Das ist absolut schrecklich, das Land ist im Chaos. Die Menschen sind verzweifelt, sie wollen einfach nur noch raus. Frauen, Mädchen und Menschen, die für die Regierung oder westliche Staaten gearbeitet haben, müssen fürchten, von den Taliban gefoltert, exekutiert oder gesteinigt zu werden. Es ist dringend geboten, jetzt gemeinsam als Europa zu helfen.
Und wie? Geeinigt hat sich die Koalition vorerst nur auf „Hilfe vor Ort“. Reicht das?
Hilfe vor Ort wird notwendig sein, aber es wird auch notwendig sein, Frauen und Mädchen, die jetzt gefährdet sind, da rauszuholen. Das Zeitfenster schließt sich, es wird auf europäischer Ebene dringend gehandelt werden müssen.
Die ÖVP schließt das aber kategorisch aus ...
Dann werden wir Überzeugungsarbeit leisten müssen. Alle grünen Regierungsmitglieder und übrigens auch die weit überwiegende Mehrheit unserer europäischen Nachbarn sind sich da einig.
Ihr Parteichef Werner Kogler sagt, es fehle der ÖVP an der „notwendigen Menschlichkeit“. Sehen Sie das auch so?
Menschlichkeit ist immer wichtig. Wenn ich mir ausmale, dass sich in Afghanistan wiederholt, was vor 20 Jahren unter den Taliban war, macht mich das unglaublich betroffen. Österreich hat bei Krisen in der Vergangenheit immer geholfen – denken wir an den Jugoslawienkrieg. Wien ist bekannt als der Ort, an dem sich die Diplomatie trifft. Ich finde, Österreich sollte diese Rolle am internationalen Parkett auch jetzt einnehmen.
Mit der ÖVP geht das offenbar nicht. Wie lange wollen die Grünen das noch hinnehmen?
Ums Hinnehmen geht es nicht, sondern darum, daran zu arbeiten, damit sich etwas verbessert.
Wenn Sie auf die vergangenen eineinhalb Jahre Koalition zurückblicken: Ist es den Ärger wert?
Ärgern muss man sich in der Politik immer. Es geht darum, Dinge effektiv zu verändern, und das machen wir Grüne. Der Bundesstaatsanwalt und eine Entpolitisierung der Weisungsspitze war eine jahrzehntelange Forderung. Wir haben das jetzt auf den Weg gebracht.
Was ist der aktuelle Stand?
Mein Auftrag an eine Gruppe von Expertinnen und Experten war, eine neue, unabhängige Institution zu schaffen. Die Fachaufsicht soll neu aufgestellt werden, damit die Justiz unabhängig und frei arbeiten kann. Am Montag gibt es wieder Gespräche, im Herbst werden wir dem Parlament einen ersten Bericht liefern. Dieser Vorgang ist mir wichtig, damit die einzelnen Teilaspekte auch von einer breiten Mehrheit getragen werden.
Apropos Parlament: Wie dürfen die Mandatare diese neue Institution kontrollieren?
Die parlamentarische Kontrolle muss gewohnt hoch bleiben. Eine Möglichkeit wäre, es so ähnlich zu machen wie derzeit mit parlamentarischen Anfragen an mich als Ministerin (als aktuelle Weisungsspitze, Anm.). Aber Politiker sollen keine Informationen aus laufenden Verfahren erhalten. Für die Politik darf es hier keine Hintertür geben.
Wie stellen Sie sich den Bundesstaatsanwalt vor?
Selbstverständlich kann es auch eine Bundesstaatsanwältin sein (lacht). Es soll jemand sein, der unabhängig ist und Erfahrung in der Justiz hat. Eine Option ist, dass der Vorschlag auch aus der Justiz kommt und das Parlament den Vorschlag bestätigt.
Zum Thema Corona: Namhafte Juristen halten einen Lockdown für Ungeimpfte für machbar. Was sagen Sie?
Ziel ist es, einen Lockdown zu verhindern und möglichst viele Menschen für die Impfung zu mobilisieren.
Aber in letzter Konsequenz?
Die 1-G-Regel wird gerade im Gesundheitsministerium geprüft. Dort ist man in enger Abstimmung mit den Expertinnen und Experten.
Und was halten Sie davon?
Ich bin hier ganz beim Gesundheitsminister, der diese Option gerade prüft. Auch ich kann mir eine 1-G-Regel vorstellen.
Sie sind seit acht Monaten Mutter, der Kanzler wird bald Vater. Was geben Sie ihm mit auf den Weg?
Ein Kind gibt einem wahnsinnig viel Kraft – auch, wenn man schlaflose Nächte hat. Man bekommt eine andere Perspektive und sieht, für wen man das alles hier macht: für die nächste Generation. Insofern freue ich mich für den Bundeskanzler und seine Lebensgefährtin.
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