Zuwanderung: Warum die Rot-Weiß-Rot-Karte floppt
Die Diskussionen der vergangenen Jahre mögen einen anderen Eindruck erweckt haben. Aber darüber, dass Österreichs Wirtschaft Zuwanderung braucht, herrscht zumindest unter Experten Einigkeit. Auf 50.000 Zuwanderer pro Jahr bezifferte der Migrationsrat des Innenministeriums vergangenes Jahr den durchschnittlichen Bedarf, um das Angebot an Arbeitskräften in Österreich konstant zu halten. Die entscheidende Frage ist freilich, um welche Art der Zuwanderung es sich handeln soll. 50.000 Zuwanderer pro Jahr: So viel braucht der österreichische Arbeitsmarkt durchschnittlich auf längere Sicht, um das Angebot an Arbeitskräften konstant zu halten.
Zu diesem Zweck wurde 2011 ein eigenes Instrumentarium eingeführt. Der Plan: Mit der sogenannten Rot-Weiß-Rot-Karte sollten pro Jahr zumindest 8.000 hochqualifizierte Arbeitskräfte – gebunden an strenge Auflagen – auf den heimischen Arbeitsmarkt gelockt werden. Die Realität sieht freilich anders aus. 2015 wurden lediglich knapp 1.200 Karten ausgegeben, 2016 waren es 1.800. Und heuer hat das AMS bis Ende Juli rund 1.000 Anträge bewilligt.
Die Bundesregierung vereinbarte daher bereits eine Aufweichung der Auflagen, damit etwa auch Bachelor-Absolventen um eine Rot-Weiß-Rot-Karte (RWR-Karte) ansuchen können. Dazu wird die Gültigkeit von zwölf auf 24 Monate ausgeweitet. In Kraft treten wird die Änderung mit Oktober. Auch die Anfangs geltende Regelung, dass bereits bei Antragsstellung ein fixer Arbeitsvertrag nachgewiesen werden muss, soll abgeschafft werden.
Dass die Zahlen dennoch nicht anziehen, liege vor allem daran, dass der bürokratische Ablauf zu kompliziert sei, erklärt Integrationsexperte Heinz Faßmann im Ö1-Morgenjournal. „Es dauert zu lange, um einen ukrainischen Molekularbiologen nach Österreich zu bringen. Die betreffende Person sagt dann: Na dann gehe ich lieber nach Großbritannien oder in die USA.“
Migranten bevorzugen Asylsystem
Und: Auch sechs Jahre nach ihrer Einführung sei die Rot-Weiß-Rote-Karte im Ausland weitestgehend unbekannt. Deshalb könnten viele Menschen aus Nicht-EU-Staaten eher versuchen, Asyl in Österreich zu bekommen, vermutet Faßmann. Und zwar egal, ob sie schutzbedürftig im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sind, oder nicht.
Als Flop sieht der Integrationsexperte die Rot-Weiß-Rot-Karte aber nicht. Sie sei grundsätzlich ein vernünftiges Instrument zur Steuerung der Arbeitsmigration aus Drittstaaten, heißt es auch in dem von Faßmann mitverfassten Integrationsbericht 2017, der am Mittwoch präsentiert wurde.
Wirtschaftsvertreter fordern aber weitere Erleichterungen für die RWR-Karte, wie eine Senkung des Mindesteinkommens für Bachelor-Absolventen von derzeit rund 2.200 Euro brutto. Auch die Liste der Mangelberufe soll ausgedehnt werden – unter anderem sollen hier künftig auch Kellner berücksichtigt werden.
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