Warum Schwarz-Blau unter Schüssel scheiterte
Es waren nur 415 Stimmen Unterschied, aber sie ließen die ÖVP 1999 erstmals hinter die FPÖ auf Platz drei zurückfallen. Nach fast 13 Jahren Großer Koalition, in der Rot und Schwarz wie aneinander gefesselt waren, nutzte ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel nun die Gelegenheit zum Absprung.
Nach einer Oppositionsansage verhandelte er zwar zunächst doch wieder mit der SPÖ. Der Koalitionspakt scheiterte aber an Personalfragen und am Njet des roten Gewerkschafters Rudi Nürnberger.
2017: Türkis statt Schwarz
17 Jahre später wird es keine Sanktionen gegen "Schwarz-Blau" geben. Pardon: Schwarz ist mittlerweile bei der ÖVP verpönt. "Türkis ist die Farbe der Bewegung und der neuen Volkspartei", heißt es dazu in der ÖVP-Zentrale. "Türkis ist die neue Erfolgsfarbe und steht für die Ära Kurz", sagt Meinungsforscher und OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Die Erinnerungen an Schwarz-Blau unter Schüssel sollen damit gelöscht werden.
Schwerer wogen die Mängel im freiheitlichen Regierungspersonal. Justizminister Michael Krüger und Sozialministerin Elisabeth Sickl erwiesen sich nach kürzester Zeit als Fehlgriffe, auch bei Infrastrukturminister Michael Schmid war nach nicht einmal einem Jahr "die Batterie leer" (mehr dazu hier).
"Der Kardinalfehler war, dass es sich um keine Koalition auf Augenhöhe gehandelt hat", erklärt Bachmayer. "Der Verhandlungsübermacht von Schüssel stand eine mangelnde Professionalität entgegen. Es handelte sich um eine Schüssel-Regierung mit blauer Assistenz."
Dazu kamen ständige Querschüsse aus Kärnten. Landeshauptmann Jörg Haider, der mit seinem Verzicht aufs Vizekanzleramt den Weg für Schwarz-Blau geebnet hatte, machte fast täglich klar, dass er den Fahrersitz im Wiener Regierungs-Porsche nicht aufgeben wollte. Die Streitereien gipfelten am 7. September 2002 im "Putsch" von Knittelfeld.
Der Riss
Auch durch die anwesenden Regierungsvertreter ging ein Riss. Finanzminister Karl-Heinz Grasser verließ empört die Delegiertensitzung, Verteidigungsminister Herbert Scheibner gesellte sich hingegen zu Haider, um einen neuen Kompromiss zu präsentieren, der nicht mit FPÖ-Chefin Riess-Passer akkordiert war.
Orange Spalter
Das Ungleichgewicht war nicht geeignet, den Unmut an der FPÖ-Basis zu verringern. Im April 2005 zog Haider die Reißleine und färbte den regierungstreuen Teil orange ein. Die Abspaltung BZÖ war aus der Taufe gehoben. Einer der Sprengmeister von Knittelfeld stieg hingegen zum Chef der Blauen auf: Heinz-Christian Strache. Er führte die FPÖ zurück zu einem Stimmenanteil, der nun fast wieder dem von 1999 entspricht.
Das Koalitionsspiel beginnt nun unter anderen Voraussetzungen, und das betrifft nicht nur die Parteifarbe der ÖVP. "Entscheidend ist, wie rasch Türkis mit dauerhaftem Erfolg von Sebastian Kurz und seinem Machtanspruch verknüpft wird", erläutert Bachmayer. "Scheitert Kurz wie einst Schüssel mit Schwarz-Blau, wird auch das Türkis verblassen."
Warum Schwarz-Blau letztlich gescheitert ist
Der Politikwissenschafter Fritz Plasser analysiert die "schweren Fehler", die letztendlich zum Scheitern der schwarz-blauen Koalition führten:
- Überhastete Reformvorhaben
Es waren die "überambitionierten Reformvorhaben, die Schüssel in einem Blitztempo realisieren wollte". Zu diesen Vorhaben zählen die Budgetkonsolidierung mit dem Nulldefizit 2001, das weniger auf Nachhaltigkeit als auf einmalige Erlöse durch Privatisierungsvorhaben basierte. Im Jahr 2003 war es die Pensionsreform, die bis heute umstritten ist.
- Versagen beim Akzeptanz-Management
Laut Plasser war es ein "Kommunikationsfehler", die Vorhaben – Sparprogramm, Pensionsreform, Änderungen im Bildungssystem, Eurofighter-Ankauf – nicht umfassend zu vermitteln und um Verständnis in der Bevölkerung zu werben. "Bundeskanzler Schüssel hat seine Reformen zu wenig erklärt. Er hat seine Entscheidungen präsentiert, aber nicht kommuniziert. Schüssel hatte zu wenig Sensibilität für öffentliche Stimmungen. "Nicht umsonst wurde Schüssel am Ende ,Schweigekanzler’ genannt."
- Speed kills
Die Reformen in kürzest möglicher Zeit durchzusetzen, hat damals der Oppositionspartei SPÖ "Munition geliefert" für ihren Wahlkampf 2006 und den knappen Sieg bei der Wahl am 1. Oktober 2006 (SPÖ: 35,34 %; ÖVP: 34,33 %).
"Speed kills war ein großes Risiko und hat die Unfallwahrscheinlichkeit, die Niederlage, erhöht", sagt Plasser.
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