Warum der Richterjob bei Wirtschaftsstrafsachen wenig reizvoll ist

Warum der Richterjob bei Wirtschaftsstrafsachen wenig reizvoll ist
Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, erwartet sich personelle Aufstockung und erklärt, warum viele Richter nach wenigen Jahren wechseln.

Die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, erwartet sich bei den anstehenden Budgetverhandlungen ein Plus an Planstellen sowohl bei Richterinnen und Richtern wie auch beim Nachwuchs. "Wir haben nach wie vor große personelle Probleme", so Matejka zur APA. Engpässe gebe es auch beim nicht-richterlichen Personal - hier hofft sie angesichts der Arbeitsmarktlage auch auf organisatorische Maßnahmen.

Die Personalprobleme seien zum Teil Nachwehen der Sparpolitik früherer Jahre, hängen aber auch mit zahlreichen anstehenden Pensionierungen zusammen. "Es gab in den letzten Jahren massive Aufstockungen bei der Staatsanwaltschaft, aber nur zu einem sehr geringen Teil und erst letztes Jahr bei Strafgerichten", meinte Matejka. "Massive Engpässe" habe man z.B. im Bereich der Wirtschaftsstrafsachen, aber auch bei Bezirksgerichten im familienrechtlichen Bereich.

Mehr Gehalt

Auf einen Grund für den Engpass im Wirtschaftsbereich macht bereits seit Längerem der Präsident des Wiener Landesgerichts Friedrich Forsthuber aufmerksam: Richter verdienen deutlich weniger als Ankläger der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die ihnen im Gerichtssaal gegenüberstehen.

Das liegt daran, dass die WKStA als Spezialbehörde eingerichtet wurde und die dort tätigen Oberstaatsanwälte bei der Gehaltsgruppe höher eingestuft werden. Forsthuber plädierte deshalb für einen eigenen Gerichtshof für Wirtschaftsstrafsachen - quasi als Pendant zur WKStA

Was hinter der Idee des WKStA-Spezialgerichts steckt

Auch Matejka sagt, es sei "höchste Zeit" für eine Gehaltsanpassung. Die Ausbildung für Richter und für Staatsanwälte ist dieselbe. "Wer sich für den Fachbereich interessiert, kann sich derzeit entscheiden, ob man lieber als Richter mehr oder minder auf sich allein gestellt über einen Fall entscheidet oder bei der WKStA in einem Team arbeitet und mehr verdient."

Die derzeitige Situation führe dazu, dass viele Richter die oft anstrengenden Wirtschaftsstrafsachen entweder gar nicht übernehmen wollen oder nach ein paar Jahren wieder wechseln.

Für einen eigenen Gerichtshof für diese Fälle plädiert Matejka dennoch nicht. Ein solcher hätte zwar den Vorteil, dass man bei einem Neuaufbau einen entsprechenden Rahmen mit Unterstützungspersonal und entsprechender Infrastruktur schaffen könne.

Allerdings blieben die Verfahren aufgrund ihrer Komplexität sehr belastend. An einem allgemeinen Strafgericht könne man dann etwa darum ersuchen, dass man eine Zeit lang keine Wirtschaftsstrafsachen zugeteilt bekommt, aber nach einer Pause wieder in dem Bereich arbeiten.

Wenn man sich zu diesem Zweck dagegen von einem Spezialgericht an ein anderes Gericht bewerben müsse, sei die Chance einer Rückkehr gering. "Bei einem allgemeinen Gerichtshof kann man die Arbeitsbelastung besser austarieren." Und eine bessere Infrastruktur könnte man auch an bestehenden Gerichten schaffen.

Vorausschauende Personalpolitik

Personalmangel gebe es aber auch wegen Gesetzesänderungen, die Mehrarbeit verursacht hätten, erklärt die Richterpräsidentin - beispielsweise das Erwachsenenschutzrecht, das Kindschaftsrecht oder Unterbringungsverfahren in Psychiatrien. In den vergangenen Jahren habe es immer geheißen, die diversen Änderungen seien ja nur mit einem geringen Anteil an Mehrarbeit verbunden. "Wenn dann das zehnte Gesetz geändert wird, wird es aber irgendwann spürbar. Das hat sich über Jahre summiert."

Ein wenig gemildert werde der anstehende Nachbesetzungsbedarf derzeit noch dadurch, dass im richterlichen Bereich meist bis zum Alter von 65 Jahren gearbeitet wird. Allerdings dauere die Ausbildungszeit von Richteramtsanwärterinnen und -anwärtern vier Jahre. "Wir müssen also jetzt darauf schauen, dass wir ausreichend aufnehmen und ausbilden. Da wäre unser Wunsch, dass man vorausschauend Personalpolitik betreibt."

Drängender sei die Situation im nicht-richterlichen Bereich. "Hier gehen die Mitarbeiter früher in Pension, das spüren wir schon jetzt sehr stark." Da der Kanzleidienst finanziell nicht attraktiv sei, könne man in der aktuellen Arbeitsmarktsituation nur schwer Stellen besetzen. "Hier gibt es gerade Überlegungen zur Reorganisation und zur Schaffung neuer Berufsbilder. Da geht es darum, Arbeit anders zu organisieren und den Anfall eventuell mit höher qualifiziertem Personal trotz der Pensionierungen zu bewältigen."

So könnten etwa vor allem bei Großverfahren Verfahrensmanager unterstützen - für manche Bereiche wären auch juristische Mitarbeiter wie etwa schon beim Bundesverwaltungsgericht eine Möglichkeit.

Geschworene bei komplizierten Verfahren schwierig

Diskutieren möchte Matejka die Zuständigkeit von Geschworenengerichten. Hier gebe es schon lange berechtigte Kritik etwa von Anwaltsseite, dass Geschworenenurteile nicht begründet werden müssen und daher die Anfechtung schwierig sei. "Man sollte schon überlegen, welche Delikte geeignet sind, in Geschworenenverfahren abgehandelt zu werden." Die jüngsten Reformen im Verbotsgesetz könnten ein Anlass sein, darüber nachzudenken.

Keine Bedenken hat Matejka, wenn Geschworene über leicht fassbare Sachverhalte entscheiden müssen - "ganz plakativ etwa ein Mord, das ist auch für Nichtjuristen gut verständlich, das ist ein abgeschlossener Sachverhalt, den man gut aufarbeiten kann." Schwierig werde es dagegen bei Verfahren, die viel Fachwissen erfordern oder typischerweise komplizierte und umfangreiche Sachverhalte aufweisen.

Von der Politik wünscht sich Matejka mehr Bewusstsein und Sensibilität für die Gewaltenteilung. "Da ist in den letzten Jahren das politische Gefühl ein bisschen verlorengegangen und der wechselseitige Respekt vor einzelnen Institutionen des Staates." Dies sei eine politisch bedenkliche Entwicklung und leider ein genereller Trend in Europa. Die Politik müsse die Unabhängigkeit der Gerichte wahren und bedenken, wo sie sich einmischen könne und wo nicht.

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