Eine Gesellschaft ohne Mathematikverständnis ist arm dran – das findet zumindest Mathematiker und Uni-Professor Michael Eichmair: „Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten, die Mathematik abzuschreiben“, sagt er beim Science Talk des Bildungsministeriums am Montag. Denn: „Wenn wir aufhören, uns zuzutrauen, Mathematik auf höherer Ebene zu verstehen, dann liefern wir uns vollkommen aus und nehmen uns die Möglichkeit, zu partizipieren.“
Diese Experteneinschätzung ist nicht ohne. Aber laufen wir in Österreich denn wirklich Gefahr, die Mathematik abzuschreiben?
Tatsächlich haben sie und die mit ihr verwandten Disziplinen gleich mehrere Probleme: Für viele gilt Mathematik immer noch als „Angstfach“, in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaft, Technik) mangelt es an Fachkräften, und an den Schulen fehlen besonders in Wien Lerhrkräfte für Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer. „In einzelnen Regionen sowie Unterrichtsfächern kommt es immer wieder zu Engpässen“, bestätigt auch das Bildungsministerium. Die Bildungsdirektionen hätten mit Hochdruck daran gearbeitet, dass die Unterrichtsstunden trotzdem gehalten werden können.
Wie? Das obliegt laut Ministerium der Schulleitung, die vor Ort das Personal entsprechend organisieren müsse. Teilweise behilft man sich, indem Lehramtsstudenten mit Sonderverträgen angestellt werden.
Warum aber hat die Mathematik so ein Imageproblem? Das beginne oft schon, bevor ein Kind zum ersten Mal in Berührung mit dem Fach kommt, erzählt Mathematikstudentin Doris Obermaier beim Science Talk. Manche hätten schon im Kindergarten Angst vor der Schule, weil sie gehört haben, dass Mathematik etwas Schlimmes ist, Kinder würden diese Vorurteile aus der Familie und dem Bekanntenkreis dann übernehmen. Und auch später, wenn es um die Entscheidung für ein Studienfach geht, würden mathematische Inhalte viele abschrecken. Dabei wären mathematische Fähigkeiten in der Arbeitswelt aktuell besonders gefragt, sagt Monika Henzinger, Informatikerin an der Universität Wien.
Was also tun? Wie der Mathematik wieder ein besseres Image zu verpassen und auch wieder mehr Personen für das Unterrichtsfach begeistern – Schülerinnen und Schüler, aber vor allem auch Lehrerinnen und Lehrer?
Mathematik sei ein schwer zu vermittelndes Fach, sagt Henzinger. Das liege aber daran, dass verschiedene Menschen es auf verschiedene Arten erklärt bekommen müssten. „Manche verstehen es theoretisch besser, manche angewandt“ – findet man die richtige Art zur Vermittlung, wären sehr viel mehr Menschen fähig, Mathematik zu verstehen.
Für Studentin Obermaier wäre es besonders wichtig, dass Lehrkräfte mehr Zeit hätten, ihre eigene Faszination für das Fach zu vermitteln. „Man muss so viel durchbringen, da fehlt oft die Zeit, Begeisterung zu wecken“, sagt sie. Auch Professor Eichmaier tritt für mehr Mathematik-Stunden ein.
Im Bildungsministerium arbeitet man indes generell daran, dem Lehrkräftemangel beizukommen. Bildungsminster Martin Polaschek: „Um auch zukünftig ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zu haben, brauchen wir ein neues positives Bild dieses schönen und wichtigen Berufes. Ebenso habe ich den Auftrag gegeben, eine Weiterentwicklung der Lehrkräfteausbildung zu prüfen. Mein Ziel ist es, dass dabei die Studierbarkeit erhöht sowie Praxis und Theorie verbunden wird.“ Auch ein schnellerer Berufsteinstieg müsse ermöglicht werden.
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