Was Sie jetzt über Wahlkarten wissen müssen

Wahlkarten
Ihre Auszählung dauert länger, trotzdem sind Wahlkarten anfällig für Missbrauch.

Die Bundespräsidentschaftswahl wird heute erst nach der Auszählung der Wahlkarten entschieden sein. 885.437 Wahlkarten wurden für die Stichwahl ausgestellt. 14 Prozent der Wähler wollten ihre Stimme also nicht an der Wahlurne im Wahllokal abgeben, weil sie sich am Tag der Wahl nicht im Land befunden haben oder anderweitig verhindert sind – in der Theorie. In der Praxis kann jeder um eine Wahlkarte ansuchen, der in einem fremden Wahllokal wählen möchte.

Die Möglichkeit der Wahl aus der Ferne dürfte zwar die Wahlbeteiligung erhöhen und der Bequemlichkeit der Wähler dienen – die Wahlbehörden stellt sie aber vor Herausforderungen. Der Auszahlungsprozess ist komplexer und die Tatsache, dass nicht in der Wahlzelle gewählt wird, kann Wahlbetrug erleichtern. Auch wenn es bisher noch keine Hinweise darauf gibt, hat der FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl bereits angekündigt, dass sich die FPÖ den Auszählungsvorgang genau ansehen wird. Eine erfolgreiche Anfechtung könnte die Wahl des Bundespräsidenten noch einmal in die Länge ziehen.

Warum die Auszählung länger dauert

Das Ergebnis der Briefwahl soll heute um 16:30 Uhr bekanntgegeben werden, also einen Tag nach der ersten Hochrechnung. Das Bundespräsidentenwahlgesetz legt dazu fest, dass die Auszählung der Briefwahlstimmen am Tag nach der Wahl um 9:00 Uhr zu beginnen hat. Geht es nach der Bundeswahlbehörde, gibt es dafür einen einfachen Grund: Die Auswertung von Wahlkarten ist komplex und zeitaufwendig.

Zunächst muss man zwischen Inlands-Wahlkarten, für die Wahl in fremden Wahllokalen, und den Briefwahlkarten aus dem Ausland unterscheiden. Erstere wurden bereits gestern ausgezählt und im Ergebnis berücksichtigt. Heute sind die rund 700.000 Stimmen aus der Briefwahl an der Reihe.

Die Auszählung findet auf Bezirksebene statt. Zunächst muss das Kuvert der Wahlkarte auf Beschädigungen überprüft werden. Wurde es etwa aufgerissen und mit Klebestreifen wieder zugeklebt, ist die Wahlkarte ungültig. Nach der äußerlichen Überprüfung öffnen die Wahlhelfer das Kuvert mittels Brieföffner. Gleich darauf wird der Inhalt des Kuverts zwecks Anonymisierung für alle sichtbar in einen Bottich geleert. Bevor es zur klassischen Auszählung geht, kontrolliert die Wahlkommission noch die Unterschrift auf dem Stimmzettel ­ - jedoch nur auf ihr Vorhandensein. Ob eine Unterschrift gefälscht sein könnte, wird erst auf konkreten Verdacht hin genauer überprüft.

Jeder dieser Schritte sollte, wenn möglich, auch von den Beisitzern der Parteien verfolgt werden. Insgesamt zieht der Ablauf die Auszählung von Wahlkarten in die Länge. Laut der Bundeswahlbehörde hätte deshalb die Auszählung der Wahlkarten am Sonntag noch bis vier Uhr morgens oder länger dauern können – zu lange für viele Mitglieder der Wahlkommissionen. "Es ist ein Erfahrungswert, dass die Beisitzer der Parteien nicht so viele Stunden anwesend zu behalten sind", sagt Robert Stein, Leiter der Wahlbehörde im Innenministerium.

Gleichzeitig sollte die Auszählung laut Stein nicht auf Gemeindeebene stattfinden, wo es schneller gehen könnte, weil dann das Wahlgeheimnis gefährdet wäre. In Klein- und Kleinstgemeinden sind die im Ausland lebenden Mitbürger meist bekannt, eine Wahlkarte also leicht einer Person zuzuordnen.

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Wie die Wahl angefochten werden kann

Sobald das Ergebnis feststeht, muss es die Bundeswahlbehörde laut Gesetz "unverzüglich" verlautbaren. Das ist deshalb wichtig, weil nun die einwöchige Frist beginnt, innerhalb derer die Wahl als ganzes oder in Teilen angefochten werden kann. Die Kandidaten schicken dafür ihre Stellvertreter vor, die sogenannten Zustellungsbevollmächtigen. Die Anfechtung kann laut Gesetz auf Grundlage "jeder behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens" geschehen, benötigt jedenfalls aber eine Begründung. Der Verfassungsgerichtshof hat vier Wochen Zeit, über einen Antrag auf Anfechtung zu entscheiden. Gibt er der Anfechtung statt, könnte die Wahl in den betreffenden Gebieten oder – weit unwahrscheinlicher – bundesweit zu wiederholt werden müssen.

Das ist bisher zwei Mal passiert. Bei der Nationalratswahl 1970 beklagte die FPÖ, dass die später aufgelöste Nationaldemokratische Partei mehrere Wahlvorschläge mit gefälschten Unterschriften vorgelegt hätte. Der Verfassungsgerichthof gab der Anfechtung Recht, die Wahl musste in mehreren Wiener Wahlkreisen wiederholt werden. Auch bei der Nationalratswahl 1995 kam es zu einer Wahlwiederholung.

Wahlkarten als Anfechtungsgrund

Wer eine Wahl anfechten will, muss einen Grund vorlegen. Grundsätzlich gilt: Je konkreter der Verdacht, desto besser die Aussicht auf Erfolg. Die FPÖ hat in weiser Voraussicht schon im Vorfeld der Wahl angekündigt, sich die Wahlkartenstimmen genauer anzusehen. In der Vergangenheit gab es bei den Wahlkarten nämlich immer wieder Ungereimtheiten.

Nach der burgenländischen Landtagswahl im Jahr 2010 fasste etwa der Bürgermeister der Gemeinde Unterrabnitz eine Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs aus, weil er bei 13 Wahlkarten die Unterschriften gefälscht hatte. Immer wieder sorgen auch Wahlkarten aus Einrichtungen wie Altersheimen für Betrugsvorwürfe, weil schwer nachzuvollziehen ist, ob die die Entscheidungen der Bewohner auch wirklich aus freien Stücken zustande kommen. Die FPÖ vermutete zuletzt bei der Wien-Wahl 2015 Wahlbetrug in Altersheimen und Moscheen. Sogar eine Belohnung wurde ausgeschrieben: 5000 Euro boten die Blauen jedem, der Belege für Wahlmanipulation übermittelte. Wie sich aber zeigte, erfolglos.

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