Wie ukrainische Kinder jetzt in Österreichs Schulen lernen sollen
Hunderttausende Kinder mussten ihre Heimat, die Ukraine verlassen, um Tod und Leid zu entfliehen. Immer mehr landen auch in Österreich. Hier sollen sie nun ein Stückchen Normalität zurückbekommen, wie Bildungsminister Martin Polaschek am Freitag sagte: „Wir gehen von vielen Kindern mit traumatischen Erfahrungen aus. Sie sollen hier jetzt angstfrei und in sicherem Umfeld in die Schule gehen.“
Dass das möglich ist, liegt an einer Verordnung des Innenministeriums entsprechend einer einstimmig beschlossenen EU-Richtlinie. Demnach erhalten Geflüchtete aus der Ukraine vorübergehend Zugang zu Arbeitsmarkt, medizinischer Versorgung und Bildung.
Laut Polaschek haben die ersten Kinder aus der Ukraine bereits ihren Platz in österreichischen Schulen gefunden. Eine Schulbank-Zuweisung aber reicht nicht. Die Kinder müssen in den Schulbetrieb integriert werden.
Dafür hat das Bildungsministerium erste Maßnahmen verkündet: Familien werden mit Infopaketen zu Leistungsanforderungen und dem Bildungssystem auf Ukrainisch und Englisch versorgt. In zentralisierten mehrsprachigen Info-Servicepoints können sich Eltern zusätzlich informieren. Damit Kinder möglichst schnell am Unterricht teilnehmen, wird es "überall wo es nötig ist, eigene Deutschförderklassen geben. Wo das nicht möglich ist, wird es angepasst Kurse geben“, so Polaschek.
Für die Kompetenz-Unterschiede zum österreichischen Schulsystem sind – mit Beratung des ukrainischen Botschafters – eigene "pädagogische Konzepte in Arbeit“. Was das genau bedeute, blieb am Freitag offen. In den Bundesländern arbeiten die Bildungsdirektoren zusätzliche Maßnahmen aus.
Fokus auf Unterricht in Regelklassen
"Jedes Kind wird adäquat untergebracht“, sagt beispielsweise Niederösterreichs Bildungsdirektor Johann Heuras zum KURIER. Es werde versucht, "die Kinder im normalen Unterricht zu integrieren. Sollten Aufstockungen notwendig sein, so wird dies selbstverständlich gemacht.“
Mit rund 450, davon etwa 250 im Pflichtschulbereich, sitzen aktuell die meisten ukrainischen Kinder in Wiener Klassen. Noch sind auch hier keine reinen "Ukraine-Klassen“ nötig, entsprechende Szenarien werden laut Bildungsdirektion jedoch ausgearbeitet. Das Problem: Man weiß nicht, wie sich die Lage weiter entwickeln wird. Aktuell sei die Situation jedoch noch sehr gut bewältigbar, sagt ein Sprecher der Bildungsdirektion.
Klar ist, dass verstärkt Pädagoginnen und Pädagogen mit Ukrainisch-Kenntnissen gebraucht werden. Die Suche nach ihnen läuft - auch unter Geflüchteten - auf Hochtouren. Wer entsprechende Qualifikationen besitzt und helfen will, kann sich unter muttersprachlicherunterricht_ukrainisch@bildung-wien.gv.at melden.
Ukrainischer Lehrplan?
In Salzburgs Schulen sind bisher nur rund 20 bis 25 ukrainische Kinder in den Schulen angekommen, "wir rechnen aber mit sehr vielen mehr", sagt Bildungsdirektor Rudolf Mair. Vorerst finden sie auch hier Unterschlupf in den regulären Klassen - auch, weil es wegen des Lehrermangels nicht genügend Deutschförderklassen gibt.
Er habe darum am Freitag einen Brief an alle Schulleitungen geschrieben, berichtet Mair - mit der Bitte, die Kinder "sehr herzlich und unbürokratisch aufzunehmen". Ab Montag wird auch eine ukrainische Psychologin für vorerst drei Stunden pro Woche beim Land angestellt, um die Lehrkräfte zu unterstützen. Zudem hat man sich mit der laut Mair sehr aktiven ukrainischen Kirchengemeinde in Salzburg vernetzt, um wie in Wien den Kontakt zu etwaigen geflüchteten Pädagoginnen und Pädagogen zu bekommen.
Mair appelliert auch an das Bildungsministerium, darüber nachzudenken, Unterricht auf Ukrainisch laut dem ukrainischen Lehrplan zu ermöglichen. In einem Punkt ist sich Mair jedoch sicher: "Wir werden es schaffen."
"Gemeinschaftsstiftende Aktivitäten"
In Tirol wurden bisher 32 ukrainische Kinder Schulen zugeteilt, mit Prognosen tut man sich wie in allen Bundesländern auch hier schwer. Klar sei nur, dass die Zahl steigen wird. Auch sonst wählt man denselben Zugang wie in anderen Landesteilen: So weit möglich Zuteilung in bestehende Klassen, intensive Suche nach Ukrainisch sprechendem Personal.
Das wichtigste sei es jetzt einmal, die Kinder willkommen zu heißen, ein Miteinander auch mit den Kindern vor Ort und damit "so gut es geht ein Ankommen zu ermöglichen", sagt ein Sprecher der Bildungsdirektion in Innsbruck. Gleichzeitig sei es "auch nicht unwesentlich", dass sich die Flüchtlingskinder untereinander austauschen können, die sich ja auch noch nicht kennen - schließlich "sitzen die im selben Boot". Gemeinschaftsstiftende Aktivitäten sollen das ermöglichen.
Steiermark bereitet sich vor
"Noch keine großflächige Nachfrage nach Schulplätzen" meldet die Steiermark, doch auch hier ist man bereit. "Mitglieder des P.U.T.- Teams (psychosoziales Unterstützungsteam), Schulqualitätsmanager/innen, Diversitätsmanager/innen, Schulpsycholog/innen, Pädagog/innen (auch ukrainischer Herkunft) und Dolmetscher/innen nehmen die geflüchteten Kinder in Empfang", heißt es aus Graz. Auch der ukrainische Kulturverein in Graz, "Ridna Domivka“, wird - neben vielen anderen - Stellen eingebunden.
Besonderes Augenmerk will man auch auf die frühzeitige Erkennung und Verhinderung von möglichem Konfliktpotential zwischen Schülerinnen und Schülern mit russischen und ukrainischen Wurzeln legen.
BKS-Kenntnisse nutzen
Im Burgenland wie auch in Kärnten will man vorerst auf Sprachkenntnisse in BKS (Bosnisch/Kroatisch/Serbisch) setzen - auch die können mit den (in beiden Ländern bisher rund zehn, Anm.) ukrainischen Kindern kommunizieren, teilen die Bildungsdirektionen mit. In Kärnten hätten sich auch bereits Privatpersonen gemeldet, die gerne bereit sind, Dolmetschertätigkeiten zu übernehmen. "Wir sind aber dankbar für jede Meldung von Personen, die der Sprache mächtig sind und die uns unterstützen könnten", heißt es aus Klagenfurt. Interessierte können sich unter servicestelle@bildung-ktn.gv.at melden.
In Oberösterreich - auch hier sind bisher zehn Flüchtlingskinder in den Schulen angekommen - will man wiederum besonderes Augenmerk auf den Umgang mit Bildern aus dem Krieg legen. Die Schulpsychologinnen und -psychologen seien diesbezüglich bereits im Einsatz, um Lehrkräfte wie Kinder dabei zu unterstützen.
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