Minus 23,68. Da hat ganz Europa gestaunt, letzten Sonntag, als die Wahlergebnisse der einst so starken FPÖ in Wien bekannt wurden. Dazu noch der gefallene frühere Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der nach Ibiza-Skandal und Bruch mit seinen Parteifreunden gerade einmal 23.688 Wähler überzeugen konnte.
In der Corona-Krisenzeit haben es Europas Rechtspopulisten, die nicht in Regierungen vertreten sind, auch ohne Skandale schwer. Doch eines ist auch klar: Die Abstürze dürften nicht von Dauer sein, die Themen werden zurückkommen. Doch mancherorts werden die üblichen Verdächtigen von neuen Rechten überholt.
AfD-Richtungsstreit
Ausgerechnet dort, wo sie besonders stark war, verliert die AfD an Zustimmung: In Ostdeutschland liegt sie in Umfragen auf Platz drei. Im Bund rutschten ihre Werte im Sommer unter zehn Prozent. Themen wie Migration sind nicht mehr im Fokus, zu Corona fand die AfD keine Position, das Anhängen an die Proteste brachte keinen Auftrieb.
Zudem war man mehr mit Streit beschäftigt, wie dem Rauswurf des Brandenburger Landeschef Andreas Kalbitz wegen seiner Neonazi-Vergangenheit. Er verlor, doch seine Leute steckten nicht zurück und bekämpfen sich mit den weniger Radikalen. Ein Machtkampf, der laut Experten abschreckt – auch weil die AfD durch fortwährende Radikalisierung vom Verfassungsschutz zum gesamten Beobachtungsfall erklärt werden könnte. Das hätte dann etwa für verbeamtete Mitglieder Folgen.
Le Pen tritt auf der Stelle
Fast zwei Drittel der Franzosen haben laut Umfragen beim Umgang mit der Corona-Pandemie kein Vertrauen in Präsident Macrons Führung. Doch die Opposition profitiert kaum von dieser Skepsis – auch nicht der Rassemblement National (früher: Front National). Parteichefin Marine Le Pen trifft zwar einen Nerv der Franzosen, wenn sie die teils chaotischen Anti-Coronamaßnahmen kritisiert. Doch sie selbst blieb konstruktive Vorschläge schuldig. Im Sommer erlebte sie bei den Kommunalwahlen einen herben Dämpfer.
Doch mittlerweile gewinnt die Rechtspopulistin wieder an Boden. Laut einer jüngsten Umfrage kann Le Pen bei den Präsidentenwahlen in 18 Monaten mit 24 bis 27 Prozent der Stimmen rechnen. Sie würde damit vor Macron (23 bis 26 Prozent) liegen und sich für den zweiten Wahlgang qualifizieren.
Salvini bekommt Konkurrenz von rechts
2020 hätte das Comeback-Jahr von Matteo Salvini sein sollen. Als der damalige Innenminister im August 2019 die Koalition platzen ließ, hat er sich aber verzockt. Denn statt einer Neuwahl, die der Polterer wohl haushoch gewonnen hätte, bescherte er damit Italien eine Mitte-Links-Regierung – ohne Lega-Beteiligung. Salvini hat seine Rückkehr geplant, doch dann kam Corona. Die Regierung Conte II sammelte Sympathien – Salvinis Themen Asyl und Migration wurden von heute auf morgen durch Gesundheit, Wirtschaftseinbruch und Reisebeschränkungen ersetzt.
Immer noch beliebteste Partei, fallen die Werte der Lega weiter. Gleichzeitig punktet Georgia Meloni bei Salvini-Fans. Die Berlusconi-Ziehtochter und ihre „Fratelli d’Italia“ punkten mit Anti- Immigration und Slogans, die Salvini gerne geprägt hätte: „Italiener zuerst“.
Nur rechter Vlaams Belang bleibt stark
Kein Politiker in Belgien hat mehr Follower auf Facebook als der junge Tom Van Grieken. Der 34-jährige Rechtspopulist, Chef der separatistischen Vlaams Belang („Flämische Interessen“), führt den extremen flämischen Nationalisten seit einigen Jahren immer höhere Umfragewerte zu. Mit dem klassischen Rezept der Rechtspopulisten: Sein Feindbild sind Migranten, sein Misstrauen gilt dem belgischen Staat. Seine flämischen Anhänger hadern mit den „etablierten Parteien“.
Bei den Wahlen im Vorjahr lag der Vlaams Belang in Flandern noch hinter der ebenfalls nationalistischen, aber gemäßigteren flämischen N-VA an zweiter Stelle. Seither hat sich das Blatt gedreht – in allen Umfragen ist jetzt der Vlaams Belang nun die stärkste Partei Flanderns. Stimmeneinbußen hat seit Corona nur die moderatere Konkurrenzpartei N-VA zu verzeichnen.
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