Während Trumps Amtszeit ist der Kurznachrichtendienst Twitter zum wichtigsten Kommunikationskanal des Weißen Hauses geworden. Dabei sorgten die nächtlichen Tweets des Präsidenten weltweit regelmäßig für Amüsement bis Empörung. Beifall bekam Trump vor allem von jenen, die sich einem Meinungsdiktat unterworfen fühlten, das er mit seinen Tweets aufgebrochen hat. Diese Strategie sei aufgegangen, meinen Thomas Hofer und Stefan Sengl. Beide haben sich intensiv mit US-Wahlkämpfen beschäftigt. Sengl leitete unter anderem die Wahlkampagne von Bundespräsident a. D. Heinz Fischer, Hofer ist Politikberater.
„Mit seinen kurzen und prägnanten Botschaften erreicht Trump über Social Media auch Menschen, die keine herkömmlichen Medien konsumieren“, sagt Sengl. „Natürlich wirkt er auf uns dabei oft wie eine Karikatur“, sagt Hofer. Seine Kommunikation funktioniere aber, da sie nur ein Zerrbild der Art sei, wie wir alle mittlerweile kommunizieren.
Emotionalisieren, Emotionalisieren, Emotionalisieren
Apropos Kommunikation: Gerade über den Umgang mit Fakten habe uns der US-Wahlkampf vieles gelehrt, sagen die Experten. „Vor allem Anfang des Jahres sah es so aus, als wäre es egal, was inhaltlich gesagt wird, solange man damit emotionalisieren kann“, erklärt Hofer. „Wir leben in einer postfaktischen Welt, du kannst fast alles sagen, wenn du damit eine bestimmte Zielgruppe auf der richtigen Seite ansprichst.“
Das Coronavirus habe dieses Phänomen aber zumindest kurzfristig gebremst. Wissenschaft und Fakten haben wieder an Bedeutung gewonnen. Biden habe sich darauf viel stärker bezogen und so siegreich sein können.
Die Pandemie-Situation verlangt andere Strategien
Das Thema Coronavirus habe Populisten weltweit auch aus einem anderen Grund Wählerstimmen gekostet: „Du kannst ein Virus nicht wegmobben“, fasst Sengl zusammen. Während die Hauptstrategie vieler Populisten sei, ihre Kontrahenten schlechtzumachen und zu attackieren, gehe das mit einem Virus schlicht nicht. Abseits des Corona-Themas haben Trump und Biden dennoch versucht, klassische Wahlkampfstrategien anzuwenden, ganz getreu dem Prinzip: „Positioniere deinen Gegner, bevor er es tut.“
Außenseiter-Rolle statt Establishment
Schon Trumps Vorgänger, Barack Obama, hat sich die Strategie zunutze gemacht und ging vor seiner ersten Amtszeit als Außenseiter in die Wahl. Das ging auf, „weil es eine große Unzufriedenheit mit dem Establishment gibt“, sagt Sengl. Je größer die soziale Ungleichheit in einem Land sei, umso stärker sei das Aufbegehren gegen (demokratische) Institutionen und jene, die sie vertreten. Seit der Wirtschaftskrise 2008 sei die Ungleichheit stetig gewachsen. Damit müsse man in der Zukunft auch in Europa verstärkt umgehen lernen, sagt Hofer. „Wir leben in einer Zeit der Krisen, von Corona bis Klima, die die Sorgen um Wohlstand und die wirtschaftliche Existenz zunehmend verhärtet.“
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