Dringender Ruf nach Reform: „Klimafitness sollte im Mietrecht belohnt werden“
Eine Reform des Wohnrechts war zuletzt bei der Frage der Wärmewende – also dem Tausch der fossilen Heizungen in Wohnungen und Häusern – Thema. Zu einer Reform konnte sich die Regierung nicht durchringen.
Stefan Perner, Professor am Institut für Zivil- und Zivilverfahrensrecht der WU Wien, plädiert für eine große Reform des Wohnrechts, die nun von der nächsten Regierung angegangen werden müsse. Am 5. Juni wird er anlässlich einer Podiumsdiskussion an der WU zum Thema „Klimakrise als Reformmotor des Wohnrechts?“ ein Impulsreferat halten. Der KURIER hat vorab mit dem Experten gesprochen.
KURIER: Warum ist aus Ihrer Sicht eine baldige Reform des Wohnrechts so wichtig? Welche Probleme ergeben sich aus der geltenden Gesetzeslage?
Stefan Perner: Seit vielen Jahren wird über eine Reform des Mietrechts diskutiert. Es ist so kompliziert, dass es fast schon als Geheimwissenschaft gilt. Dazu kommt, dass es in vielen Punkten nicht fair ist, weil es oft von Zufälligkeiten abhängt, welchen Mietzins sie verlangen dürfen. Vor allem aber gibt es kaum Anreize für Investitionen für Eigentümer. Hier kommt die Dekarbonisierung ins Spiel: Gerade die „Klimafitness“ von Gebäuden ist ja ein erwünschtes Ziel, sodass sie auch im Mietrecht belohnt werden sollte.
Bei der Miete kann es meinem Wohnungseigentümer ja grundsätzlich egal sein, ob das Haus saniert wird oder ich ein klimafreundliches Heizsystem haben will, die Heizkosten muss ja der Mieter zahlen. Oder hat der Mieter hier schon Möglichkeiten, das zu verlangen?
Die Rechtslage ist paradox und sie führt zu einer Pattsituation, solange das fossile Heizsystem einwandfrei funktioniert: Der Mieter kann vom Vermieter nicht verlangen, dass er auf nachhaltige Systeme umstellt. Der Vermieter kann dem Mieter den Umstieg aber meist auch nicht aufdrängen. Der Gesetzgeber müsste zweifellos einschreiten.
Und wie sieht das gleiche Problem in Häusern mit vielen Eigentümer aus?
Will man im Haus auf ein nachhaltiges System umstellen, braucht es eine nach Anteilen zu berechnende Mehrheit. Der Gesetzgeber hat in einer Reform 2022 zwar die Beschlussfassung etwas erleichtert, aber es sind immer noch Baustellen offen. Der einzelne Wohnungseigentümer kann zum Beispiel auch durch einen solchen Beschluss nicht gezwungen werden, seine Gastherme auf ein nachhaltiges System umzustellen und beim gemeinsamen System mitzumachen.
Gerade in Wien gibt es noch sehr viele Gasthermen, die können aber nur ausgebaut werden, wenn es eine Gesamtlösung für das Haus gibt. Da darf aber jeder einzelne Mieter oder jeder einzelne Wohnungseigentümer Veto einlegen, stimmt das?
Ja, gegen den Willen des Mieters oder des Wohnungseigentümers geht das nach der derzeitigen Rechtslage nicht.
Klima- und Energieministerin Gewessler hat auch angesichts der Turbulenzen rund um das deutsche Wärmewendegesetz ihr Erneuerbare-Wärme-Gesetz deutlich entschärft und stattdessen nur Förderungen im Rahmen eines Wärmepakets aufgestellt. Hätte so ein Gesetz nicht massiv in das Wohn- und Eigentumsrecht eingegriffen?
Verpflichtungen sind zweifellos ein Eingriff in das Eigentum und das Mietverhältnis. Sie würden aber einem sinnvollen Ziel dienen. Wenn man die eigenen Klimaziele erreichen will, wird man mit Freiwilligkeit und Förderungen für Eigentümer, denen keine Duldungspflichten der Mieter gegenüberstehen, wenig Erfolg haben.
Warum ist so eine Reform politisch so schwer zu stemmen, was sind da die politischen Kontroversen?
Beim Wohnungseigentum geht es um die Koordination von Menschen, die für sich genommen Eigentümer sind, jeder Eingriff in ein solches Recht ist heikel. Das Mietrecht ist traditionell politisch und die Interessen von Vermietern und Mietern sind oft sehr gegensätzlich. Dem Vermieter geht es um einen Erwerb, Mieter wollen leistbar wohnen.
Wie sieht es aus mit PV-Anlagen am Dach? Können das Mieter verlangen? Und bei mehreren Eigentümern eines Wohnhauses?
Auch hier zeigen sich ähnliche Probleme wie beim Heizungstausch: Beim Wohnungseigentum braucht es dafür jedenfalls einen Mehrheitsbeschluss. Nicht einmal ein „Balkonkraftwerk“ kann der einzelne Wohnungseigentümer ohne rechtliche Hürden installieren. Der Mieter hat derzeit keine sinnvolle Möglichkeit, vom Vermieter die Installation einer Photovoltaikanlage am Dach zu verlangen. Ähnlich ist es übrigens auch bei Genossenschaftswohnungen, bei denen vergleichbare Hürden bestehen.
Und wie sieht das beim Stromanschluss für ein E-Auto in einer Garage in Miethäusern oder solchen mit mehreren Eigentümern aus?
Für den Wohnungseigentümer hat der Gesetzgeber im Jahr 2022 ein Right to Plug eingeführt, das allerdings etwas besser klingt, als es ist. Der Einzelne kommt zwar einfacher zu einer Ladestation für sein Elektrofahrzeug, aber die Hürden sind immer noch beträchtlich und die Kosten könnten frustrierend sein, wenn sich die Mehrheit später etwa für eine gemeinsame Ladestation entscheiden sollte. Der Mieter hat wiederum keine solchen Möglichkeiten.
Wie ist die Lage bei einer thermischen Sanierung, also einer Wärmedämmung? Eine solche Maßnahme ist ja mit Blick auf die Klimaziele ebenfalls sinnvoll.
Bei der thermischen Sanierung ist die Lage vor allem im Mietrecht besser, weil sie einerseits vom Mieter akzeptiert werden muss, wenn sie der Vermieter angehen will. Andererseits kann es Investitionsersatz geben, wenn der Mieter solche Maßnahmen vornimmt. Allerdings: Macht der Vermieter einen solchen Aufwand, ändert das im mietengeschützten Bereich nichts am höchstzulässigen Mietzins. Hier sieht man das Problem wieder: Gibt es keine ausreichenden Anreize für Vermieter, meiden sie auch die sinnvollsten Investitionen.
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