Wahlbetrug: An Vorwürfen ist meist nichts daran

Wie gewählt wurde, ist im Detail erst am Donnerstag klar
Laut Justizstatistik gibt es immer häufiger Ermittlungen wegen Wahldelikten, aber kaum Verurteilungen.

Verurteilungen wegen eines Wahldeliktes sind selten, ermittelt wird aber immer häufiger. Das zeigt eine der APA vorliegende Statistik des Justizministeriums über Verfahren wegen Wahlmanipulation und ähnlichen Vorwürfen. Die bekannten Fälle betreffen vor allem Gemeinden. Sollte die FPÖ angekündigte Beweise für Manipulationen bei der Präsidentenwahl wirklich liefern können, wäre das eine Premiere.

Insgesamt scheinen die diversen Wahldelikte in der Justizstatistik mit heuer 48 Fällen auf (Stichtag 1. Oktober). Demnach wurden heuer in 19 Fällen Ermittlungen wegen Wahlbetrug (§266 StGB "Fälschung bei einer Wahl") aufgenommen. Darunter fällt sowohl die unberechtigte Stimmabgabe als auch die Manipulation des Ergebnisses. Dazu kommen noch Ermittlungen wegen "Täuschung bei einer Wahl" (11 Fälle), "Verbreitung falscher Nachrichten" (9), "Verletzung des Wahlgeheimnisses" (4) sowie Bestechung (3) und Wahlbehinderung (2).

Wahlbetrug: An Vorwürfen ist meist nichts daran
Zahl der Ermittlungen, Verurteilungen 2006-2016 - Säulengrafik; Verdachtsfälle 2016 nach Delikten - Tortengrafik GRAFIK 1123-16, 88 x 92 mm

Anstieg erkennbar

Im langjährigen Vergleich ist zwar ein Anstieg der Ermittlungen erkennbar: Seit 2012 gab es pro Jahr durchschnittlich 36 Verdachtsfälle, 2002 bis 2006 waren es nur 15 pro Jahr. Im Endeffekt erweisen sich viele Vorwürfe aber als unhaltbar: Verurteilungen gab es seit 2002 nur sechs: drei wegen Wahlfälschung und drei wegen Verletzung des Wahlgeheimnisses.

Sollte die FPÖ tatsächlich Beweise für eine Manipulation der Bundespräsidentenwahl vorlegen können, wäre das wohl eine Premiere. Denn die bisherigen Verurteilungen wegen Wahlmanipulation betrafen soweit bekannt vor allem Gemeindewahlen. "Auf Bundesebene ist mir keine Manipulation bekannt", bestätigt auch der Parlamentsexperte und frühere VP-Klubdirektor Werner Zögernitz.

Ob und wie viele Hinweise die FPÖ bisher eingebracht hat, ist aber unklar. Parteianwalt Dieter Böhmdorfer war für die APA nicht erreichbar. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat dazu keine Informationen, weil die FPÖ angekündigt hat, anstelle der im Sommer angekündigten Anzeige das anonyme "Whistleblower-System" nutzen zu wollen. Die Zuständigkeit Wahldelikte liegt außerdem bei den regionalen Staatsanwaltschaften, nur die (Formal)Fehler bei der Briefwahlauszählung ermittelt die WKStA.

Größte Manipulationsaffäre in Vorarlberg

Zwei anonyme Anzeigen betreffend angebliche Malversationen in Pflegeheimen gab es jedenfalls im Bereich der Staatsanwaltschaft Graz. Wie deren Sprecher der APA sagte, wurden die Ermittlungen aber eingestellt: Im ersten Fall habe die Anzeige keine Details enthalten - nicht einmal um welches Heim es sich handle. Und im zweiten Fall hätten Ermittlungen ergeben, dass keine Wahlkarten ohne Wissen der Heimbewohner bestellt worden seien.

Damit ist die größte derzeit bekannte Manipulationsaffäre jene wegen der Vorarlberger Gemeinderatswahl 2015: Hier geht die Staatsanwaltschaft Innsbruck dem Verdacht nach, dass ÖVP-Funktionäre in Bludenz über 60 Wahlkarten für andere Personen beantragt und ausgestellt haben, in Hohenems geht es um "Sammelbestellungen" für Heimbewohner. Beide Wahlen mussten bereits wiederholt werden.

Wegen eines Wahldeliktes ("Verbreitung falscher Nachrichten") ermittelt wurde auch gegen den geschäftsführenden niederösterreichischen FP-Chef Christian Höbart im Zusammenhang mit der Gemeinderatswahl in Guntramsdorf. Angeklagt wird er nun allerdings wegen Urkundenfälschung: Er soll eine Kandidatin ohne deren Wissen auf die FP-Liste gesetzt haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wahlmanipulation kommt in Österreich nicht häufig vor - und wenn, dann vor allem auf Gemeindeebene. Die Umstände wirken oft ein wenig skurril: So wurde 2005 ein Vorarlberger Politiker für die Manipulation einer Gemeinderatswahl verurteilt, bei der nur eine einzige Liste kandidierte. Ein Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Weil er Unterstützungserklärungen für die Gemeinderatswahl in Sonntagberg (Niederösterreich) gefälscht hatte, wurde im Vorjahr ein FP-Politiker verurteilt. Zur Rechtfertigung gab er an, einer der Betroffenen hätte seine Bitte nach einer Unterschrift wörtlich mit "mach dir den Scheiß selbst" quittiert: 4.320 Euro Geldstrafe.

Gegnerische Stimmzettel vernichtet

Kurios auch der 2005 in Vandans (Vorarlberg) publik gewordene Fall: Das Ergebnis wurde manipuliert, obwohl in dem Ort nur eine von ÖVP, SPÖ und FPÖ gebildete Einheitsliste kandidierte. Weil ein VP-Kandidat sein Vorzugsstimmenergebnis verbessern wollte, las er seinen Namen bei der Auszählung der Stimmen 109 Mal öfter vor, als er auf den Stimmzetteln auftauchte. Dass er daraufhin all seine Ämter verlor, auch jene in Pfarrkirchenrat und Schützenverein, wertete das Gericht nicht mildernd: 720 Euro Geldstrafe.

Deutlich robuster ging ein SP-Kandidat bei der Gemeinderatswahl 2009 in Dellach im Drautal (Kärnten) zu Werke: Er öffnete eine versiegelte Wahlurne, vernichtete 92 gegnerische Stimmzettel und füllte sechs auf seinen Namen aus. Urteil: neun Monate bedingt und 1.440 Euro Geldstrafe - allerdings formal nicht wegen eines Wahldelikts, sondern Amtsmissbrauchs.

Werbe-SMS ohne Konsequenzen

Ebenfalls wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht landete der VP-Bürgermeister von Unterrabnitz-Schwendgraben (Burgenland), weil er bei der Landtagswahl 2010 16 Wahlkarten manipuliert und Stimmzettel selbst ausgefüllt und abgeschickt hatte. Der Prozess hatte eine Verschärfung der burgenländischen Briefwahlregeln zur Folge.

Die große Mehrzahl der seit 2002 gezählten 355 Ermittlungsverfahren wegen Wahldelikten wurde jedoch eingestellt - viele im Zusammenhang mit der seit ihrer Einführung 2007 umstrittenen Briefwahl. So blieb ein Werbe-SMS der Wiener ÖVP nach der Gemeinderatswahl 2010 ohne Konsequenzen, in der das nachträgliche Abschicken von Wahlkarten beworben wurde. Grund: lediglich das Ausfüllen, nicht aber das Einwerfen nach Wahlschluss wäre unzulässig gewesen. Immerhin führte der Fall aber einer Verschärfung der Briefwahl-Regeln.

Auch wegen der Anforderung von Wahlkarten für Pflegeheiminsassen und für Wähler mit Migrationshintergrund wurde mehrmals ermittelt, ohne dass sich Verdachtsfälle erhärtet hätten. Und ungeschoren davon kam im Vorjahr ein niederösterreichischer Schlossbesitzer, der bei der Gemeinderatswahl für gleich 16 Verwandte mitgewählt hatte. Das Gericht glaubte ihm, lediglich die Wünsche seiner im Ausland befindlichen Verwandten vollzogen zu haben und sprach ihn frei.

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