Landau: "Es gibt Gerechtigkeitslücke"

Landau: "Es gibt Gerechtigkeitslücke"
Die EU muss eine Sozialunion werden, fordert Caritas-Direktor Michael Landau.

Caritas-Direktor Michael Landau warnt, die Ursache der Schuldenkrise im Sozialstaat zu sehen. "Die Ursache ist die Gier einzelner, unverantwortlicher Manager und Politiker." Landau fordert ein soziales Europa und mehr Hilfe Österreichs im Kampf gegen Armut und Hunger in der Welt.

KURIER: Herr Landau, die Europäische Bischofskonferenz warnt vor einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone. Sie fordert auch mehr europäische Integration. Warum?

Michael Landau: Die Bischöfe sorgen sich um die Zukunft Europas. Es gibt bei uns und in der EU eine Gerechtigkeitslücke. Neben der Wirtschaftsunion brauchen wir auch eine Sozialunion in Europa.

Eine einseitige Ausrichtung der Wirtschaft auf Gewinnmaximierung ist verfehlt, sagen die Bischöfe. Braucht es eine neue Werte-Debatte?

Eine Marktwirtschaft, die ausschließlich den Kapitalinteressen dient, ist nicht sozial. Je größer das Gefälle zwischen Arm und Reich, desto nötiger ist Umverteilung. Soziale Gerechtigkeit ist ein zentraler Wert der EU.

Was bezwecken Europas Bischöfe mit ihrem Appell?

Sie wollen Nachdenklichkeit und Widerspruch in Wirtschaft und Politik auslösen. Leopold Ungar hat gesagt: "Christus hat die Kirche nicht zum Jasagen gestiftet, sondern als Zeichen des Widerspruchs." Die EU darf nicht nur das Finanzsystem stabilisieren, sie muss auch das Sozialsystem stärken.

Wird sich durch Staatspräsident François Hollande und seiner Forderung nach mehr Wachstum und Beschäftigung etwas ändern?

Generationen-Gerechtigkeit erfordert Sparen, der Fokus darf aber nicht auf Sparen allein fixiert sein. Um Menschen von Armut zu befreien, ist Geld nötig. Die Zukunft ist nicht, sich zu Tode zu sparen oder sich zu Tode zu fürchten. Europa muss den Menschen eine Perspektive geben.

Welche Perspektive? In Spanien leben 26 Prozent der Jungen unter der Armutsgrenze, 52 Prozent der bis zu 25-Jährigen sind arbeitslos.

Es ist brandgefährlich für eine Gesellschaft, wenn die Botschaft an Junge ist, sie seien überflüssig. Das ist eine massive Hypothek auf die Zukunft. Hier setzen die Bischöfe an: Niemand darf am Rand zurückgelassen werden, das ist ein schwerer Verstoß gegen soziale Gerechtigkeit.

Was sagen Sie jenen, die auf einen Staatsbankrott, etwa Griechenlands, spekulieren?

Eine Logik, die daraus Gewinn zieht, dass Länder zusammenbrechen, ist sozial obszön und auch wirtschaftlich kurzsichtig. Eine Gesellschaft, in der Menschen in Verzweiflung gestürzt werden, ist auf Dauer nicht stabil.

Die Caritas lädt Anfang Juni zu einer internationalen Konferenz gegen Hunger in Wien ein. Was ist das Ziel?

Es ist der größte Skandal der Menschheit, wenn täglich 7000 Kinder an Hunger und Unterernährung sterben. "Das ist Mord", sagt Jean Ziegler. Wir brauchen mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, mehr Klimaschutz, keine Landraub-Geschäfte und ein Verbot auf Lebensmittel-Spekulationen. Eine EU-Agrarreform muss Hunger bekämpfen und darf nicht zu unfairem Handel durch subventionierte Produkte führen.

Wie wollen Sie Politiker für Ihre Forderungen gewinnen?

Angesichts der globalen Tragödie darf niemand schweigen. Mehr als 13 Millionen Menschen in der Sahelzone sind gefährdet, an Hunger zu sterben. Wenn uns die Bilder hungernder Kinder erreichen, ist es zu spät.

Macht Österreich genug im Kampf gegen Armut und Hunger?

Bei der Entwicklungszusammenarbeit rittert Österreich mit Portugal und Griechenland um die rote Laterne. Das ist kein Ruhmesblatt. Weitere Kürzungen stehen unmittelbar bevor. Migration und Entwicklungszusammenarbeit gehören verbunden, um Menschen in ihren Heimatländern echte Perspektiven zu geben. Deshalb sollte das Integrationsstaatssekretariat um Migration und Entwicklungszusammenarbeit erweitert und im Bundeskanzleramt angesiedelt werden. Schon Kardinal König erinnerte: "Wir leben auf einer Insel. Früher hieß sie Österreich, dann Europa, heute umfasst sie die gesamte Welt."

 

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