Was hinter dem Anti-Corona-Maßnahmen-Kurs der FPÖ steckt

Was hinter dem Anti-Corona-Maßnahmen-Kurs der FPÖ steckt
Sind die Blauen heute extremer als unter Haider? Wie stark profitieren sie von Corona? Und wie erfolgreich werden sie in Oberösterreich sein?

Der eine spricht am Samstag von "Corona-Stahlhelmen in den Regierungsbüros" und "Schmuddeltypen in den Ministerien", der andere zwei Tage später von "verzweifelten Menschen, die auf der Straße friedlichen Protest kundtun". Wohin führt das demokratiepolitisch, wer führt die FPÖ - und vor allem: wohin? 

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl und FPÖ-Chef Norbert Hofer geben "das Good-Cop/Bad-Cop"-Duo, sagt OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer, und "es funktioniert für die Kernwählerschaft und die immer größer werdende Zahl an Unzufriedenen". Demokratiepolitisch, konstatiert Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle im KURIER-Gespräch, "ist das nicht gesund. Die Anti-Corona-Bewegung, die auf die Straße geht, erscheint uns durch die mediale Aufmerksamkeit viel größer als sie ist. Dass Kickl dort auftritt, hebt sie nochmals auf eine höhere Ebene, sie erhält dadurch mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung."

Aus parteitaktischen Überlegungen sei die Teilnahme und Rede von Kickl am Samstag indes "clever", so Bachmayer und Stainer-Hämmerle unisono. Die Freiheitliche Partei gebe sich als die Oppositionspartei - und all jenen, die unzufrieden und sich von der Regierung im Stich gelassen fühlen, eine Stimme. Eine Stimme, die in Gestalt Herbert Kickls am Samstag auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater zu hören war. "Das Ganze ist so schräg und irr, dass es kein Hollywood-Regisseur erfinden könnte", kritisiert Kickl etwa Nasenbohrertests für Schüler und Reisewarnungen innerhalb Österreichs. All das sei einer Demokratie unwürdig. 

Weder Wort- noch Ortswahl seien dem Zufall überlassen gewesen, sind sich die politischen Beobachter einig. "Dass Kickl dort eine Rede hält, wo normalerweise die SPÖ den 1. Mai und die KPÖ das Volksstimmenfest feiert, ist strategisch geplant. Die FPÖ beginnt sich neben der Freiheitspartei auch als Vertreterin der Krisenverlierer zu positionieren, da die Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise ab Sommer und in den Herbst hinein voll durchschlagen wird", sagt der FPÖ-nahe Strategieberater Heimo Lepuschitz zum KURIER. 

Eben diese Gruppe wachse, erklärt Stainer-Hämmerle, und dadurch wachse auch der Druck auf die anderen Oppositionsparteien. Denn je konstruktiver diese seien, umso mehr Wählerpotenzial bleibe innerhalb der Gruppe der Krisenverlierer für die FPÖ. Bachmayer schätzt, dass „ein Fünftel bis ein Viertel der Österreicher mit der Corona-Situation unzufrieden ist“. Ein gewisser Prozentsatz davon fühle sich von der FPÖ angesprochen.

Es gehe der FPÖ,  so Lepuschitz und Christoph Pöchinger, der Hofer und Oberösterreichs FP-Chef Manfred Haimbuchner berät, nicht um eine generelle Ablehnung von Masken  oder Impfungen, sondern um „Grund- und Freiheitsrechte. Für Bürgerfreiheit stand und steht die FPÖ seit Jahrzehnten. Wenn man so will, ist das in der DNA der FPÖ verankert und der Nenner aller Funktionäre.“

20 Prozent in Oberösterreich?

In Oberösterreich, wo heuer Landtagswahlen stattfinden, werde die FPÖ laut Bachmayer keine so großen Verluste einfahren wie in Wien, wo es die Freiheitlichen auf eine Einstelligkeit zerbröselte. "In Oberösterreich ist sie vollkommen anders positioniert." Bachmayer geht trotz Stimmenverlusten von rund 20 Prozent für Haimbuchners FPÖ aus.

Agiert und agitiert Kickl rhetorisch wie inhaltlich heute extremer als Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider zu Zeiten des Ausländervolksbegehrens "Österreich zuerst"?  "Nein", sagen die vom KURIER Befragten, auch wenn es in der öffentlichen Wahrnehmung und insbesondere auf Social Media den Eindruck mache. Generell hinke der Vergleich mit Haider, sagt Pöchinger. "Die Zeiten waren damals ganz andere, Haider war das politische Sprachrohr. Heute kann jeder auf Twitter oder Facebook innerhalb von Sekunden seine Meinung kundtun."

Dass die FPÖ, wie von politischen Kommentatoren beschrieben, immer mehr der Alternative für Deutschland (AfD) ähnle, trifft laut vom KURIER befragten Experten nicht zu. Die AfD hätte kürzlich vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden sollen. Die Vergleiche mit der AfD seien aber ohnehin eine Eliten-Diskussion, so Bachmayer. Die FPÖ sei immer schon eine rechtspopulistische Partei gewesen, die jetzt versuche, neue Themenfelder zu bespielen. Trat sie dereinst gegen Ausländer auf, gibt sie sich nun als regierungskritischste Oppositionspartei aus. Die Corona-Krise habe ihr das rasche Besetzen der Protestposition ermöglicht.

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