"Zu wenig, zu spät": Kein gutes Zeugnis für Impfkampagne der Regierung

"Zu wenig, zu spät": Kein gutes Zeugnis für Impfkampagne der Regierung
Die Regierung sei mit ihrer Kampagne unpräzise auf die Zielgruppen eingegangen, so das Fazit von Experten im KURIER-Gespräch.

Kommende Woche wird es ernst mit der Impfpflicht: Am Montag ist das türkis-grüne Gesetz im Gesundheitsausschuss, am Donnerstag folgt der Beschluss im Nationalrat.

Die Impfpflicht sei die „Ultima Ratio“, das letzte Mittel, betonen die Verantwortlichen. Allerdings gibt es Zweifel, ob wirklich alle Mittel ausgeschöpft wurden, um die Menschen zur Impfung zu bringen. Was Informationskampagne und Werbung betrifft, stellen zwei Experten der Regierung im KURIER-Gespräch kein gutes Zeugnis aus: zu wenig, zu spät, zu unpräzise.

Was braucht es – bzw. was hätte es gebraucht? Florian Spitzer, Verhaltensökonom am Institut für Höhere Studien (IHS), nennt drei Punkte. Erstens: Die Regierung hätte von Anfang an offensiver informieren und aufklären sollen, um Falschinformationen direkt entgegenzuwirken. „Wichtig ist auch, zu verstehen, was die Ängste und Bedenken sind und sie gleich abzufangen.“

Lesen Sie hier die Einschätzung von Yussi Pick zur Fake-News-Kampagne von "Österreich impft": 

"Zu wenig, zu spät": Kein gutes Zeugnis für Impfkampagne der Regierung

Ein totaler Fehlgriff nach dem Prinzip: „Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten“, ist laut Yussi Pick die Fake-News-Kampagne der Initiative „Österreich impft“: Was hängen bleibt, ist die Falschinformation, die Richtigstellung geht unter. Besser seien die Corona-Mythen-Plakate der Stadt Wien. Erstens, weil „Mythen“ ein besserer Begriff sei, zweitens, weil es sie in mehreren Sprachen gibt – das sei zielgruppengerecht und umfassend, sagt Pick. Und: „Im Stadtbild fallen die Plakate auf.“ 

"Zu wenig, zu spät": Kein gutes Zeugnis für Impfkampagne der Regierung

Ein totaler Fehlgriff nach dem Prinzip: „Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten“, ist laut Yussi Pick die Fake-News-Kampagne der Initiative „Österreich impft“: Was hängen bleibt, ist die Falschinformation, die Richtigstellung geht unter. Besser seien die Corona-Mythen-Plakate der Stadt Wien. Erstens, weil „Mythen“ ein besserer Begriff sei, zweitens, weil es sie in mehreren Sprachen gibt – das sei zielgruppengerecht und umfassend, sagt Pick. Und: „Im Stadtbild fallen die Plakate auf.“ 

Zweitens müsse der Zugang zur Impfung so niederschwellig wie möglich sein, drittens hätte der Weg zur Impfung besser aufbereitet werden müssen, beispielsweise durch vorgegebene, stornierbare Termine. Infos und Angebote gibt es durchaus – aber sie kamen teilweise zu spät, sagt Spitzer: „Man ist bis zum Sommer 2021 davon ausgegangen, dass die Impfung ein Selbstläufer ist und sie eh jeder will. Das war leider eine Fehleinschätzung.“

In der Zeit haben Impfgegner und Coronaleugner an Boden gewonnen und die Zögerlichen eingesammelt. „Im Winter hat man dann Druck ausgeübt, etwa durch die 2-G-Regel in der Gastronomie, und viele Menschen noch weiter in die Ablehnung getrieben.“

PR-Profi Yussi Pick von der Agentur Pick & Barth sieht den Fehler darin, dass die Kampagnen zu klassisch über Inserate und Fernseh-Spots und zu wenig zielgruppengerecht waren. „Eine moderne Kampagne zielt nicht auf die Masse ab, sondern sie versucht, jede einzelne, kleine Gruppe zu erreichen.“ Einen Arbeiter mit Migrationshintergrund, der Angst vor Spritzen hat, müsse man anders ansprechen als eine Schwangere, die unsicher ist, was die Impfung für ihr Kind bedeutet.

Lesen Sie hier die Einschätzung von Yussi Pick zu Kampagnen mit Testimonials und für Jugendliche: 

"Zu wenig, zu spät": Kein gutes Zeugnis für Impfkampagne der Regierung

„Fake Nägel statt Fake News“ – der Spot der Stadt Wien kommt schrill, laut und bunt daher. Yussi Pick findet: „Eh lieb, aber wirkungslos.“ Der Spot will ein jüngeres Publikum ansprechen. Womit genau, erschließe sich nicht. Beim Spot von „Österreich impft“ geht es um den Drittstich. Testimonials sind Elisabeth Gürtler für eine bürgerliche und Jazz Gitti für eine bodenständigere Schicht. „Klassische Werbung, die ältere Menschen anspricht, die großteils geimpft sind“, sagt Pick.  

"Zu wenig, zu spät": Kein gutes Zeugnis für Impfkampagne der Regierung

„Fake Nägel statt Fake News“ – der Spot der Stadt Wien kommt schrill, laut und bunt daher. Yussi Pick findet: „Eh lieb, aber wirkungslos.“ Der Spot will ein jüngeres Publikum ansprechen. Womit genau, erschließe sich nicht. Beim Spot von „Österreich impft“ geht es um den Drittstich. Testimonials sind Elisabeth Gürtler für eine bürgerliche und Jazz Gitti für eine bodenständigere Schicht. „Klassische Werbung, die ältere Menschen anspricht, die großteils geimpft sind“, sagt Pick.  

Positivbeispiele

Als Positivbeispiele nennt Pick die Impf-Tombola im Burgenland und einige Aktionen in Wien: Dort hat man schon früh das Impfen ohne Termin beworben, für Aufsehen hat die Aktion mit Rocksänger Marco Pogo gesorgt, es gab mehrsprachige Info-Plakate und Anschreiben sowie einen TikTok-Kanal für eine jüngere Zielgruppe (siehe oben).

Spitzer und Pick gestehen bei aller Kritik zu, dass das Thema Corona kommunikativ heikel sei. „Wir erleben live, wie Wissenschaft funktioniert. Was am einen Tag als These aufgestellt wird, kann am nächsten durch neue Erkenntnisse widerlegt werden“, sagt Pick. Das mache es schwer, die für Werbung so wichtige stringente Linie zu halten.

Auch der Umgang mit Fake News ist ein Drahtseilakt: Häufig werde versucht, sie zu korrigieren – das funktioniert aber nur bedingt, erklärt Pick: „Weil ich dadurch die Falschinformation noch einmal wiederhole. Besser ist es, proaktiv die richtige Information zu verbreiten.“ Hinzu kommt das Dilemma: Jene, die Fake News glauben, halten diese ja für die „richtigen News“.

Lesen Sie hier die Einschätzung von Yussi Pick zur Tik-tok-Kampagne der Stadt Wien: 

"Zu wenig, zu spät": Kein gutes Zeugnis für Impfkampagne der Regierung

Die Stadt Wien betreibt den TikTok-Kanal „FAQorona“ (ein Wortspiel – sprechen Sie es laut aus). Die kurzen Videos sind ein Mix aus Humor und Info: So werden typische Einwände von Impfgegnern im einen Video persifliert, im anderen leicht verständlich aufgeklärt. In einem Clip sagt Komplexitätsforscher Peter Klimek, es gehe ihm „schon ein bisschen am Arsch“, sich ständig mit Corona beschäftigen zu müssen. Diese Art von digitaler, zielgruppengerechter Kommunikation findet Pick gut. 

Chancen

Aber wie kann man jene, die sich bisher geweigert haben, noch erreichen, bevor die Impfpflicht kommt? Spitzer und Pick raten, sich von der lauten Gruppe der Impfgegner nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, diese ließen sich von keiner noch so ausgeklügelten Impfwerbung beeindrucken. Der Fokus solle eher auf die ruhigere Gruppe der Zweifler gelegt werden. „Mit kleinen, interessanten Happen an Information, die gut aufbereitet sind, könnte man hier noch etwas bewegen“, sagt Verhaltensökonom Spitzer.

Für Ende Jänner hat das Krisengremium Gecko eine neue Kampagne mit Fokus auf den Drittstich angekündigt. Zudem wolle man Mythen rund ums Impfen adressieren, heißt es im Gesundheitsministerium: „Der Kampagnen-Impact wird weiter steigen.“

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