Womit Asylwerber jetzt rechnen müssen

Im September 2015 musste in Graz ein temporäres Notquartier eingerichtet werden.
Die Regierung plant das Aus für private Unterkünfte für Flüchtlinge. Was das für sie und ihre Helfer konkret bedeuten würde.

Auf der Agenda der Regierungsklausur am Donnerstag steht vor allem das Asylthema, etwa die Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder, die im EU-Ausland leben. Offen ist, wie die Regelung aussehen soll, ohne europäische Gesetze zu verletzten.

Das Aufregerthema der letzten Tage soll ebenfalls ausverhandelt werden: keine individuelle Unterbringung von Asylwerbern in der Grundversorgung, so steht es im Koalitionspakt. Aber was heißt das konkret?

Warum will die neue Regierung keine individuelle Unterbringung von Asylwerbern mehr?

Asyl und Zuwanderung seien zuletzt fälschlicherweise vermengt worden, wird argumentiert. Und FPÖ-Klubchef Johann Gudenus machte klar, dass Asyl gar nicht zur Integration führen soll: "Sondern Asyl ist ein Recht auf Schutz auf Zeit. Das ist eigentlich keine Zuwanderung." Daher soll es auch keine Integrationsmaßnahmen mehr für Asylwerber geben.

Soll das für alle derzeit in Österreich lebenden Asylwerber gelten?

Das ist noch unklar. Tatsache ist, dass bisher nur die Idee für "Sammellager am Stadtrand" existiert, die Regierung also noch weit davon entfernt ist, geeignete Immobilien zu sichten, geschweige denn Asylwerber dort unterzubringen. Es soll aber jedenfalls in Zukunft gelten, für neue Asylwerber.

Wie viele Asylwerber sind privat untergebracht?

Insgesamt leben rund 22.000 Asylwerber in ganz Österreich in privaten Unterkünften, der größte Teil davon mit rund 13.000 Menschen in Wien.

Gibt es wirtschaftliche Gründe, die für eine Unterbringung in Sammellagern sprechen?

Nein. Der Bundesrechnungshof hat schon 2016 klargestellt: "Die organisierte Unterbringungsform war auf Grundlage der Kostensätze der Grundversorgungsvereinbarung, je nach Familiengröße und –zusammensetzung, deutlich, und zwar zwischen rund 100 Prozent und 400 Prozent teurer als die individuelle Unterbringung."

Wie sieht das das UNHCR, das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen?

"Das bleibt jedem Staat selbst überlassen", erklärt Österreichs UNHCR-Chef Christoph Pinter, "solange die Standards für die Unterbringung passen und ein faires Asylverfahren gewährleistet ist". Der UNHCR versuche weltweit große Lager zu vermeiden, "damit Flüchtlinge in der neuen Gesellschaft ankommen können."

Was sagen die Länder zu dem Plan? Derzeit organisieren sie ja die Unterbringung der Asylwerber.

Aus Oberösterreich kommt Kritik. Integrationslandesrat Rudi Anschober von den Grünen nennt die Pläne "integrationsfeindlich und teuer": Eine Umstellung auf Großquartiere koste das Land jährlich 8,5 Millionen mehr. "Das ist nicht wirtschaftlich", sagt er zum KURIER. Auch der oberösterreichische Rechnungshof habe mehr Privatquartiere angeregt. Ähnlich die Auskunft aus dem Büro von Sandra Frauenberger, der zuständigen Wiener SP-Stadträtin: 730 Euro pro Monat koste eine Person im Großquartier, 380 Euro in der Privatunterkunft – neben der gesellschaftlich bedenklichen Ghettoisierung sei das ein schlagkräftiges Argument.

Kann der Bund die Entscheidung ohne die Länder treffen?

Nein. Die Möglichkeit privater Unterbringung ist in einer Bund-Länder-Vereinbarung festgelegt, die der Bund frühestens Mitte 2019 aufkündigen kann. Macht er das, würde eine Kostensteigerung auf ihn zukommen, weil er auf den Gesamtkosten sitzen bleibt: Derzeit teilen sich Bund und Länder die Grundversorgungskosten 60:40.

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