausch. Und, ganz persönlich gesprochen, es ist mein natürliches Antidepressivum. Es wirkt.“ Andere Bergsteiger antworten auf die Frage nach dem Warum einfacher: „Wer es versteht, braucht keine Erklärung.“
Dabei gäbe es manches zu erklären, etwa den Einsatz von leistungssteigernden Mitteln. Hermann Buhl nahm das Aufputschmittel Pervitin – die Wunderdroge der Nazis, um die Soldaten wach zu halten – und ließ Ausrüstungsgegenstände zurück.
Am Mount Everest herrscht alljährlich Massenansturm. Hemmleb kommt trotzdem: „Das, was ich in den Bergen suche, Freiheit, Autonomie, Selbstbestimmung, das finde ich am Everest nicht mehr. So ehrlich muss man sein. Wenn einem das nicht passt, muss man sich einen anderen Berg suchen, den ich genauso unberührt erleben kann wie zu Zeiten der Pioniere.“
Österreichische Alpinisten waren von Anfang an führend an der Erstürmung der Himalaja- und Karakorum-Gipfel beteiligt. Unter den Expeditionen auf die höchsten Berge der Welt ragen der Alleingang von Hermann Buhl am Nanga Parbat vor 60 Jahren, der Erfolg von Fritz Moravec und seinem Team 1956 am Gasherbrum II, Herbert Tichys und Sepp Jöchlers Geniestreich am Cho Oyu, und Kurt Diemberger, dem mit Broad Peak und Dhaulagiri heraus. Diemberger gelang die erste Besteigung von gleich zwei Achttausendern. Der heute 80-Jährige bildete mit Julie Tullis das „höchste Filmteam der Welt“, sie drehten am K 2, den er mit einem „dunklen Kristall“ verglich. 1986 kam Tullis beim Abstieg vom K 2 im Höhensturm ums Leben, Diemberger überlebte mit Erfrierungen, ebenso wie ein zweiter Österreicher, Willi Bauer. Hemmleb packt diese Alpinlegenden in 416 Buchseiten. Spannend.
Lese-Tipp:Jochen Hemmleb: Austria 8000. Österreichische Alpinisten auf den höchsten Gipfeln der Welt. Tyrolia. Preis: 29,95€.
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