Wöginger will Menschenrechtskonvention überarbeiten - Grüne dagegen

ÖVP-Klubobmann August Wöginger
Der ÖVP-Klubobmann sieht Überarbeitungsbedarf bei der Menschenrechtskonvention. Von den Grünen hieß es umgehend, diese Frage sei "nicht verhandelbar".

In ihren Bemühungen um eine Reform des EU-Asylrechts nimmt die ÖVP nun auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ins Visier. "Auch die Menschenrechtskonvention gehört überarbeitet. Wir haben mittlerweile eine andere Situation, als es vor ein paar Jahrzehnten der Fall war, als diese Gesetze geschrieben wurden", sagte ÖVP-Klubchef August Wöginger der Tageszeitung Der Standard. Von den mitregierenden Grünen hieß es umgehend, diese Frage sei "nicht verhandelbar".

Welche Änderungen Wöginger genau fordert, blieb unklar. Eine entsprechende schriftliche APA-Anfrage vom Freitagabend blieb bis dato unbeantwortet. Die EMRK wurde im Jahr 1950 vom Europarat ausgearbeitet, dem alle europäischen Staaten mit Ausnahme von Belarus und Russlands angehören. Für Österreich hat die EMRK eine besondere Bedeutung, steht sie doch hierzulande im Verfassungsrang. Anders als andere Staaten hat Österreich keinen eigenen umfassenden Grundrechtskatalog. Über die Einhaltung der EMRK wacht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), eine von der Europäischen Union unabhängige Institution.

Wöginger nannte die Menschenrechtskonvention, als er gefragt wurde, ob das europäische Asylrecht überarbeitet gehöre. "Die Europäische Union hat sieben Jahre lang verschlafen, tragfähige Lösungen zum Schutz der Außengrenzen auf den Tisch zu legen. Das ist ein Aufruf in Richtung Europa, in die Gänge zu kommen", betonte er und verwies darauf, dass Österreich "derzeit die zweitstärkste Pro-Kopf-Belastung innerhalb Europas" habe. Mitte Oktober hatte bereits Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) scharfe Kritik an der EU-Kommission geübt und die Erwartung geäußert, dass sie in der Asylpolitik "in die Gänge kommt". Änderungen an der EMRK forderte er aber nicht.

Für Grüne Europäische Menschenrechtskonvention nicht verhandelbar

Keine Unterstützung für seinen Vorstoß hat Wöginger beim Koalitionspartner. "Nein, ÖVP. Das ist #nichtverhandelbar", schrieb der Grüne Sicherheitssprecher und Rechtsanwalt Georg Bürstmayr am Samstagnachmittag auf Twitter.

Es gebe bei der EMRK "keinerlei Änderungsbedarf", hieß es von den Grünen am Samstag gegenüber ORF.at. Die Menschenrechtskonvention sei "eine großartige Errungenschaft der europäischen Staatengemeinschaft" und sichere "die Einhaltung der Menschenrechte". "Die ÖVP ist aufgerufen, sich an der tatsächlichen Lösung der Probleme zu beteiligen, anstatt populistische Ablenkungsmanöver zu starten und die Menschenrechte infrage zu stellen."

"Menschenrechte sind unteilbar. Und die Europäische Menschenrechtskonvention ist Antwort Europas auf den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust. Das Rütteln an Grund- und Menschenrechten halte ich für inakzeptabel", betonte Caritas-Präsident Michael Landau in einem Tweet als Reaktion auf den Wöginger-Vorschlag.

Durch Wögingers Vorschlag werde "ein Grundkonsens der Zweiten Republik in Frage gestellt. Da geht es um die gleiche Würde des und jedes Menschen vom behinderten Kind bis zum sterbenden Greis. All das ist nicht verhandelbar. Daher muss ein solcher Vorstoß scharf zurückgewiesen werden."

Genugtuung bei FPÖ

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz äußerte sich mit Genugtuung und Kritik. Die ÖVP übernehme nämlich "einen Ansatz der FPÖ, für den Herbert Kickl in seiner Zeit als Innenminister skandalisiert worden sei", hieß es am Samstag in einer FPÖ-Aussendung. "Diese Konvention stammt noch aus Zeiten, in denen eine neue Völkerwanderung undenkbar war. Sie sollte daher an die heutige Zeit angepasst werden, um den Missbrauch des hohen Guts Asyl für illegale Masseneinwanderung abzustellen", signalisierte Schnedlitz Zustimmung für den Vorstoß Wögingers. Zugleich hielt er ihm vor, sich in der Migrationsfrage "auf den Schutz der EU-Außengrenzen hinauszureden", was eine "Verhöhnung der heimischen Bevölkerung" sei.

Kickls Forderung

Der jetzige FPÖ-Chef Kickl hatte schon als FPÖ-Generalsekretär im Jahr 2015 eine Änderung der EMRK oder ihren Ersatz durch eine "Österreichische Menschenrechtskonvention" gefordert. Der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) reagierte empört. Wer dies verlange, "bewegt sich in Österreich außerhalb des Verfassungsbogens", so Brandstetter damals.

Als Kickl als Innenminister Anfang 2019 neuerlich die Menschenrechtskonvention hinterfragte und dabei meinte, "dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht", wurde er vom damaligen Justizminister Josef Moser (ÖVP) zurechtgewiesen. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte Kickls Rütteln an der EMRK. Das "wäre ein Aufkündigung des Grundkonsens der Zweiten Republik", so Van der Bellen damals auf Twitter.

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