Was durch die EU billiger und teurer wurde
Wahnsinn, wie teuer alles geworden ist: Oder hätten Sie sich vorstellen können, anno dazumal für ein Kilogramm Spezialbrot 96 Schilling und 30 Groschen zu bezahlen? Ein Hunderter, unvorstellbar!
Schilling- und Euro-Preisvergleiche sind beliebte Aufreger, die sich per E-Mail rasant verbreiten. Dem Faktencheck halten sie aber selten stand – aus zwei Gründen: Ins kollektive Gedächtnis (der älteren Generation) haben sich Standard-Preise in der alten Währung eingeprägt. Man erinnert sich: Ein normales Brot kostete früher rund 20 Schilling. Vergleicht man das – wie im Beispiel oben – mit dem handgekneteten Bio-Spezialkörndlbrot um 7 Euro, wird das Ergebnis massiv verzerrt. Der gelernte Umrechnungskurs von 13,7603 Schilling in Euro passt ebenfalls nicht mehr, weil er die zwischenzeitlich angefallene „normale“ Inflation von rund zwei Prozent pro Jahr unterschlägt. Aus 20 Schilling des Jahres 1995 wären heute auch schon fast 32 Schilling geworden. Und: Nicht nur die Preise, auch die Einkommen sind gestiegen. Im Fachjargon wird diese verzerrte Wahrnehmung die „gefühlte“ Inflation genannt.
Mit Verspätung
Wie sieht aber ein realistischer Vergleich aus? Laut Statistik Austria kostete 1995 ein Kilo Schwarz- oder Mischbrot 22,70 Schilling. Heute beträgt der Preis für das vergleichbare Produkt 3,08 Euro. Ein Durchschnittsverdiener kann sich von seinem Netto-Monatseinkommen tatsächlich weniger davon leisten: Es gehen sich um 92 Brote weniger aus als vor 22 Jahren. Rascher als die Kaufkraft sind auch die Kaffeehaus-Preise gestiegen: Herr und Frau Österreicher können sich 37 „Kleine Braune“ weniger leisten. Bei den meisten anderen Kategorien ist es umgekehrt: So sind für Normalverdiener heute 379 Semmeln, 631 Flaschen Bier oder 7 Herren-Anzüge zusätzlich drin. Auch die Installateur-Stunde ist eine Spur billiger.
Und was war mit dem „Ederer-Tausender“? Staatssekretärin Brigitte Ederer hatte versprochen, ein Vier-Personen-Haushalt würde sich durch die sinkenden Preise nach dem EU-Beitritt 1000 Schilling im Monat ersparen. Das wurde bald darauf als gebrochenes Versprechen gewertet. 1998 war es aber so weit: WIFO-Forscher errechneten anhand eines Vergleichs mit der deutschen Preisentwicklung eine EU-bedingte Ersparnis in Österreich von 12.300 Schilling pro Jahr. Der „Ederer-Tausender“ war spät, aber doch noch angekommen.
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