Wenn Ministerien ihre Kritiker klagen
Als der Rechtsexperte der Diakonie, Christoph Riedl, in zwei KURIER-Berichten das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) kritisierte (lesen Sie hier), reichte das Amtsleiter Wolfgang Taucher Anfang Mai für eine Anzeige wegen übler Nachrede.
Zwar stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren Ende September ein, die Empörung über dieses Vorgehen war jedoch groß und beschäftigte auch das Parlament. Neos und Jetzt (ehemals Liste Pilz) warfen dem Innenministerium vor, Kritiker mit Klagen mundtot machen zu wollen und forschten nach, wie andere Ministerien mit öffentlicher Kritik umgehen.
Das Ergebnis einer Serie von parlamentarischen Anfragen liegt dem KURIER nun vor.
Die Antwort von FPÖ-Innenminister Herbert an Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper enthüllt: Die Anzeige gegen Riedl war kein Einzelfall. Das Asylamt hat am 18. Mai noch eine Strafanzeige gegen Listengründer Peter Pilz gemacht.
Kickl nimmt es mit Anzeigepflicht genau
Vier weitere Anzeigen etwa wegen übler Nachrede (§ 111 StGB) bzw. öffentlicher Beleidigung einer Behörde (§ 116 StGB) kamen heuer aus dem BVT – allesamt ebenfalls wegen Äußerungen in Medien oder wegen Kritik, die sich auf Medienberichte bezog, heißt es auf KURIER-Nachfrage.
Insgesamt gab es heuer also in Ämtern, die dem Innenministerium nachgeordnet sind, sechs Anzeigen wegen so genannten strafbaren Handlungen gegen die Ehre.
Der Innenminister erklärt, dass seine Behörden eine Anzeigepflicht hätten; vor allem, wenn den Ämtern bzw. seinen Bediensteten absichtliches falsches Handeln vorgeworfen werde. Auch im Fall Riedl argumentierte man so – den Vorwurf der Einschüchterung wies Amtsleiter Taucher entschieden zurück.
Eine Verurteilung, eine Diversion
Die Fraktion Jetzt blitzte beim Innenminister mit einer ähnlichen Anfrage ab: die Erhebung der Fälle würde einen „unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand“ darstellen, schreibt Kickl in seiner Antwort. Jetzt-Mandatarin Alma Zadic wendet sich an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, um eine vollständige Auskunft zu erwirken.
Für alle anderen Ministerien war der Aufwand überschaubar: Insgesamt gab es in den vergangenen zehn Jahren nur drei Anzeigen. Das Verteidigungsministerium zeigte zwei Fälle von Beleidigung einer Behörde an, 2010 gab es eine Verurteilung. Im Sozialministerium gab es einen Fall von übler Nachrede, der mit einer Diversion endete.
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