Wann dem Gesundheitssystem der Kollaps droht
Nun ist der „Lockdown“ also auch in Österreich „spürbar“; zumindest, wenn man in Salzburg lebt. Im bayerischen Landkreis Berchtesgaden traten am Dienstag Ausgangssperren in Kraft – entsprechend groß ist die Sorge in Salzburg, dass die Abschottung Wirtschaft und Handel trifft.
Seit Tagen wird spekuliert, ob die Lockdowns der Nachbarn nicht auch in Österreich Ähnliches auslösen – immerhin sind die Infektionszahlen hierzulande unverändert hoch.
Tatsächlich gibt es für einen Lockdown in Österreich aber klare Vorgaben. Wie leicht oder schwer sind diese erreicht? Wann ist von einer Überlastung des Gesundheitssystems die Rede? Der KURIER klärt die wichtigsten Fragen:
Kann der Gesundheitsminister den Lockdown allein per Verordnung verhängen?
Nein. Der Gesundheitsminister kann eine bundesweite Ausgangsbeschränkung zwar verfügen. Allerdings muss er das „Einvernehmen“ mit dem Nationalrat herstellen. Zudem ist der Lockdown mit zehn Tagen begrenzt. Und Anschober muss schlüssig nachweisen, dass die „medizinische Versorgung“ vor dem Zusammenbruch steht.
Woran bemisst sich der Zusammenbruch des Gesundheitssystems?
„Rechtlich steht das nirgends, das ist im Gesetz nicht definiert, und das ist gut so. Sonst müsste man stur, wenn zum Beispiel 81 Prozent der Intensivbetten belegt sind, einen Lockdown verordnen, obwohl die Infektionszahlen vielleicht schon wieder sinken“, sagt Georg Krakow, Rechtsexperte im Stab des Gesundheitsministeriums. In der modernen Gesetzgebung würde in solchen Fällen mit Worten wie „erheblich“ oder „Ausschöpfen gelinderer Mittel“ operiert. Das gibt dem Minister den nötigen Spielraum. Krakow: „Der Minister muss sich im Zusammenspiel mit Spitälern, Gesundheitsbehörden, Epidemiologen und Rechtsexperten eine Meinung bilden, ob der Zusammenbruch des Gesundheitssystems droht und gelindere Mittel zu dessen Verhinderung nicht mehr ausreichen. Das muss er im Vorhinein dokumentieren, denn die Verordnung eines Lockdowns kann im Nachhinein vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden.“
Welche Parameter gibt es für den Minister, um den Zusammenbruch zu attestieren?
Einer der zentralen Werte ist die Auslastung der Betten auf den Intensivstationen. Österreichweit sind rund 2.000 Betten auf Intensivstationen verfügbar. „Wenn 40 Prozent dieser Betten mit Covid-19-Patienten belegt sind, sind wir jedenfalls im kritischen Bereich“, sagt Herwig Ostermann, Chef der Gesundheit Österreich und Mitglied des Krisenstabs im Gesundheitsressort.
Theoretisch ist es für den Experten denkbar, dass bis zu 50 Prozent der Intensivbetten – also rund 1.000 – mit Covid-19-Patienten belegt sind. Aber dieser Notbetrieb sei nur vorübergehend machbar.
Ist Österreich mit Ländern vergleichbar, die schon im zweiten Lockdown sind?
Was das Gesundheitssystem angeht, ist das nur bedingt der Fall. Denn bei den Intensivbetten ist Österreich mit 28,9 Betten pro 100.000 Einwohner weltweit unter den Spitzenreitern. Nur Deutschland hat mit 33,9 Betten im OECD-Vergleich mehr. EU-Nachbarn wie Frankreich (16,3), Spanien (9,7) oder die Niederlande (6,7) haben einen geringeren „Puffer“.
Was sagt das Covid-19-Maßnahmengesetz über Privatwohnungen? Darf die Polizei diese kontrollieren?
„Auf der Basis einer Verordnung nach dem Covid-Maßnahmengesetz ganz klar: nein“, sagt Krakow. Selbst wenn die Nachbarn anzeigen, dass eine „Corona-Party“ im Gang sei, dürfe die Polizei nicht nachschauen. Sie dürfte aber eingreifen, wenn z. B. wegen Lärmbelästigung eine Anzeige eingeht. Deshalb gibt es für Wohnungen ja auch die dringende Empfehlung, die Sechs-Personen-Grenze einzuhalten.
Kann der Minister ein Besuchsverbot in Privatwohnungen verhängen?
Nach dem Covid-Gesetz explizit: nein. Dort sind Privatwohnungen von Betretungsverboten ausgenommen. Gäbe es einen rechtlichen Umweg? Der Gesundheitsminister kann ja ein generelles Ausgehverbot verhängen, für das es wenige Ausnahmen gibt, etwa: familiäre Verpflichtungen, Berufsausübung und die „psychische und physische Erholung“. Krakow: „Darüber kann man trefflich streiten, ob der Besuch eines Freundes der Erholung dient bzw. schon der Weg zu dessen Wohnung erholsam ist.“ Das Gesetz sei in diesem Punkt schwierig zu vollziehen.
Was sagen die neuen Regeln zum Breitensport?
Es dürfen so viele Menschen Sport betreiben, wie es für die Sportart nötig ist. Fußballspiele können in voller Besetzung stattfinden, heißt es im Sportministerium. Kantinen müssen geschlossen bleiben. Offen ist, wie es bei Kantinen mit Gastro-Lizenz aussieht. Überhaupt ist im Sportbereich vieles ungeklärt. Die Vereinsszene wartet auf die entsprechende Verordnung, die heute, Mittwoch, kommen soll.
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