Doch für viele Gewalttäter ist dieser Weg der schwierigere. Sozialarbeiter Bernhard Glaeser hat schon mit vielen Gewalttätern gearbeitet. Er kennt die Hürden. "Die große Herausforderung ist: Das, was wirklich ist, auf den Tisch zu bringen." Der Druck, dass andernfalls doch ein Strafverfahren vor Gericht droht, hilft dabei. Denn oft lautet die erste Aussage: "Das ist mir halt passiert. Und das passiert nie wieder."
Und auch wenn es ohnehin immer wieder betont wird: Häusliche Gewalt passiert in allen Schichten, in allen Kulturen, in allen Religionen. Primare und Manager landen ebenso bei Glaeser und seinen Kollegen wie Asylwerber.
Verantwortung übernehmen
Was sie eint, ist der steinige Weg der Einsicht. "Es muss ein Prozess entstehen, der Täter muss Verantwortung übernehmen." Das gelingt nicht allen. Denn die Einsicht schmerzt. Und tatsächlich gibt es Täter, die den Tatausgleich abbrechen, weil er ihnen "ans Zahnfleisch geht", wie Glaeser es formuliert. Die lieber eine Haftstrafe in Kauf nehmen, als sich mit ihren Taten zu konfrontieren.
Es ist hart, wenn externe Personen den Finger auf die Wunde legen. Nicht nur beim Opfer.
Oft kommt es zu Übergriffen, wenn eine Trennung bevorsteht. "Wenn Frauen wegwollen und ernst machen, können Männer oft nicht damit umgehen", sagt Glaeser. Dann sehen manche keine andere Möglichkeit mehr, als ihre körperliche Überlegenheit auszuspielen. Der Tatausgleich kann hier auch den Tätern helfen. "Wenn es dadurch dem Mann gelingt, den Schock zu verdauen, das Aus zu akzeptieren – da ist der Tatausgleich hilfreich", so Glaeser.
Aber auch bei weiter bestehenden Beziehungen ist er wichtig – so lange die Gewalt nicht zum Alltag gehört. Denn: "Natürlich gibt es in Beziehungen Streit und Provokation. Aber keine Provokation berechtigt dazu, handgreiflich zu werden. Diese klare Botschaft vermitteln wir."
Die Zahlen sprechen für den Tatausgleich. Laut einer Studie beträgt die Rückfallquote nach vier Jahren nur 10 Prozent. Im Vorjahr wurden Neustart 1.267 Personen nach häuslicher Gewalt zugewiesen.
Dennoch: In kaum einem anderen Bereich ist die Dunkelziffer so hoch wie bei Übergriffen im familiären Umfeld. Gleichzeitig wurde aber auch die Polizei speziell geschult. Die Sensibilisierung zeigt Wirkung. Aktuell gibt es 500 Polizistinnen und Polizisten, die eine spezielle Ausbildung als Präventionsbeamte für Gewalt in der Privatsphäre absolviert haben. 200 weitere sollen heuer folgen.
Zudem läuft eine Untersuchung über die Entwicklung häuslicher Gewalt während der Ausgangsbeschränkungen. Die Erkenntnisse sollen in die Arbeit der Polizei und in die Zusammenarbeit mit Gewaltschutzzentren, Interventionsstellen und Beratungseinrichtungen einfließen.
Ab 1. September müssen Gefährder zudem eine verpflichtende Beratung in Anspruch nehmen.
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