Unabhängige Justiz: Neue Details zum Bundesstaatsanwalt
Das Justizministerium übermittelt heute seinen zweiten Zwischenbericht zum Projekt Bundesstaatsanwalt an das Parlament. Ein finales Modell steht noch nicht fest - wann es soweit sein wird, ist offen.
Der Zwischenbericht wurde von einem 26-köpfigen Expertengremium erarbeitet. Erstmals sind auch abweichende Meinungen - die "dissenting opinions" - ausgewiesen.
Dem KURIER liegt das Papier vor, das sind die wichtigsten Punkte:
Die Position in der Justiz:
Derzeit entscheidet die Justizministerin als oberste Spitze über Anklage oder Einstellung in einem Strafverfahren, an dem ein öffentliches Interesse besteht (beispielsweise Verfahren gegen Politiker, siehe Ibiza-Causa) besteht. Beraten wird die Ministerin dabei von einem Weisungsrat.
Der Bundesstaatsanwalt soll nun nicht vollständig an die Stelle der Ministerin treten, sondern nur ein Kontrollorgan innerhalb der Gerichtsbarkeit sein.
Nach rechtskräftigem Abschluss eines Strafverfahrens soll es - ähnlich wie jetzt - eine parlamentarische Kontrolle geben. Die Abgeordneten können die Tätigkeit des Bundesstaatsanwalts über ihr Interpellationsrecht kontrollieren.
Die "dissenting opinion" bei diesem Punkt lautet, dass es eine unmittelbare parlamentarische Kontrolle geben soll (dazu weiter unten mehr).
Die Bestellung:
Im ersten Schritt soll ein Personalsenat mindestens drei Kandidaten vorschlagen, die sich für den Posten des Bundesstaatsanwalts eignen würden. Basierend darauf gibt es einen Vorschlag der Bundesregierung bzw. der Justizministerin, anschließend erfolgt die Ernennung durch den Bundespräsidenten.
Die Kandidaten:
Voraussetzung für die Kandidaten ist ein Richteramt und mindestens zehn Jahre "herausragende Expertise im Strafrecht", steht in dem Zwischenbericht. Auch profilierte Personen aus Uni-Lehre und Wissenschaft sind möglich. Eine praktische Expertise als Staatsanwalt gilt ebenfalls als Vorteil.
Die Amtszeit:
Neu ist: Die Amtszeit soll unbefristet sein und erst mit dem 65. Lebensjahr enden - ähnlich wie bei Verfassungsrichtern, deren Amtszeit mit dem 70. Lebensjahr endet.
Die abweichende Meinung ist, dass das Amt zeitlich befristet sein soll, allenfalls auch ohne Chance auf Wiederbestellung.
Die Aufgaben:
Weisungen und Berichtspflichten soll es innerhalb der Staatsanwaltschaften weiterhin geben. Gleich bleibt auch der Instanzenzug über drei Stufen: Eine Staatsanwaltschaft übermittelt ihr Vorhaben an die Oberstaatsanwaltschaft, diese leitet es dann aber nicht mehr das Ministerium weiter, sondern an den Bundesstaatsanwalt.
Die Dienstaufsicht über den Bundesstaatsanwalt hat die Justizministerin, über Disziplinaranzeigen entscheidet weiter das Disziplinargericht. Auch das Personalmanagement und die Budgethoheit bleiben bei der Ministerin.
Die Organisation:
Die monokratische Struktur bleibt, es gibt keine Doppelsitze, sagen die Experten in der Arbeitsgruppe. Diskutiert wird noch, ob die Entscheidungsfindung in einem Senat stattfinden soll.
Nach derzeitigem Diskussionsstand wird die Generalprokuratur - derzeit "höchster Staatsanwalt der Republik" (aber mit anderen Aufgaben) im neuen Bundesstaatsanwalt aufgehen.
Die kniffeligen Punkte
Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage der parlamentarischen Kontrolle - ein kniffliger Punkt, wie schon zu Beginn klar war. Die ÖVP forderte eine laufende Kontrolle von Strafverfahren, etwa über einen Unterausschuss im Parlament.
Die Grünen mit Justizministerin Alma Zadić sind aber dagegen: "Politikerinnen und Politiker dürfen Verfahren nicht durch die Hintertür beeinflussen oder kontrollieren, etwa indem sie Ermittlungsschritte genehmigen."
Offen ist auch, wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in das neue Modell eingegliedert werden soll. Wie der KURIER mehrfach berichtete, will die WKStA eine Sonderstellung und von Berichtspflichten weitgehend befreit werden.
Mehraugenprinzip statt Alleinentscheidung
Zudem wird noch diskutiert, ob wirklich eine einzelne Person über Strafverfahren entscheiden soll. Ministerin Zadić sieht das anders als ihre Experten-Arbeitsgruppe und spricht sich dafür aus, dass es stattdessen ein Gremium geben soll.
„An der Spitze der Staatsanwaltschaft soll das Mehraugenprinzip gelten. Es ist der beste Garant gegen versuchten politischen Einfluss und sorgt für größtmögliche Unabhängigkeit. Für ein solches sprechen sich im Übrigen auch die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus", sagt Zadic.
Wichtig ist Zadić auch, dass die neue Bundesstaatsanwaltschaft entsprechende Ressourcen bekommt: "Echte Unabhängigkeit muss sich in den Ressourcen und Strukturen zeigen, um dauerhaft und unabhängig von den handelnden Politikerinnen und Politikern abgesichert zu sein."
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