Wohnbauförderung: Faymann macht Druck

Wohnbauförderung: Faymann macht Druck
Der Kanzler will die Wohnbauförderung vor der Wahl zweckbinden und erwartet, dass die ÖVP es mit dem Gesetz ernst meint.

KURIER: Herr Bundeskanzler, zieht Österreich bei Waffenlieferungen von EU-Staaten an syrische Rebellen seine UNO-Soldaten am Golan sofort ab?

Werner Faymann: Ich bin entschieden dagegen, das Waffenembargo aufzuheben, eine politische Lösung hat Vorrang vor einer militärischen Lösung. Es gibt in Syrien keinen Mangel an Waffen, sondern an Verhandlungsbereitschaft. Kroatien hat aufgrund von Gerüchten über Waffenlieferungen seine Soldaten aus Angst vor Racheakten zurückgezogen. Wir beurteilen die Sicherheitslage am Golan täglich neu. Die Sicherheit unserer UNO-Soldaten hat oberste Priorität.

Vor einem Jahr gab es Wetten auf den Zerfall der Euro-Zone, die Zinsen waren sehr hoch. Ist die EU über den Berg?

Bei der hohen Arbeitslosigkeit ist Europa nicht über dem Berg. Wer das sagt, ist ein Zyniker. In 19 Mitgliedsländern gibt es Regionen mit mehr als 25 Prozent Arbeitslosigkeit. Es ist verheerend, wenn Junge keinen Job und keine Perspektive haben. Hoffnungslosigkeit ist keine Basis für Demokratie.

Wohnbauförderung: Faymann macht Druck
APA1541246-2 - 19112009 - BRüSSEL - BELGIEN: ZU APA-TEXT AI - Donnerstag, den 19.November 2009 findet in Brüssel, Belgien das informelle Gipfeltreffen des Europäischen Rates der EU-Staats- und Regierungschefs statt.Beim Gipfel sollen die Besetzungen für den EU-Ratspräsidenten und den "EU-Außenminister" beschlossen werden. Im Bild: Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann im Flugzeug am Weg zum Gipfel. APA-FOTO: HOPI-MEDIA / BERNHARD J. HOLZNER
Viele quittieren diese Hoffnungslosigkeit mit Protest. Parteien ohne Programm und Anti-EU-Kurs gewinnen, Beppe Grillo in Italien zeigt das. Traditionelle Parteien verlieren an Legitimation. Ist diese Entwicklung nicht eine große Gefahr?

Der Protest ist die Rechnung der Wähler. Sie haben das Gefühl, den Finanzmärkten ohnmächtig gegenüberzustehen. Die Bürger fordern von der Politik die Kontrolle über die Finanzmärkte.

Was muss konkret geschehen?

Die Politik braucht wieder Handlungsfähigkeit. Die Spekulations- und Finanzkrise haben gezeigt, dass die Politik gar nicht die Instrumente hat, um ausreichend Kontrolle auszuüben. Das müssen wir ändern.

Auch in Österreich gibt es viel Protestpotenzial. Wie stehen Sie zu Stronach und Strache?

Österreich ist gerade beim EU-Gipfel als Beispiel für hohe Produktivität, für seine Exportzahlen und die geringe Arbeitslosigkeit als positives Beispiel hervorgehoben worden. Das ist durch ein starkes Europa möglich, und das spüren die Menschen auch. Deshalb hat Strache auch keine Hochkonjunktur. Wir brauchen seine Hassparolen nicht. Ich unterschätze aber Proteststimmen wie etwa für Stronach nicht, mir tut es um jede Stimme leid, weil Protestparteien nicht bereit sind, einen konstruktiven Beitrag zu leisten.

Am Montag laden Sie Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, österreichische Wirtschaftsbosse und die Spitzen der Sozialpartner zu einer Konferenz über Europas Zukunft ins Bundeskanzleramt ein. Was ist die Zukunft?

Juncker ist Christdemokrat, er vertritt ähnliche Werte und Positionen wie ich als Sozialdemokrat. Etwa eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte, Bankenaufsicht, gemeinsames Schuldenmanagement, einen Schuldentilgungsfonds. Das heißt nicht, Schulden gemeinsam zu übernehmen, sondern sich den Problemen zu stellen und aus der Krise zu lernen. Zukunft heißt Spekulationen verdrängen, in Beschäftigung investieren, die Realwirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Wenn man das macht, werden die Menschen wieder mehr Vertrauen in Europa haben. Das geht nicht sofort, das ist ein Prozess von mehreren Jahren. Diese Strategie entscheidet, ob unsere Kinder und Enkelkinder in einem friedlichen oder in einem hasserfüllten, nationalistischen Europa aufwachsen.

Was wollen Sie bis zur Wahl im Herbst noch anpacken?

Das Lehrerdienstrecht, das Bankeninsolvenzrecht und Maßnahmen, die den Standort Österreich ausbauen und stärken. Die Regierung darf sich nicht durch Streitereien im Wahlkampf ablenken lassen, wir müssen bis zum letzten Tag hart arbeiten. Diesen Beleg müssen wir liefern.

Bei der Zweckbindung der Wohnbauförderung steigt die ÖVP nun auf die Bremse. Vizekanzler Michael Spindelegger will darüber erst 2015 verhandeln. Was sagen Sie dazu?

Es werden nicht genügend Wohnungen gebaut. Deshalb ist die Zweckbindung sinnvoll und auch notwendig.

Ab wann soll es die Zweckbindung geben? Wollen Sie bis 2015 warten?

Nein, auf keinen Fall. Ich bin froh, dass sich die ÖVP für die Zweckbindung ausgesprochen hat. Ich gehe davon aus, die ÖVP meint es ernst. Ich will das Gesetz noch vor dem Sommer ins Parlament bringen. Jetzt gibt es ein Zeitfenster, das beide Regierungsparteien vor der Wahl nützten sollten. Ich hoffe, Spindelegger bekommt die Unterstützung von den ÖVP-Landeshauptleuten.

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