Woher kommt Österreichs Wissenschaftsskepsis? Erste Studienergebnisse
Schon vor einem Jahr - zu seinem Amtsantritt - hat Wissenschaftsminister Martin Polaschek erklärt, gegen die Wissenschaftsskepsis in Österreich vorgehen zu wollen. Immerhin: Die Ergebnisse des sogenannten Eurobarometer (eine EU-weite Umfrage zu verschiedenen Themen) 2021 waren alarmierend: 30 Prozent der Österreicher vertrauen der Wissenschaft kaum.
Um die Ursachen dafür zu erforschen, hat Polaschek beim Institut für Höhere Studien (IHS) eine Ursachenstudie in Auftrag gegeben. Nun liegen die ersten Zwischenergebnisse vor.
Studienleiter Johannes Starkbaum fasst zusammen: "Unsere ersten Ergebnisse zeigen, dass Desinteresse an Wissenschaft deutlich ausgeprägter ist als systematische Skepsis oder mangelndes Vertrauen. Das Vertrauen in Wissenschaft ist in Österreich in allen von uns analysierten Umfragen im Zeitverlauf hoch und konstant." Das Problem: Es gibt in Teilen der Bevölkerung kritische Einstellungen zu Wissenschaft. Diese bestehen in allen Gesellschaftsbereichen und beschränken sich nicht auf spezifische sozioökonomische Gruppen. "Skepsis muss jedoch nicht Ablehnung von wissenschaftlichen Methoden sein, sondern kann Kritik an den Verbindungen von Wissenschaft mit anderen Gesellschaftsbereichen, wie Politik oder Wirtschaft, sein", hält Starkbaum fest.
Die Ergebnisse im Detail
Die Definition von Wissenschaftsskepsis ist unklar:
In der wissenschaftlichen Literatur findet sich keine eindeutige Definition und dieser Begriff wird in Medien, Umfragen und der öffentlichen Diskussion auch häufig unspezifisch und unreflektiert verwendet. Skepsis ist in der Wissenschaft zentral für die Schaffung neuer Ideen; aber Wissenschaftsskepsis ist problematisch, wenn sie wissenschaftlich geschaffenes Wissen kategorisch ablehnt.
Es gibt einen Zusammenhang der Wahrnehmung von Wissenschaft mit der Konsumation bestimmter (populistischer) Medienformate und Vertrauen in Medien:
Mediale Beiträge zum Thema Wissenschaftsskepsis haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Im selben Zeitraum lässt sich jedoch über mehrere Studien keine Zunahme an skeptischen Einstellungen in der österreichischen Bevölkerung verorten. Etablierte Medien (inklusive deren digitale Formate) spielen in der österreichischen Debatte zu Skepsis eine wesentliche Rolle aber Soziale Netzwerke gewinnen zunehmend an Bedeutung. Öffentlichkeit wird immer mehr ein bedingter Referenzpunkt für Wissenschaft.
Desinteresse an Wissenschaft scheint in Österreich deutlicher ausgeprägt zu sein als systematische Skepsis oder mangelndes Vertrauen in Wissenschaft:
Zum Beispiel geben im Rahmen der WGM-Studie deutlich über 80% jener Befragten, die an Wissenschaft desinteressiert sind, an, Wissenschaft sehr oder zumindest etwas zu vertrauen. Im Rahmen der 2021 Eurobarometerstudie äußern Österreicher/innen vergleichsweise öfter geringes Interesse an Wissenschaft (In Österreich geben 21% an nicht an wissenschaftlichen Entdeckungen und technologischen Entwicklungen interessiert zu sein. Im EU-17 Schnitt äußern 18% kein Interesse). Das Desinteresse ist aber nicht mit mangelndem Vertrauen und auch nicht mit Wissenschaftsskepsis gleichzusetzen
Vertrauen in Wissenschaft ist in Österreich in allen untersuchten Umfragen im Zeitverlauf konstant und höher als jenes in andere Bereiche und Institutionen:
Während die Zufriedenheit mit der Demokratie und ihren Institutionen im zeitlichen Verlauf eher abnimmt, ist das Vertrauen in die Wissenschaft eher konstatn. Auch die Pandemie hat daran nichts Maßgebliches geändert.
Wissenschaft ist ein gesellschaftliches Teilsystem:
Skepsis muss nicht Ablehnung von wissenschaftlichen Methoden sein, sondern kann sich auf Kritik der Verbindungen von Wissenschaft mit anderen Gesellschaftsbereichen, wie Politik oder Wirtschaft, beziehen. Zudem sind Wissenschaft und ihre Disziplinen auch in sich heterogen und teilweise widersprüchlich, was unter anderem bei psycho-sozialen und epidemiologischen Empfehlungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie sichtbar wurde. Ursachen für Wissenschafts- und Demokratieskepsis lassen sich auch aus historischen Wechselwirkungen gesellschaftlicher Teilsysteme erklären
Für Polaschek zeigen die Studienergebnisse eindeutigen Handlungsbedarf - aber auch, dass man mit der gewählten Strategie bereits einen richtigen Weg eingeschlagen habe. "Wir müssen früh in der Schule das Interesse an Wissenschaft fördern. Daher werden wir Wissenschaftsbotschafterinnen und –botschafter an die Schulen bringen, die den Schülerinnen und Schülern ihre wissenschaftliche Arbeit näherbringen, für Wissenschaft begeistern und zu wissenschaftlicher Neugier motivieren sollen." Wer diese Botschafter sein werden, will Polaschek zu Beginn des Sommersemesters 2023 präsentieren.
Kommentare