KURIER: Herr Professor, Sie werden den 100 Bürgern die Klimakrise näherbringen. Was werden Sie da erzählen?
Georg Kaser: Da gibt es ja mit dem sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates von 2021 eine gute Grundlage. Wir haben bereits eine Erwärmung von 1,2°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit und müssen begreifen, welche gigantischen Energiemengen dahinterstecken. Und dass wir inzwischen sehr gut den Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und dem Anstieg der Temperaturen verstehen, und dass wir so schnell wie möglich diese Emissionen auf null senken müssen.
Aber die Staaten haben doch schon mit Klimaschutz begonnen, geht das in die richtige Richtung?
Die bisherigen Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um das Klimaziel zu erreichen. Nur etwas nachzujustieren, genügt nicht. Wir müssen die Gesellschaft umbauen, sonst drohen wir als Menschheit das Spiel zu verlieren. Das wäre nichts weniger als das Ende unserer Zivilisation.
Denken sie nicht, dass solche Aussagen als radikal angesehen werden?
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erde in einen völlig veränderten energetischen Zustand gelangen wird, steigt mit jedem zehntel Grad Erwärmung. Dann werden Dinge passieren, die ein Leben auf der Erde so wie wir uns das vorstellen, nicht mehr möglich machen werden. Da ist unsere gesamte Zivilisation betroffen, das wird ein Zustand sein, der hunderten von Millionen von Menschen die Lebensgrundlage entzieht.
Fürchten Sie nicht, dass das bei manchen Bürgern einen Schock auslösen wird?
Fürchten tu ich es nicht. Wir alle haben inzwischen ja einige Extremwetterereignisse erlebt, es gibt doch kaum eine Woche, wo nicht darüber berichtet werden muss. Aber ja, wir möchten schon einen Schock als auch eine Schockstarre vermeiden, müssen aber mit den Menschen Klartext reden. Und dann wird es eine Frage des Diskurses im Klimarat sein, dass sich alle auch zurechtfinden.
Stört Sie, dass die Grundlagen und der Status quo so wenigen bekannt sind?
Nein, ich bin keinem böse, wenn man darüber nicht so viel weiß und damit auch die Dramatik und Ernsthaftigkeit nicht erkennt. Unverständlich ist mir das nur bei den Entscheidungsträgern in der Politik und der Wirtschaft. Denn die haben begriffen, worum es geht, sind aber gefangen in ihren Strukturen und Möglichkeiten. Und haben es so seit 20, 30 Jahren verabsäumt, das Problem anzugehen und Vorbereitungen zu treffen, dass wir von den fossilen Brennstoffen wegkommen und unseren Energiekonsum reduzieren müssen.
Das Gegenargument lautet, dass Österreich nur für 0,2 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist, es also fast egal ist, was Österreich macht.
Das Argument würde nur stimmen, wenn wir nichts konsumieren und importieren würden, nichts mehr aus China oder anderen Billiglohnländern, nur dann stimmt die Zahl. Es geht also auch um die so genannten grauen Emissionen, die wir zu uns holen. Damit ist unser ökologische Fußabdruck um ein vielfaches höher.
Bill Gates sagt, die Klimakrise ist die größte Herausforderung in der Geschichte der Menschheit, hat er da recht?
Ja, ich finde, das kann man schon so formulieren.
Denken Sie, wir als Gesellschaft haben bei der Klimakrise etwas nicht oder noch nicht verstanden?
Das Verstehen ist die eine Sache, das Begreifen etwas anderes. Mir ist klar, dass es schwierig ist, die ganze Einstellung zum Leben, Handeln und Wirtschaften grundlegend zu überdenken, zu ändern und neu aufzusetzen. Das sind alles immens schwierige Entscheidungen. Wir werden aber nicht um diese herumkommen.
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