Ja, Grüß Gott meine Damen und Herren am Sonntagnachmittag. Ich möchte auf einen Punkt eingehen, der in den letzten Tagen die Diskussion intensiv bestimmt hat in der Öffentlichkeit. Es geht um die Frage diverser Facebook-Seiten ("Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Wir für Sebastian Kurz", Anm.) im Wahlkampf.
Wie Sie wissen, habe ich vor einiger Zeit bereits festgestellt, dass es ein erheblicher Fehler war, Tal Silberstein in unserer Kampagne zu beschäftigen. Unser Vertrauen wurde missbraucht. Wir wissen heute, dass dieser Fehler weiterreichender gewesen ist, als wir vermutet haben. Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass wir mit diesen Inhalten aus diversen Schmutzkübeln nichts zu tun haben wollen. Mir hat auch der Bundesgeschäftsführer versichert, dass hier seitens der Partei keine Unterstützung passiert ist, dass wir damit nichts zu tun haben. Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass einer unserer Mitarbeiter involviert war, der offenbar strategische Hinweise gegeben hat. Das ist natürlich nicht akzeptabel. Kann natürlich in einer Kampagne nicht sein, dass man kein umfangreiches Bild über die Entwicklungen von Vorgängen hat. Die Konsequenz ist gewesen, dass gestern der Bundesgeschäftsführer seine Aufgabe niedergelegt hat.
Mir ist wichtig, dass wir volle Aufklärung über diese Vorgänge bekommen. Wir haben uns deshalb entschieden, eine interne Task-Force einzusetzen, die noch einmal gründlich, transparent und öffentlich einsehbar, die ganze Geschichte aufarbeitet. Ich werde vorschlagen, dass Christoph Matznetter, ein gelernter Wirtschaftsprüfer (und SPÖ-Abgeordneter, Anm.), diese Aufgabe übernimmt. Wer ihn dabei unterstützt, werden wir noch festzulegen haben.
Bemerkenswert ist allerdings, dass es eine Reihe von weiteren Fragen gibt, deren Aufklärung mich ähnlich intensiv interessiert, wie es vermutlich bei ihnen der Fall ist. Einer dieser Punkte ist: Wir haben die Zusammenarbeit mit Herrn Silberstein, ich denke es war der 17. August, beendet (verhaftet wurde Silberstein am 14. August, Anm.). Das war der Tag, als es zu dieser Verhaftung gekommen ist. Wir haben damals auch entschieden, dass sowohl Silberstein als auch alle Mitarbeiter, die aus seinem Team waren, aus der Kampagne abzuziehen sind. Und haben jetzt festgestellt, dass Aktivitäten, die auf Silberstein zurückgehen, weitergeführt worden sind.
Wir haben hier kein volles Bild. Ich sage Ihnen, wie es ist. Wir haben das versucht - soweit es geht - Licht in die Sache zu bringen. Ich denke, dass wir hier noch deutlich tiefer graben müssen. Was ich besonders bemerkenswert finde: Bei der Weiterführung dieser Aktivitäten sind zwei Dinge: Das eine ist, dass es nach dem Abgang von Silberstein, zu einer massiven Beschleunigung des Tons gekommen ist. Ich beziehe mich insbesondere auf die antisemitische Propaganda, die hier betrieben worden ist. Die ich persönlich zutiefst und aus vollster Überzeugung ablehne. Auch deshalb, weil ich persönlich ein enges Verhältnis mit Herrn Soros habe. Weil ich ihn mehrfach getroffen habe, mich mit ihn mehrfach ausgetauscht habe und zuletzt auch angeboten habe, dass wir im Konflikt, den er mit Viktor Orban hatte, seine Universität in Wien ansiedeln bzw. ich auch bereit bin, ihn auf europäischer Ebene zu unterstützen, damit er hier eine gute Lösung für seine Universität findet. Umso ärgerlicher, dass das in diese Richtung weitergespinnt worden ist.
Zwei Fragen, die ebenso relevant sind. Die erste ist: Wie kann es sein, dass es Mitarbeiter betrieben haben, die langjährige Mitarbeiter von anderen Parteien gewesen sind. Das ist im Herzen unsere Kampagne, wie soll ich sagen... unkonventionell jedenfalls. Aufklärungsbedürftig. Daraus resultiert daher auch die Frage, wer diese Aktivitäten finanziert hat. Wir werden unsere diesbezüglichen Vereinbarungen mit Silberstein offenlegen. Wir haben einen Vertrag gehabt, der mit 17. August beendet worden ist, einseitig, von unserer Seite. Seither hat es von uns keine Zahlungen mehr an Tal Silberstein gegeben.
Aus meiner Sicht ebenso interessant, diese diversen Dossiers über Unternehmensbeteiligungen meiner Frau verschickt werden. Wir tut das? Mit welchem Interesse? Wer bringt hier falsche Tatsachen in die Öffentlichkeit? Ich bin dankbar, dass es nur eine einschlägig beleumdete Zeitung geschafft hat, das auch tatsächlich zu veröffentlichen. Nichtsdestotrotz wurde mich interessieren, wer dahinter steckt. Es geht ganz offensichtlich darum, auch eine private Existenz zu zerstören.
Wir wissen, dass der ganze Vorgang einer ist, den wir schon seit einiger Zeit beobachtet haben. Wir haben immer wieder festgestellt, dass Materialien aus unserer Kampagne an die Öffentlichkeit gespielt worden sind. Ich habe das mit Interesse festgestellt. Wir sind davon ausgegangen, dass man das möglicherweise in Kauf zu nehmen hat, wenn es da illoyale Mitarbeiter gibt. Allerdings haben diese Leaks eine Dimension erreicht, wo man sich fragt, was sind hier eigentlich die Verhältnisse der handelnden Personen gewesen. Weil auch in diesem Fall findet man interessante Querverbindungen zu anderen Parteien.
Alles das werden wir versuchen ans Licht zu bringen. Die Sache wird mit dem 15. Oktober nicht beendet sein. Ich gehe davon aus, dass all jene, die sich schädigend gegenüber uns verhalten haben, wir mit entsprechenden rechtlichen Schritten verfolgen werden. Das wird so sein. Insbesondere interessiert mich aber auch noch, wenn Sie sich die ganzen Seiten anschauen... das Groteske daran ist ja, dass das Material zu mehr als zwei Drittel aus Bezichtigungen und Herabwürdigungen meiner Person besteht. Das ist besonders grotesk. Wie unmoralisch muss man sein, um sowas in Auftrag zu geben oder in Erwägung zu ziehen? Aber auch das wird eine der spannenden Fragen sein, weil wir bislang immer nur von zwei Seiten gesprochen haben.
Wie wir wissen gibt es auch eine Dritte, "Die Wahrheit über Christian Kern", die ja mindestens so brutal gewesen ist, wie die beiden anderen. Und auch da würde uns interessieren, wer da dahintersteckt.
Wir hoffen, dass das mit der Zeit ans Licht kommen wird. Wir werden unseren Beitrag leisten. Wir denken aber auch, dass hier andere, einen Beitrag zur Aufkärung zu leisten hätten.
Jänner 2017: Erstmals tauchen Dirty-Campaigning-Vorwürfe gegen die SPÖ auf. Der international tätige Wahlkampfberater und Experte für Negativ-Kampagnen, Tal Silberstein, würde für die SPÖ Vergangenheit und Privatleben von ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz durchleuchten.
Aus der ÖVP gibt es deshalb Kritik an der SPÖ. Bundeskanzler und SP-Vorsitzender Christian Kern bezeichnet die Vorwürfe als "an den Haaren herbeigezogener Unfug".
März 2017: SPÖ-Berater Silberstein sorgt weiter für dicke Luft in der SPÖ-ÖVP-Koalition. In einer parlamentarischen Anfrage will die ÖVP vom Regierungschef wissen, ob dem Kanzleramt Kosten für Silberstein entstanden sind. Kern erklärt, dass Silberstein nicht für das Bundeskanzleramt, sondern für die SPÖ tätig ist.
Juli 2017: Auch die FPÖ schießt sich zusehends gegen die SPÖ und ihren externen Berater Silberstein ein. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl vermutet Silberstein hinter verschiedenen SPÖ-Aktivitäten gegen die Freiheitlichen. Die ÖVP hält ihre Kritik an den Dirty-Campaigning-Aktivitäten der SPÖ aufrecht und weist als Beleg auf verschiedene Facebook-Seiten hin, darunter "Wir für Sebastian Kurz".
Die SPÖ weist die Vorwürfe zurück und betont die Notwendigkeit inhaltlicher Auseinandersetzung. Ende Juli wirft SPÖ-Kampagnenmanager Stefan Sengl nach kolportierten Auseinandersetzungen mit Silberstein das Handtuch. Das Wahlkampfteam der SPÖ muss neu aufgesetzt werden.
August 2017: Mitte August wird Tal Silberstein im Zusammenhang mit Korruptions- und Geldwäschevorwürfen gegen einen seiner Geschäftspartner vorübergehend festgenommen. Die SPÖ muss sich von ihrem Berater trennen.
Silbersteins Rolle wird zunächst herunter gespielt. Er habe nur Fokus-Gruppen und Umfragen für die SPÖ betreut und erstellt, erklären Wahlkampfleiter und Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler sowie Parteichef Kern. Der Kanzler nennt das Silberstein-Engagement inzwischen einen politischen Fehler.
"Manchmal hat man ein gutes Händchen, manchmal hat man ein weniger gutes Händchen", wird Niedermühlbichler später einräumen. ÖVP und Freiheitliche kritisieren weiterhin die dubiosen Praktiken des SPÖ-Wahlkampfberaters. ÖVP-Chef Kurz selbst will auf "Anpatzversuche" nicht reagieren.
Niedermühlbichler kritisiert die Volkspartei im Zusammenhang mit der Facebookseite "Wir für Sebastian Kurz": "Dass die Kurz-ÖVP hier versucht hat, diese Seite der SPÖ zuzuschieben, zeigt nur die Chuzpe, die die ÖVP bei dem Thema an den Tag legt. Ich stelle hier ein für alle Mal klar: Wir lehnen solche Methoden generell ab und greifen auch nicht auf solche zurück." Niedermühlbichler wirft der ÖVP vor, selbst eine Reihe von Lügen-und Negativ-Kampagnen-Seiten zu betreiben, darunter auch "Wir für Sebastian Kurz".
September 2017: Anfang September tauchen erste Unterlagen Silbersteins aus dem SPÖ-Wahlkampf auf. Demnach hat die SPÖ mehrere Anti-Kurz-Videos produzieren lassen. Eines davon wird auf der rechtslastigen Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" gespielt. SPÖ-Wahlkampfleiter Niedermühlbichler beteuert, dass die Videos "nicht direkt" von der SPÖ beauftragt worden seien. Und Niedermühlbichler erklärt, dass die SPÖ-Kampagne gehackt worden sei und interne Daten missbräuchlich verwendet würden.
Im Laufe des Septembers werden weitere Papiere und Mails Silbersteins publiziert: Stärke-Schwächen-Analysen und pikante SPÖ-Interna bis hin zu jenem Mail, das Kanzler Kern als politisch unerfahren, sprunghaft und eitel beschreibt. Die SPÖ vermutet als Quelle des Informationslecks eine ehemalige Silberstein-Mitarbeiterin, die über gute Kontakte zu ÖVP und NEOS verfügen soll.
Ende September berichten "Presse" und "profil", dass ein von Silberstein engagiertes Team für die SPÖ-Kampagne Pro- und Anti-Kurz-Facebookseiten organisiert hat. Die rassistische und teils antisemitische Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" sowie der Auftritt "Wir für Sebastian Kurz", der sich als Fanseite für den ÖVP-Chef ausgibt, wurden demnach im Auftrag Silbersteins bzw. der SPÖ produziert.
Laut "profil" beträgt das Budget für die mit der Negativ-Kampagne gegen Kurz betraute Spezialeinheit rund 500.000 Euro. Zumindest ein Mitglied des SPÖ-Wahlkampfteams soll in die Aufträge involviert und eingeweiht gewesen sein. SPÖ-Wahlkampfleiter Niedermühlbichler will von den Vorgängen in seinem Wahlkampfteam hingegen nichts gewusst haben.
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