Wird Journalisten das Zitieren aus Akten verboten?
„Tu es für mich.“ Es war im Sommer 2017. Da bat Gernot Blümel mit genau diesem Satz und einem Kuss-Herz-Smiley den damals mächtigsten Mann im Finanzministerium, Thomas Schmid, er möge doch den Chef des Novomatic-Konzerns, Harald Neumann, zurückrufen. Blümel konnte nicht ahnen, dass seine Kurznachricht Jahre später eine Hausdurchsuchung und veritable innenpolitische Turbulenzen verursachen würde. Doch so ist es.
Gemeinsam mit anderen, zumindest irritierenden SMS, die Neumann an Blümel geschickt hat, findet sich der „Tu es für mich“-Dialog in den Ermittlungsakten gegen den Finanzminister.
Der KURIER hat – wie alle relevanten Qualitätsmedien des Landes – die SMS-Dialoge zwischen Blümel und Neumann kritisch bewertet und veröffentlicht. Doch geht es nach der Kanzlerpartei, ist das in Zukunft so nicht mehr möglich.
„Ermittlungsverfahren sollen unabhängig und ohne öffentlichen oder politischen Druck geführt werden können.“ Insbesondere die „mediale Vorverurteilung“ sei zu vermeiden, heißt es im Ministerratsvortrag vom Mittwoch. Wie konkret will die ÖVP nun die mediale Vorverurteilung unterbinden?
Keine Bonmots mehr
Die Idee besteht darin, dass wörtliche Zitierungen aus Ermittlungsakten unter Strafe gestellt werden (der KURIER hat berichtet).
Das hätte weitreichende Konsequenzen: Medien dürften in Akten enthaltene Bonmots wie „Tu es für mich“ oder „Wo woa mei Leistung“ nicht bringen.
Als Vorbild gilt der Kanzlerpartei Deutschland. Hier gibt es im Strafgesetzbuch den Tatbestand der „verbotenen Mitteilung über Gerichtsverfahren“. Und dieser verbietet aus Anklageschriften oder ähnlichen Dokumenten „ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut“ zu zitieren, bevor das Verfahren zu Ende ist.
Keine wörtlichen Zitate? Wird so der Kontrolle und dem Aufdeckungsjournalismus der Garaus gemacht?
Eines lässt sich festhalten: Schon jetzt mangelt es nicht an Vorschriften.
Was Amtsträger angeht (und als solche gelten Polizisten, Richter und Staatsanwälte), machen sich diese immer strafbar, wenn sie Akten etc. weitergeben. Für sie gilt – vorerst noch – die Amtsverschwiegenheit.
Entgegen der landläufigen Meinung sind Ermittlungsverfahren, also die Phase vor einer möglichen Anklage, aber nicht geheim. In Österreich ist es höchstgerichtlich erlaubt, dass Anwälte Ermittlungsakten (an Journalisten) weitergeben – und das passiert auch.
Öffentliches Interesse
Sind Journalisten also völlig frei in ihrer Entscheidung, was sie von einer Person, gegen die ermittelt wird, veröffentlichen? Mitnichten.
„Die Richtschnur ist bei allem das öffentliche Interesse“, sagt Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Österreichischen Presserats.
Im Prinzip ist die Sache einfach: Journalisten müssen entscheiden, ob das, was sie berichten, für die Bürger von Relevanz ist.
Liebesbeteuerungen der Frau oder Urlaubsfotos von Kindern sind es nicht. Sie haben nichts mit der Amtsführung zu tun. So ist auch zu erklären, warum von 300.000 (!) Chats, die die Justiz in der aktuellen Causa bei Thomas Schmid sichergestellt hat, ein Großteil gelöscht und nie publik wurde – all das war privat.
100.000 Euro Strafe
Dafür, dass Medien ihre Verantwortung ernst nehmen, sorgt unter anderem das Mediengesetz. Paragraf 7 schützt davor, von einem Medium öffentlich im höchstpersönlichen Lebensbereich bloßgestellt zu werden. Wer Privates veröffentlicht, dem drohen seit 1. Jänner Schadenersatzzahlungen von bis zu 100.000 Euro – selbst für große Medien-Unternehmen sind das enorme Summen.
„Es gibt eigentlich keinen Grund für rechtliche Veränderungen“, sagt Experte Warzilek. Nachsatz: „Und ein Verbot von wörtlichen Zitaten aus Ermittlungsakten ist jedenfalls abzulehnen.“
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