Die meisten Emissionen kommen direkt von den Tieren?
Vergleicht man eine Portion Hülsenfrüchte mit einer Portion Fleisch, ist die Treibhauswirkung für Fleisch mehrere hundert Male höher. Komplexer wird es, wenn man fragt, wieviel der Anteil der Tierproduktion an den Gesamtemissionen ausmacht. Eine weltweite Betrachtung zeigt, dass etwa ein Drittel der ernährungsbedingten Emissionen aus der Landwirtschaft kommt und ein weiteres Drittel aus der Änderungen der Landnutzung, wenn z.B. Regenwälder zur Futtermittelproduktion oder Tierzucht gerodet werden. In den Wäldern ist ja sehr viel CO2 gespeichert. Schaut man allein auf die Produktion in Österreich, macht diese Änderung in der Landnutzung einen verschwindend geringen Anteil an den Treibhausgasemissionen aus. Der österreichische Wald wird schon lange nicht mehr für die Ernährung gerodet. Vielmehr wächst die österreichische Waldfläche. Holz, das z.B. in Holzhäusern verbaut wird, speichert Treibhausgase. Die Landwirtschaft trägt etwas mehr als 10% zu den österreichischen Gesamtemissionen bei. Diese kommen fast zur Hälfte von den Wiederkäuern Rind und Schaf, die bei der Verdauung Methan ausstoßen. Zudem kommen Emissionen aus der Düngung und deren Lagerung sowie von fossilen Treibstoffen für Traktoren und Maschinen.
Was geht uns das an, wenn die Brasilianer Regenwald abholzen?
Wenn man alle wildlebenden Säugetiere auf eine Seite einer Waagschale setzt und in die andere alle Nutztiere, sieht man ein besorgniserregendes Ungleichgewicht. Die Masse der wildlebenden Säugetiere hat sich in den vergangenen hundert Jahren halbiert. Die für die menschliche Ernährung gehaltenen Nutztiere sind inzwischen etwa 25 Mal so schwer wie alle wildlebenden Säugetiere - von den Hirschen bis zu den Elefanten. Und um diese vielen Nutztiere zu füttern, werden Futtermittel auf schätzungsweise 70 Prozent der globalen Ackerflächen angebaut. Das Grünland kann nur von Tieren verwertet werden, weil der Mensch kein Gras essen kann. Aber auf den Ackerflächen können wir entscheiden, ob wir direkt Nahrung für uns oder Futtermittel für die Nutztiere erzeugt wollen. Wenn in anderen Ländern Wald gerodet wird, dann auch, um unsere Nutztiere mit Futtermittel und uns mit Fleisch oder Palmöl zu versorgen.
Und geht der Fleischkonsum zurück?
Ja, die pro Person durchschnittlich verzehrte Fleischmenge ist in Österreich von 65 kg auf 63 kg im Jahr 2019 und 60,5 kg im Jahr 2020 zurückgegangen. In Ländern des globalen Südens und in Schwellenländern steigt jedoch der Fleischkonsum mit dem Wohlstand. Die Bevölkerung dieser Länder will auch Zugang zu hochwertigen tierischen Proteinen. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf zehn Milliarden Menschen wachsen, also wird sich das Verhältnis zwischen Wild- und Nutztieren weiter verschieben. Das geht sich nur dann aus, wenn sich der Fleischkonsum in den Industrieländern auf ein - im wahrsten Sinne des Wortes - „gesundes“ Maß einpendelt. Wenn wir hingegen so weitertun wie bisher, ist bis 2050 mit einem Anstieg der Emissionen aus der Ernährung um weitere 30-40% zu rechnen.
Sie werden beim Klimarat den Bürgern diese Problemstellung erklären?
Ja, der große Handlungsbedarf und die Alltagsnähe der Ernährung für jeden Bürger sind gute Gründe, warum der Klimarat mit der Entwicklung von Maßnahmen für das Handlungsfeld Ernährung und Landnutzung startet. Nach unserer wissenschaftlichen Einführung in die komplexe Problemlage, werden sich die Bürgerinnen und Bürger folgender Frage widmen: Wie können wir als Gesellschaft unsere Ernährung und unsere Landnutzung klimaneutral gestalten?
Wenn ich als Bürger im Supermarkt stehe, woher weiß ich, in welchem Produkt wieviel CO2 drinnen ist?
Da muss ich Ihnen recht geben, derzeit können wir im Wirtshaus oder im Supermarkt nicht nachvollziehen, woher die verarbeiteten Produkte kommen beziehungsweise unter welchen Bedingungen sie produziert wurde. Die Moralisierung des Konsums ist eine Überforderung und eine Zumutung für die Konsumenten. Vielmehr braucht es Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass eine klimafreundliche Ernährung ganz selbstverständlich erfolgen kann, ohne dass die einzelne Konsumentin Klima- und Agrarexpertin werden muss.
Und wenn ich versuche nur mehr “bio“ zu kaufen, reicht das dann?
Durch eine sehr enge Klimabrille betrachtet, schneidet Bio ambivalent ab. Pro ha sind die Emissionen auf Bioflächen in der Regel geringer. Aufgrund der geringeren Erträge pro ha im Biolandbau, weist ein kg Bio-Produkt aber oft einen größeren Rucksack an Treibhausgasen auf als dieselbe Menge eines konventionellen Vergleichprodukts. Würden alle Flächen biologisch bewirtschaftet werden, müssten wir entweder mehr importieren oder weniger Lebensmittel verschwenden bzw. maßvoller Fleisch konsumieren. Bio hat aber andere große Vorteile, etwa Artenschutz, Tierwohl, Pestizidverzicht oder die Orientierung an geschlossenen Stoffkreisläufen.
Stimmt der Spruch, zuerst regional, dann saisonal und dann bio, wenn man ökologisch und klimaschonend einkaufen will?
Aufgrund der komplexen Zusammenhänge und der intransparenten Informationen zu Herkunft und Herstellungsprozessen scheint es eine Zumutung, die Verantwortung für den Klimaschutz allein den Konsumenten aufzubürden. Zudem geht es ja nicht nur um das Klima, es geht auch um die Erhaltung der Arbeitsplätze und der Kulturlandschaft, um die Artenvielfalt oder das kulinarische Erbe. Wenn eine Person hypothetisch alleine den Klimaschutz zum Ziel hätte, würde ich ihr empfehlen, den Einkauf so zu planen, dass sie möglichst wenig – und schon gar nicht tierische Produkte - wegwerfen muss. Ein weiterer Hebel wäre weniger, dafür besseres Fleisch zu konsumieren, was den meisten ja auch gesundheitlich guttäte. Und dann käme wohl die Saisonalität verknüpft mit der Regionalität. Kurze Transportwege ohne Saisonalität können wiederum negative Klima-Effekte haben, wenn etwa im Winter in Glashäusern produziert wird, die mit fossiler Energie beheizt werden.
Die GAP, die gemeinsame Agrarpolitik der EU, verlangt ja, dass Nahrungsmittel vor allem billig sein sollen. Ist das nicht auch unser Problem?
Früher, aus der Situation des Mangels in der Nachkriegszeit war das Ziel billiger Lebensmittel für alle durchaus sinnvoll und nachvollziehbar. Das Ziel erscheint im heutigen Überfluss aber nicht mehr angebracht. Wir haben andere Herausforderungen, von Erkrankungen und Todesfälle aufgrund ungesunder und Überernährung bis zum Klimaschutz und Artensterben. Auch gelingt es uns nicht den Nutzens entlang der Wertschöpfungskette fair zu verteilen. Die EU will mit der farm-to-fork-Strategie eine Kursänderung vornehmen und bis 2030 ambitionierte Ziele und Maßnahmen für ein faires, gesundes und klimafreundliches Agrar-Ernährungssystem umsetzen.
Beim Klimarat sollen die Bürger aber Lösungen zu diesem Thema ausarbeiten?
In unserem Vortrag wollen Martin Schönhart und ich die Systemzusammenhänge beispielhaft veranschaulichen und verdeutlichen, dass es keine einfachen Patentrezepte gibt. Die Bürgerinnen und Bürger werden dann aus ihrer Erfahrung und ihren Wünschen heraus überlegen, welche Maßnahmen auf individueller Ebene gesetzt werden könnten und welche Empfehlungen sie dem österreichischen Parlament und der Umweltministerien vorlegen wollen.
Was ist denn im Werkzeugkasten drinnen, wie man diese Probleme angehen könnte?
Wir Wissenschaftler werden darstellen, wo im Ernährungs- und Landnutzungssystem große Hebelwirkungen für eine Reduktion der Treibhausgase zu erwarten sind. Konsumseitige Hebel wären – wie bereits erwähnt – ein maßvollerer Verzehr von Fleisch und die Reduktion der Lebensmittelabfälle. Produktionsseitig kann viel erreicht werden, wenn in den landwirtschaftlichen Böden und Wäldern mehr Kohlenstoff gebunden und die Versiegelung von Flächen eingebremst wird. Ein noch effizienterer Einsatz von Dünger und Energie sowie ein Ersatz fossiler Energie durch erneuerbare Energie, wären weitere Hebel. Diese Erkenntnisse aus der Wissenschaft können die Bürgerinnen und Bürger dann nutzen, um mit unterschiedlichsten Werkzeugen eine große Hebelwirkung für den Klimaschutz zu erreichen. Diese reichen von Änderungen im Rechts-, Steuer- und Fördersystem, in der Werbung, in Lehrplänen und medialen Diskursen über neue Technologien oder neue Formen der Zusammenarbeit bis hin zur Umlenkung von Finanzströmen und Investitionen.
Landnutzung wird ebenfalls Thema sein, warum?
Wälder sind wichtige CO2-Speicher. Aber auch landwirtschaftliche Böden und insbesondere Feucht- und Grünlandflächen können große Mengen an CO2 speichern. Durch eine Versiegelung dieser Böden geht diese Fähigkeit weitgehend verloren. Kohlenstoffverluste aus Böden und Biomasse erfolgen erheblich rascher, als der Wiederaufbau. In Österreich werden entgegen der politischen Ziele pro Tag noch immer 11,5 Hektar verbaut oder für Verkehrsflächen, Deponien oder andere Infrastrukturanlagen in Anspruch genommen. Etwa die Hälfte dieser Fläche wird auch versiegelt, was einen dauerhaften Verlust biologisch produktiver Böden bedeutet. Auf diesen Flächen kann dann auch kein Kohlenstoff mehr gebunden werden. Hier fehlt es insbesondere an effektiven Instrumenten der Raumplanung, um den Boden quantitativ zu schützen.
Kommentare