Was von Haider übrig bleibt und wie Strache davon profitiert
„Er ist und bleibt der international bekannteste österreichische Politiker neben Kurt Waldheim als UN-Generalsekretär. Weit bekannter als Bundeskanzler Bruno Kreisky“, sagt Politikwissenschafter Reinhard Heinisch. Er, das ist Jörg Haider.
Der FPÖ-Chef, BZÖ-Gründer und Landeshauptmann von Kärnten, den Fans wie Funktionäre nur „Jörg“ nannten, wäre am 26. Jänner 70 Jahre alt geworden.
Anlässlich dieses Jubiläums legt die FPÖ-Kärnten an diesem Sonntag einen Kranz bei Haiders Grabstätte im Bärental nieder. Jenem Tal, das bereits zu Haiders Lebzeiten öffentliche Beachtung fand, da es dereinst arisiert wurde und Haider ebendort Besitzungen geerbt hatte.
„Seine großen Erfolge, die er mit der Freiheitlichen Bewegung zu verzeichnen hatte, sind unter anderem Ausfluss seiner visionären Art und Weise, Politik für und mit den Menschen im Land zu betreiben“, heißt es dazu in einer Aussendung von Kärntens FPÖ-Chef Gernot Darmann. Von „vielen Meilensteinen in der heimischen Sozial- und Familienpolitik. Müttergeld, Babygeld, Kindergeld, Schulstartgeld, Teuerungsausgleich, Heizkostenzuschuss, Lehre mit Matura oder die Würdigung der Frauen mit Herz und der Heldinnen des Alltags im Rahmen des EVA-Preises“ ist da die Rede.
Kein Wort davon, dass die Kärntner wie auch die Republik Österreich selbst an Haiders Geld-Vergabe-Politik (Stichwort Hypo Alpe Adria, Wörtherseestadion, u.v.m) nachhaltigen Schaden erlitten haben. „Von Haider ist die Erfahrung geblieben, dass man ohne konsistente Inhalte - also mit Populismus – die Parteienlandschaft durcheinander wirbeln kann“, sagt Politologe Anton Pelinka. Strache sei das - bis Ibiza - ebenfalls gelungen. Frank Stronach, der Ähnliches versucht habe, hingegen nicht.
„Haider und auf andere Art auch Strache haben gezeigt, dass mit der Mischung aus populärer Beliebigkeit und schauspielerischem Talent Wahlerfolge zu erzielen sind. Aber Haider und Strache haben auch gezeigt, dass das nicht einfach in Regierungserfolge zu übersetzen ist.“
Für Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle, die an der Fachhochschule Kärnten lehrt, war Haider „der erste Populist, der sich nicht scheute, inhaltlich flexibel Themen zu besetzen und diese emotional aufzuladen, indem er gegen Personengruppen und exemplarisch ausgewählte Einzelne hetzte“.
Stilistisches Erbe
Als „stilistisches Erbe“ nennt sie auf KURIER-Nachfrage „das Streuen von Zweifeln gegenüber politischen Eliten, demokratischen Verfahren und den traditionellen Medien. Auch diese Klaviatur hat Haider schon bestens beherrscht - und viele in der FPÖ sind erkennbar in diese Schule gegangen.“ Das beste Beispiel sei Haiders und Straches einstiger Redenschreiber, der nunmehrige Klubchef der FPÖ, Herbert Kickl.
Für Heinisch, für dessen Studierende Jörg Haider nur mehr „eine historische Figur ist“, weil sie ihn nicht mehr als aktiven Politiker erlebt haben, ist Kärntens ehemaliger Landeshauptmann ein Mann „voller Widersprüche. Euroskeptisch, verband er Neoliberales mit protektionistischer Antiglobalisierungs-Attitüde.“ Er habe „eine pro-arabische Haltung gehabt, sich mit antisemitischen Äußerungen hervorgetan und dennoch versucht, sich mit den USA zu arrangieren.“
Letztlich sei der gebürtige Bad Goiserer auch jemand gewesen, „der vom radikalen Rabaukentum genug hatte und regieren wollte.“ Der Kärnten mit „divide and conquer seinen Stempel auftrug und in die Katastrophe der Hype Alpe Adria führte.“
Jörg Haiders milliardenschwere Verfehlungen wurden erst posthum publik. Heinz-Christian Straches Verhalten als Vizekanzler und FPÖ-Chef bestimmt indes seit Bekanntwerden der Ibiza-Affäre die Schlagzeilen. Dass beide aus der FPÖ im Streit schieden und durch neue Parteien BZÖ (Haider) und DAÖ (Strache) mehr oder weniger reüssieren woll(t)en, ist beiden gemein.
„Die Parallele und Ironie der Geschichte ist“, so Kathrin Stainer-Hämmerle, „die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Abgang und dem Erbe dieser beiden langjährigen und daher auch prägenden Obmänner. Eine Mischung aus Ehrfurcht für die Leistung, und Unmöglichkeit, ehrlich zu bilanzieren und sich zu distanzieren ohne die eigene Partei zu schädigen.“
Reinhard Heinisch sieht indes weniger Ähnlichkeiten mit Heinz-Christian Strache, als vielmehr mit einem amtierenden Präsidenten. Wie Donald Trump inszenierte sich Haider in Heinischs Augen „in Kostümen und mit Glamour-Aufritten: Der Sportwagenbesitzer im Designeranzug mit der Schickeria am Wörthersee, dem die Herzen der kleinen Leute zuflogen, weil er einer der ihren war, sind extrem offensichtliche Parallelen.“ Die stete Betonung der Fake News, das sich-gefallen in der Opferrolle oder das Stilisieren der SPÖ als „die bösen Demokraten, denen er immer Schnippchen schlug, gehören dazu“.
Mehr Parallelen denn Unterschiede zwischen Haider und Strache macht indes Anton Pelinka auf KURIER-Nachfrage aus. „Eine wichtige Parallele war die Strategie von beiden: Mehr Österreich-Patriotismus und weniger Deutschnationalismus plus Philosemitismus. In Straches Fall ergänzt durch Anti-Islamismus. Alles, um den nach wie vor vorhandenen Nazi-Geruch loszuwerden und die Partei 'hoffähig' zu machen.“
Alle drei Politologen sagen Heinz-Christian Strache jedenfalls bei einer etwaigen Kandidatur bei der Wien-Wahl im Herbst reale Chancen voraus.
„Das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde ist ihm zuzutrauen. Seine Chancen hängen aber stark von der Stärke oder Schwäche seiner politischen Gegner ab. Die Geschichte zeigt, dass derartige Namenslisten selten großen politischen Einfluss erringen können, noch ein langes Leben haben“, sagt Kathrin Stainer-Hämmerle und verweist auf das BZÖ, die Liste Pilz und „mit Abstrichen Dinkhauser“.
Für Reinhard Heinisch ist die 5 Prozent-Hürde ebenfalls machbar, „Strache in Wien sicher noch ein relevanter Faktor und charismatischer als Dominik Nepp. Auch das Herumlavieren der Wiener FP scheint zu belegen, wonach man interne Daten hat, dass Strache eine sehr ernste Konkurrenz ist. Es scheint ein massiver Absturz bevor zu stehen, von den einst 33 Prozent auf unter 15 Prozent und potentiell noch weniger“.
Anton Pelinka geht ebenfalls von der potentiellen Chance aus, dass Strache „mit seiner Liste die FPÖ halbieren kann. Freilich ist es noch zu früh, Genaueres zu sagen, denn inzwischen kann es ja auch Neues als Ergebnis der diversen strafrechtlichen Untersuchungen geben.“
Kommentare