Wie die Hausdurchsuchungen bei den Kurz-Vertrauten abliefen
Mädel, was hast du da verbrochen?" Mit dieser Frage beginnt der verzweifelte Anruf der Mutter bei ihrer Tochter Melanie L. – diese wiederum ist die ehemalige Assistentin von Thomas Schmid. Die Hausfrau ist schockiert, war sie doch nie in Politik involviert und hat doch unerwarteten Besuch von mehreren Ermittlern bekommen.
Um 6.30 Uhr läuten die Ermittler beim Wohnsitz der Ex-Assistentin von Schmid in Wien an. Das Objekte der Begierde: Ein Datenstick, den Melanie L. beim Wechsel vom Finanzministerium in die Öbag-Zentrale mit genommen haben könnte – lautet der Verdacht der Korruptionsjäger.
Zeitgleich hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auch Kriminalbeamte zu den Eltern von Melanie L. geschickt. Vermutet wird, auch hier könnte der Datenstick versteckt sein. Der Vater ist auf Dienstreise, die Mutter laboriert gerade an einem Rheumaannfall, als die Ermittler partout im ehemaligen Kinderzimmer von Melanie L. eine Nachschau halten wollen.
Bis ins Kinderzimmer
Es gebe keines mehr, beteuert die Mutter. Das ehemalige Kinderzimmer sei längst ein Abstellraum. "Ich bin seit meinem 18. Lebensjahr ausgezogen und nur drei oder vier Mal im Jahr zu Hause", beklagt Melanie L.
Warum die Ermittler so hartnäckig den Daten-Stick auch bei den engsten Verwandten suchen, wird 24 Stunden später klar – es geht um die Inseratenaffäre.
Der Besuch bei der Schmid-Assistentin und ihrer Mutter war der Auftakt. Tags darauf, am 6. Oktober, rollt dann jene Razzia-Welle an, die Auslöser für die Regierungskrise ist. Auch hier sucht die WKStA – man könnte fast sagen in allen Winkeln und Ecken der türkisen Familie – nach Handys, Laptops, Festplatten und Daten-Sticks. Immerhin erhebt sie den schwerwiegenden Verdacht der Korruption gegen den damals noch amtierenden Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine "Truppe", wie es in der Anordnung zur Hausdurchsuchung steht. Das Ibiza-Video hat seit Mai 2019 eine Serie an Hausdurchsuchungen ausgelöst.
Auch zum Familienwohnsitz von Johannes Frischmann, dem Pressesprecher des Ex-Kanzlers, wurden Ermittler geschickt. Weil er noch immer in seinem Tiroler Heimatort gemeldet ist, obwohl er seit 2005 in Wien lebt, kommt auch plötzlich seine 77-jährige Mutter mit der Justiz ungewollt in Berührung. Außerdem hat Fischmann seiner Mutter ein Handy geschenkt und auf seinen Namen angemeldet.
Handy der Nichte
Als in den Morgenstunden des 6. Oktober im Kanzleramt und Niederösterreich die Hausdurchsuchungen bei Frischmann, Gerald Fleischmann und Stefan Steiner ablaufen, werden Ermittler auch in Tirol aktiv. Die Polizei will das Zimmer von Frischmann sehen – das so aber nicht mehr existiert. Als die Polizisten auch den Dachboden nach Beweisen durchforsten wollen, muss die Mutter extra eine Leiter organisieren.
Wie am Land üblich, wohnen bei den Frischmanns mehrere Generationen unter einem Dach, wo aber jedes Familienmitglied eine eigene Wohnung hat. So müssen auch die Schwester und der 15-jährige Nichte die elektronischen Geräte den Ermittlern vorlegen. Die Wohnung des 27-jährigen Neffen, der schon gegen sechs Uhr morgens ins Büro gefahren ist, wird von der Kriminalbeamten durchsucht. Frischmanns Mutter schlägt einen Wirbel, dass sie unbedingt ein Mobiltelefon benötige, da sie gesundheitlich angeschlagen sei. Mit Genehmigung des Oberstaatsanwalts darf die Mutter das Telefon behalten.
Am Ende werden eine Digitalkamera, ein Tablet und Datensticks von Frischmanns Schwester und seinem Neffen sichergestellt.
Auch bei den Eltern von Stefan Steiner sollen Beamten eine Nachschau gehalten haben.
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