Migranten zurückweisen, ohne zu prüfen: "Das geht überhaupt nicht"

Migranten zurückweisen, ohne zu prüfen: "Das geht überhaupt nicht"
Rechtsexperten Obwexer und Janik schlagen Alternative zur ÖVP-Idee einer "Zurückweisungsrichtlinie" vor.

von Raffaela Lindorfer und Oliver Wild

Die Europäische Menschenrechtskonvention, die EU-Grundrechte-Charta, die Genfer Flüchtlingskonvention, die Anti-Folter-Konvention und wohl auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte der UNO: Die Liste an völkerrechtlichen Verträgen und Gesetzen, die geändert werden müssten, um eine zentrale Forderung der ÖVP zu erfüllen, ist lang. Sehr lang. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, geht gegen null.

Was ÖVP-Innenminister Gerhard Karner wohl nicht davon abhalten wird, seine Idee einer „Zurückweisungsrichtlinie“, die in seinem Fünf-Punkte-Plan zum Asylwesen enthalten ist, weiter zu propagieren.

Nun hat er überraschend einen Fürsprecher dazugewonnen: Georg Dornauer, SPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter in Tirol, hat nach einem Treffen mit Karner verlautbart, dass er ihn in seiner Forderung unterstützen werde: „Auch, wenn es rechtlich schwierig ist.“ 

„Rechtlich schwierig“ ist ein Euphemismus. „Es geht überhaupt nicht“, sagt Walter Obwexer, Experte für Europa- und Völkerrecht. Und das müssten die Rechtsexperten im Innenministerium auch wissen – Obwexer berät sie regelmäßig. 

Migranten zurückweisen, ohne zu prüfen: "Das geht überhaupt nicht"

Walter Obwexer

Die Idee der Richtlinie ist, dass Migranten, die aus sicheren Herkunftsländern kommen, zurückgewiesen werden sollen – ohne Einzelfallprüfung, ohne  Asylverfahren.

Argumentiert wird mit der Schutzrichtlinie, die die EU wegen des Ukraine-Krieges erlassen hat: Ukrainer bekommen ohne Einzelfallprüfung und ohne Asylverfahren ein befristetes Bleiberecht.

Der Vergleich hinkt, sagt sowohl Obwexer als auch Fachkollege Ralph Janik:  Ukrainer bekommen pauschal einen Vorteil – etwas, das über deren Grundrechte hinausgeht. Dass andere Staatsbürger einen Nachteil haben und in ihren Menschenrechten beschnitten werden sollen, gehe nicht, sagt Janik. 

Migranten zurückweisen, ohne zu prüfen: "Das geht überhaupt nicht"

Ralph Janik

Laut Europa- und Völkerrecht darf jeder Mensch einen Asylantrag stellen – pauschale Abweisungen sind damit unvereinbar. Jedem Asylwerber steht zumindest eine Grobprüfung seines Falles zu. 

Will man das nicht mehr, dann müssten die EU-Staaten, wie eingangs erwähnt, eine Reihe von Abkommen und Gesetzen ändern. Die ÖVP hat schon einmal angeregt, die Europäische Menschenrechtskonvention gehöre überarbeitet – weit ist sie damit nicht gekommen (der KURIER berichtete). 

Schnellverfahren

Alternativ schlagen Obwexer und Janik vor: Alle EU-Staaten sollten sich auf eine Liste der „sicheren Herkunftsländer“ einigen, dann bräuchte es einheitliche Kriterien für die Grobprüfung bei Personen, die aus diesen Ländern kommen, damit an allen EU-Grenzen dasselbe gilt. 

In Österreich gibt es „Fast Track-“ bzw. „beschleunigte Verfahren“ bezüglich sicherer Herkunftsländer. Im Idealfall kann laut Innenministerium innerhalb von 72 Stunden entschieden werden. 2022 gab es 23.300 Entscheidungen im Schnellverfahren.

Entscheidend ist am Ende, ob das Herkunftsland den Abgewiesenen zurücknimmt. Auch darum müsste sich die EU kümmern.

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