Warum der Koch kein Mangelberuf ist

Erfolgreiche heimische Köche bei der Kocholympiade in Erfurt.
Analyse: Gezeter um die Fachkräfteverordnung löst die Probleme am Tourimus-Arbeitsmarkt nicht.

Gibt es zu wenige Köche und Kellner in Österreich? Trotz 60.000 Arbeitslosen allein in den Tourismusberufen suchten viele Tourismusbetriebe in den Skigebieten Tirols und Salzburgs vor Beginn der Wintersaison verzweifelt nach geeignetem Personal. Die Rekrutierung ist längst nicht mehr auf die nationalen Grenzen beschränkt, seit 2014 kann Küchenpersonal auch aus allen EU-Mitgliedsstaaten (mit Ausnahme von Kroatien) angeworben werden.

Den Touristikern ist der EU-Personalpool zu klein, sie wollen Köche und Kellner auch aus Ländern außerhalb der EU einstellen können. Die Forderung nach Aufnahme in die so genannte Mangelberufsliste für das Jahr 2017 blieb unerhört. Das Sozialministerium definiert mit Hilfe des AMS jedes Jahr bestimmte Berufe, für die es zuwenige Bewerber bei offenen Stellen gibt. Für diese so genannten Mangelberufe gemäß Fachkräfteverordnung kann eine Rot-Weiß-Rot-Karte für ein Jahr Aufenthalt beantragt werden. Voraussetzung ist eine entsprechende Qualifikation. Weitere Details siehe hier.

Elf Berufe

Folgende Berufe gelten 2017 als Mangelberufe: Fräser, Techniker mit höherer Ausbildung (Ing.) für Maschinenbau, Schwarzdecker, Dreher, Techniker mit höherer Ausbildung (Ing.) für Datenverarbeitung, Techniker mit höherer Ausbildung (Ing.) für Starkstromtechnik, Diplomingenieur für Maschinenbau, Dachdecker, Sonstige Techniker für Starkstromtechnik, Diplomingenieur, sowie Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger, die ihre im Nostrifikationsbescheid des Landeshauptmannes vorgeschriebene Ergänzungsausbildung bis Ende 2016 begonnen haben. Köche und Kellner sind auch weiter keine Mangelberufe.

Hohe Arbeitslosigkeit

Das Sozialministerium begründet die Entscheidung mit den akutell 60.000 Arbeitslosen in der Beherbergung und Gastronomie innerhalb Österreichs. Demgegenüberstehen rund 5800 beim AMS gemeldete offene Stellen in Tourismusberufen. Damit kommen mehr als zehn Arbeitssuchende auf eine offene Stelle. Selbst in den "Tourismusbundesländern" kommen aktuell zumindest sieben Arbeitssuchende auf eine offene Stelle, heißt es vom Ministerium.

Damit entschied das Ministerium ganz im Sinne der Dienstleistungsgewerkschaft vida, die vor dem Import von Billigarbeitskräften warnt. Sie fordert stattdessen die Arbeitgeber auf, für hochwertige Ausbildung und faire Arbeitsbedingungen zu sorgen. Die Wirtschaftskammer wiederum fühlt sich überrumpelt. "Dass der Wintertourismus verzweifelt Fachkräfte sucht, wird vom zuständigen Sozialminister Stöger völlig ignoriert", kritisierte WKÖ-Sparten-Obfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher. Auch der Vorschlag der Bundessparte Tourismus, eine regionale Betrachtung der Stellenandrangszahlen vorzunehmen, sei vom Tisch gewischt worden, obwohl das Gesetz dies zulassen würde.

Regionale und strukturelle Probleme

Tatsächlich gibt es den Personalmangel in der Küche nicht österreichweit, sondern nur in bestimmten Tourismusorten und nur zu bestimmten Zeiten. Gesucht werden zum Teil auch keine Ganzjahresstellen, sondern Saisonstellen, die an sich weniger attraktiv sind. Die Tiroler konkurrieren hier auch mit Schweizer Tourismusbetrieben, die noch besser bezahlen und daher gutes Personal aus Österreich abziehen. Dazu kommt, dass die lokale Jugend oft lieber eine höhere Schule besucht und immer weniger eine Lehre im Tourismus anstrebt. Es fehlt also der Nachwuchs, was durch den Geburtenrückgang noch verschärft wird.

Zugleich werden gute Ausbildungsbetriebe seltener. Wozu noch Lehrlinge ausbilden, wenn EU-weit Personal rekrutiert werden kann? Statt nachhaltiger Personalplanung erscheint kurzfristiges "Hire-and-Fire" lukrativer, hohe Lohnnebenkosten und bürokratische Hürden werden da gerne als Argument angeführt. Teilweise zu recht. Die Folge kurzsichtiger Personalpolitik ist ein Imageschaden für die ganze Branche, unter den auch gute Ausbildungsbetriebe zu leiden haben.

Und die vielen Arbeitslosen? Ihnen wird gerne mangelnde Mobilität vorgeworfen. Tatsächlich kann das Wiener AMS kaum arbeitslose Köche und Kellner nach Tirol vermitteln. Etliche von ihnen wollen auch gar nicht mehr im Tourismus arbeiten, sondern in anderen Branchen Fuß fassen. Die Fluktuation ist riesig, das Durchschnittsalter das mit Abstand niedrigste aller Branchen. Ältere Arbeitslose haben gegen junge Billigkräfte aus dem Ausland schlechte Karten, auch deshalb steigt die Arbeitslosigkeit.

Fazit: Im Tourismus gibt es viele hausgemachte Probleme, die mit der Freigabe des Arbeitsmarktes für Nicht-EU-Bürger keineswegs gelöst sind. Ein schon vor Wochen angekündigter "Tourismusgipfel" zwischen den Sozialpartnern ist überfällig.

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