Rothensteiner: “Net g’schimpft is’ g’lobt gnua“

Rothensteiner: “Net g’schimpft is’ g’lobt gnua“
Der neu gewählte Raiffeisen-Generalanwalt im KURIER-Gespräch mit seinem engen Freund, dem Pianisten Rudolf Buchbinder.

Walter Rothensteiner wurde in dieser Woche nach Christian Konrad zum Raiffeisen-Generalanwalt gewählt. Der Musikfan im Gespräch mit seinem engen Freund, dem Pianisten Rudolf Buchbinder.

Wann sie einander kennengelernt haben, wissen sie nicht mehr genau. Auch nicht den Anlass. Aber es war wohl ein Konzert. „Der Walter ist ein absoluter Musikfan", sagt Buchbinder über den neuen Generalanwalt von Raiffeisen. „Es gibt kaum jemanden, der sich so akribisch damit beschäftigt wie er." Jeder Auftritt von Buchbinder wird im iPhone des Technik-begeisterten Rothensteiner erfasst. 241 Werke sind da notiert. Ein Gespräch über Musik und Macht, Geld über Geltungstrieb, Handys und Hausbank.

 

Rothensteiner: “Net g’schimpft is’ g’lobt gnua“

KURIER: Wissen Sie eigentlich, was ein Generalanwalt genau ist, Herr Buchbinder?
Rudolf Buchbinder:
Ein Anwalt für alles. Kann man sich unter Professor etwas vorstellen? Oder unter Hofrat? Ich glaube, der Titel ist in so einem Fall sekundär. Ich habe etwa den Titel Professor abgelehnt. Ob der Herr Dr. Rothensteiner Generalanwalt ist oder nicht, ändert an seiner Person absolut nichts.

Ihre Definition, Herr Generalanwalt?
Walter Rothensteiner:
Der Titel ist noch unter Herrn Raiffeisen entstanden. Er wünschte sich eine Anwaltschaft, die die Genossenschaften überall vertritt. Das ist auch, glaube ich, der einzige Anwalt, der kein Jurist sein muss.

In dem Wort General steckt aber auch etwas Militärisches, Kommandohaftes ...
Rothensteiner
: General heißt hier nur: Zuständig für alle Genossenschaften, die dabei sind. Bei uns wird nicht von oben herab angeschafft. Ich sehe keine Parallele zum Militär.

Dennoch ist das eine sehr mächtige Position .
Buchbinder
: Das bezieht sich nicht so sehr auf Generalanwalt, sondern auf die Macht von Raiffeisen, dem der Generalanwalt vorsteht. Es hat sich im Laufe der Zeit ergeben, dass das zu so einer so mächtigen Position geworden ist. Aber Generalanwalt heißt auch: Als Vertreter für alle da zu sein, die Gebarung von Raiffeisen zu verwalten und zu pflegen.
Rothensteiner: Das ist auch mir die liebere Definition. Auch Christian Konrad hat das Thema Macht nie gutgeheißen. Macht heißt, wenn ich unkontrolliert Druck ausübe, weil es mir gerade Spaß macht. Letztlich bedeutet diese Funktion Verantwortung, weil einen die Leute wählen. Die können einen wieder abwählen. Autorität ja, in Kombination mit Verantwortung. Mit Macht tue ich mir schwer.

Welche anderen Funktionen behalten Sie?
Rothensteiner:
Der österreichische Raiffeisenverband ist ein Verein, bei dem der Obmann den Titel Generalanwalt trägt, dazu gibt es eine hauptamtliche Geschäftsführung. Die bekleidet Dr. Maier als Generalsekretär. Daher ist das neben meinem anderen Job zu machen. An meiner Aufgabe in der RZB ändert sich nichts. Aber ich werde das eine oder andere aufgeben, um mehr Platz zu haben.

Bei Buchbinder war früh klar, welchen Weg er geht: Er war ein Wunderkind. Wann war bei Ihnen die berufliche Richtung klar?
Rothensteiner: Wunderkind war auf keinen Fall das Thema bei mir. In Wahrheit ging es darum: Was studierst du? Da meine Eltern nicht so gesegnet waren mit Einkünften, haben sie gesagt: Eher kein langes Studium. Ich habe Welthandel studiert und daneben ein bissl Publizistik. Dann habe ich mit 20, 21 gesagt: Jetzt mach ich eine ordentliche Ferialpraxis. Über einen Bekannten landete ich 1974 hier im Haus. Als ich mein Studium abgeschlossen habe, war ich schon einige Jahr bei Raiffeisen. Jetzt bin ich im 38. Jahr.

Wäre ein künstlerischer Beruf ein Traum gewesen?
Rothensteiner
: Ich bin heute noch meinen Eltern gram. Ich hab mich aus früher Auflehnung gewehrt, dass sie mich zu einem Musikinstrument zwingen. Sie hätten mich aber zwingen sollen.

Ist Kunst für Sie heute eine Ergänzung zum Wirtschaftsleben? Eine Entspannung?
Rothensteiner:
Ich habe ein bissl einen Horror vor Managern, mit denen man ausschließlich über ihr Geschäft reden kann.
Buchbinder: Das ist so, wie wenn man mit Kollegen nur über Fingersätze reden kann.
Rothensteiner: Ich erinnere mich noch an unseren Vorvorvorgeneralanwalt Rudolf Rasser. Mit dem hat man sich als Jungspund eine Stunde über die Uffizien unterhalten können. Es darf nicht passieren, dass man nur über Euro und Griechenland nachdenkt.

Wie sieht es mit Applaus aus? Bei einem Künstler ist es relativ klar: Wenn er gut spielt, kriegt er ihn. Wie ist das im Bankenwesen?
Rothensteiner: In der jetzigen Situation gilt der Spruch: Net g’schimpft is’ g’lobt gnua. Unsere Branche muss momentan für alles herhalten, was sie gar nicht gemacht hat. Deshalb sage ich immer: Ich spreche nur über die Hausbank. Unter Hausbank versteht jeder, in die Raiffeisenkasse zu gehen und dort eine freundliche Dame oder einen freundlichen Herren zu treffen. Bank, das sind die bösen, internationalen Investmentbanken, die sich hohe Boni leisten. Auch bei den Umfragen werden da große Unterschiede gemacht. Aber wir werden jetzt einmal alle gemeiniglich als Banken geschimpft.

Rothensteiner: “Net g’schimpft is’ g’lobt gnua“

Von einem Vertrauensverhältnis zu einem internationalen Schreckgespenst ...
Rothensteiner
: Das ist genau der Punkt: Wenn man nicht täglich hören und sehen würde, wie das überall ist, wäre ja die Krise in Österreich gar nicht angekommen.
Buchbinder: Gibt es sie in Österreich überhaupt?
Rothensteiner: Ich sehe sie nicht.
Buchbinder: Der Letztverbraucher hat am wenigsten darunter gelitten.

Gibt es konkrete Ziele als Generalanwalt?
Rothensteiner
: Ich glaube, 18 Jahre Christian Konrad haben diese Organisation sehr ordentlich weitergebracht. Ich halte daher nichts davon, programmatische Änderungsvorstellungen zu haben. Wenn ich der Meinung wäre, hätte ich mich seit 15 Jahren artikulieren können. Ein wesentliches Thema ist jedenfalls, auf die Umgebung zu reagieren, was jetzt alles passiert. Und langfristig unsere Linie nicht zu verlieren. Immer unter der Überschrift: Kunden und Mitglieder.
Buchbinder: Gute Traditionen soll man pflegen, schlechte abschaffen.

Apropos Traditionen: Wird es das Sauschädelessen mit den Größen der Republik weiterhin geben?
Rothensteiner: Selbstverständlich.

Bei Bankern gab es zuletzt Diskussionen über Gagen und Bonitätszahlungen. Auch Künstler sind mit Neid konfrontiert. Dennoch: Wer von Ihnen verdient mehr?
Rothensteiner: Weiß ich nicht. Wir tauschen unsere Lohnzettel und Steuererklärungen nicht aus. Aber wir werden vielleicht in ähnlichen Dimensionen sein.
Buchbinder: Glaube ich auch.

Spüren Sie das Thema Neid?
Rothensteiner
: Wenn bei einem Fußballer erzählt wird, wie viele Millionen er verdient, regt das niemanden auf. Wenn jemand wie Rudi Buchbinder 100 Konzerte pro Jahr spielt, mit diesem Repertoire, dieser Perfektion, dann darf das auch niemanden aufregen. Tut es auch nicht. Wenn ein Banker dafür sorgt, dass 60.000 Leute einen ordentlichen Job haben und die Kunden zufrieden sind, wird über jeden 20.000-Euro-Betrag diskutiert, ob ihm das zusteht. Ich bin keiner, der sagt, die Leiter müssen den 100-fachen Bonus der Mitarbeiter haben. Das gibt’s in Österreich auch nicht. Die Überschriften holen uns aber ein. Wenn jemand irgendwo auf der Welt abstruse Summen zahlt, heißt es sofort: Banken zahlen irre Boni.

Sie beide eint auch die Liebe zur Technik. Wie äußert sich das?
Rothensteiner
: Also bei ihm sind es Autos. Bei mir alles, was elektronische Maschinen sind.
Buchbinder: Elektronische Maschinen, bevor sie noch erschienen sind ...
Rothensteiner: Als ich 1995 in der RZB bestellt wurde, hat mich Christian Konrad überall als den neuen Nintendo-General vorgestellt. Ich habe leider ein bisschen zu wenig Zeit, um mich mit allem zu spielen, was es gäbe. Aber die neuesten Gadgets sollte man haben.
Buchbinder: Allein das Archiv, das er hat ...
Rothensteiner: Ich kann im Handy jederzeit alle Konzerte abrufen. 241 verschiedene Stücke, die Buchbinder gespielt hat. Das sind 60, 70 Konzerte, die ich von ihm gehört habe. Da steht genau wann, wo ...

Der Bereich, wo Geld und Kunst am unmittelbarsten aufeinandertreffen, ist Sponsoring. Wie viel privates Geld verträgt die Kunst? Und wie viel Kunst das Geldwesen?
Buchbinder: Früher hat es das Mäzenatentum gegeben. Ein Haydn wäre ohne Esterházy nichts, ein Beethoven ohne Lobkowitz nichts. Diese Rolle hat der Staat übernommen, das ist eine sehr verantwortungsvolle Sache. Aber das richtig zu handhaben, ist sehr schwierig. So gesehen ist Privatsponsoring eines der wichtigsten Themen der heutigen Zeit. Kultur kann ohne Sponsoring nicht existieren. Was ich jedoch bedaure: Dass man in einem Kulturland wie Österreich Kunstsponsoring nicht komplett absetzen kann. Das ist für mich unbegreiflich.
Rothensteiner: Es gehört dazu, dass wir als Raiffeisen Kunst fördern. Wir sehen uns als Teil dieser Gesellschaft. Wir wollen die Vielfalt erhalten. In letzter Zeit wird es uns aber ein bissl schwer gemacht, weil viele Institutionen, die wir auch sponsern, dem Bund zugehörig sind. Wenn man uns dann wahllos mit Bankensteuern zusätzlich eindeckt, die der Bund kassiert, heuer 600 Millionen Euro, dann fehlt das Geld irgendwo. Eigentlich müsste man konsequent sein: Dann kann man Institutionen, die vom Staat getragen werden, nicht mehr fördern, weil wir haben ja schon bezahlt. Das Problem ist nur: Es trifft die Falschen. Daher bemühen wir uns, in einem entsprechenden Ausmaß weiterzutun.
Buchbinder: Ist es nicht auch eingeschränkt durch dieses blöde Anfütterungsverbot?
Rothensteiner: Das kommt noch dazu. Aber das Anfütterungsthema hat für mich noch eine Dimension: Dieses Land funktioniert so gut, weil die Leute einander kennen und miteinander reden. Reden und einander kennenlernen tut man, indem man miteinander fortgeht. Und wenn ein Schnitzel kriminalisiert wird, ist das genau gegen die Grundintention, warum dieses Land funktioniert.

Sie sind auch Aufsichtsrat der Staatsoper: Werden Sie in dieser Funktion tätig bleiben?
Rothensteiner
: Ja, selbstverständlich. Die Frau Bundesminister hat mich als einen der Sachverständigen bestellt. Und wir machen das mit viel Freude. Noch dazu, wo die jetzige Operndirektion gezeigt hat, dass es auch ein Leben nach Holender gibt. Sie hat sogar ein kräftiges Lebenszeichen gesetzt.

Österreich ist zweifellos eine Kulturnation. Ist es gleichermaßen auch ein Wirtschaftsland?
Rothensteiner
: Der Österreicher ist bekannt dafür, dass er über alles meckert. Wenn man sich aber die Vergleiche anschaut, ist das Land wirtschaftlich schwer in Ordnung. Wir gehören zur Topliga. Ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte.

Sie sind beide beruflich in der Topliga. Wenn man Buchbinder auf der Straße sieht, erkennen ihn sicher mehr Leute. Sind Sie glücklich mit dieser Rolle?
Rothensteiner: Ich bin glücklich, dass den Rudi so viele erkennen. Das hat er sich in seiner langen Karriere wirklich verdient. Zu meinem Job gehört nicht unbedingt, dass mich die Leute erkennen, sondern, dass sie zufrieden sind, dass wir ordentliche Leistungen bringen. Ich kann damit gut leben.
Buchbinder: Ich würde sagen, der diesbezügliche Geltungstrieb hält sich in Grenzen bei dir.

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