Pressestimmen: "FPÖ schreckt EU nicht mehr"

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (l.) und Norbert Hofer am Wahltag
Internationale Zeitungen kommentieren die Koalitionsverhandlungen in Österreich zwischen ÖVP und FPÖ. Die Aufregung hält sich im Unterschied zum Jahr 2000 in Grenzen.

Die heute beginnenden Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ in Österreich waren am Mittwoch Inhalt zahlreicher internationaler Pressekommentare:

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"Dass Sebastian Kurz es jetzt mit der FPÖ versuchen will, ist kein Wunder. Die Neuausrichtung, die der Shootingstar der österreichischen Politik der ÖVP verpasst hat, macht sie nach rechts anschlussfähiger als nach links. Allerdings muss man beim Reizthema Flüchtlingspolitik die Unterschiede zwischen den drei großen Parteien des Landes ohnehin mit der Lupe suchen. Die Abriegelung der Balkanroute, die Kurz sich zugute schreibt, fand unter einem SPÖ-Kanzler statt. Das sollte für sozialdemokratische Parteien in ganz Europa von Interesse sein: Die SPÖ konnte ihr Wahlergebnis wenigstens halten, sie wurde nicht so dezimiert wie ihre Parteifreunde in Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden. Es zahlt sich also offenbar aus, wenn eine Arbeiterpartei Sorgen ihrer Klientel über die Migration ernst nimmt. Kurz wird nun alles daransetzen, dass eine Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition nicht wieder in einer europäischen Isolation endet. Die Gefahr dafür ist nicht allzu groß, dazu hat sich die politische Großwetterlage schon zu stark verändert, nicht zuletzt durch die Ost-Erweiterung der EU."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Eine mögliche Regierungsbeteiligung der FPÖ als Juniorpartnerin stößt in Brüssel nicht auf Sympathie, versetzt aber auch niemanden in Schrecken: Der Wahlsieg Emmanuel Macrons in Frankreich hat aus EU-Sicht die rechtspopulistische Gefahr entschärft. Da die Verhandlungen über den Brexit auch in Österreich die EU-Austritts-Gelüste dämpften, passte die FPÖ zudem ihre Rhetorik an. Im Wahlprogramm fordert sie keinen "Öxit", sondern den besseren Schutz der EU-Außengrenzen und den Stopp der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Garniert wird das dünne Menu mit Floskeln wie 'mehr Subsidiarität' oder 'mehr Demokratie'."

"De Volkskrant" (Amsterdam):

"FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hält eine Zusammenarbeit mit der ÖVP durchaus für sinnvoll, nachdem diese Partei nun die Zuwanderung drastisch begrenzen will. Ein Problem könnte sich allerdings hinsichtlich der Beziehungen zur Europäischen Union ergeben. ÖVP-Chef Sebastian Kurz betonte, dass die neue Regierung pro-europäisch sein muss, während die FPÖ der EU skeptisch gegenübersteht. Manche EU-Politiker haben sich daher besorgt über die Möglichkeit einer Rückkehr der FPÖ in die Regierung geäußert, obwohl die Partei in den letzten Jahren die antisemitischen Züge abgelegt hat, die sie früher an den Tag legte. Im Jahr 2000 hatten EU-Staaten Sanktionen angedroht, nachdem die FPÖ - damals noch unter Leitung des rechtsextremen Jörg Haider - in die Regierung aufgenommen wurde. Aber davor muss sich Kurz angesichts des veränderten politischen Klimas in vielen EU-Staaten nicht mehr fürchten."

"Junge Welt" (Berlin):

"Offen ist, was Kurz und FPÖ-Chef Strache bei ihrem Lieblingsthema Migration und Asyl planen. Viel ist da nicht mehr möglich. Die Grenzen sind dank SPÖ und ÖVP bereits jetzt dicht, Abschiebungen von seit Jahren im Land Lebenden gehören zum Alltag. Vermutlich wird in diesem Bereich deshalb nicht viel passieren. ÖVP und FPÖ haben mit dem Thema die Wahl gewonnen. Nun können sie ihr Image jenen gegenüber aufpolieren, die fragen, ob Kurz und Strache eine 'proeuropäische' Regierung bilden werden. Derart Besorgte, wie Österreichs Präsident Van der Bellen oder EU-Vertreter, wird die nächste Regierung damit überraschen, dass sie kaum rassistische Gesetze beschließen wird - weil diese, wie das groteske 'Burkaverbot', bereits existieren. Für die arbeitenden und arbeitslosen Menschen in Österreich brechen harte proeuropäische Zeiten an."

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